Was dem Will­kom­men folgt

Eine Ver­an­stal­tung in Köln zur Lage der Flüchtlinge

Nuri ist seit eini­gen Wochen in Köln, ein Jeside, kürz­lich noch Stu­dent an der Uni­ver­si­tät in Mos­sul. Unmit­tel­bar vor der Ankunft der IS-Ban­den wur­den die Jesi­den ins Singhal-Gebirge geschickt. »Nach einem Monat rann­ten die Pesh­merga, die Armee der Regie­rung Kur­di­stans, weg aus Singhal und lie­ßen uns und unsere Fami­lien zurück. Der IS kam zu uns. Einige von uns flo­hen, der IS ver­haf­tete tau­sende unse­rer Leute. Tau­sende wur­den von den Ter­ro­ris­ten getö­tet. Bis heute sind sehr viele Jesi­den immer noch vom IS verschleppt.«

Frage: »Auf wel­cher Route bist Du in die Bun­des­re­pu­blik gekommen?«

»Erst flo­hen wir zur syri­schen Grenze. Wir gin­gen tage­lang zu Fuß durch syri­sche Gebiete. Da wir kei­nen Schutz hat­ten, ver­brannte unsere Haut durch die Sonne der Wüste. Wir über­quer­ten die Grenze und reis­ten durch die Tür­kei. Wir kamen in die EU über Bul­ga­rien. Von dort aus nach Ser­bien. Wir waren in einer klei­ne­ren Stadt an der ser­bi­schen Grenze und woll­ten nach Bel­grad kom­men. Wir ver­lo­ren das Geld, das wir für unsere Reise mit­ge­nom­men haben. Zum Bei­spiel tra­fen wir einen Mann mit einem Auto und frag­ten ihn, ob er uns nach Bel­grad mit­neh­men kann. Erst wollte er 600 Euro von uns haben, nach­dem er erfuhr, dass wir keine Papiere haben. Nach eini­gen Ver­hand­lun­gen muss­ten wir ihm 400 Euro bezah­len. Von Ser­bien gin­gen wir nach Ungarn. In Öster­reich wur­den wir in einem Wald aus­ge­setzt. In den Wäl­dern des Bal­kan leb­ten wir für eine Woche von eini­gen Stü­cken Käse und schlie­fen auf dem Erdboden.«

Frage: »Wie hast Du es geschafft, die Grenze zur EU zu über­que­ren? Wie hat dich und deine Beglei­ter der bul­ga­ri­sche Staat behandelt?«

»Die Poli­zei ver­haf­tete uns in der Nähe von Sofia und brachte uns ins Gefäng­nis. OK, es war ein Lager, aber es war uns nicht erlaubt, es zu ver­las­sen – es fühlte sich wie ein Gefäng­nis an. Wir waren etwa 30 Men­schen in einem grö­ße­ren Raum. Die Behand­lung der Flücht­linge war sehr schlecht. Wir hat­ten schlechte Nah­rung zum Essen, dre­cki­ges Was­ser zum Trin­ken und von Zeit zu Zeit erleb­ten wir kör­per­li­che Gewalt gegen uns. Mit Gewalt nah­men sie uns die Fin­ger­ab­drü­cke ab.«

Frage: »Du konn­test schließ­lich Deine Reise fort­set­zen. Wie hast du die Ankunft in der Bun­des­re­pu­blik erlebt?«

»Die Behand­lung war bes­ser als in jedem ande­ren Land auf mei­nem Weg. Ich wurde in ein Lager in Gie­ßen geschickt. Dann wurde ich in ein Lager in Dort­mund gebracht, dann wie­der an einen ande­ren Platz in Dort­mund. Schließ­lich kam ich in Köln an. Erst war ich mit einem Alge­rier, einem Syrer und einem Ira­ker in einem Raum. Wir waren also vier Leute in einem Raum. Jetzt aber teile ich mei­nen Raum mit einer ande­ren Per­son. Es ist eine Art von Hotel. Ich denke, dass es nun bes­ser ist.«

Frage: »Hier in Deutsch­land hast Du einen Asyl­an­trag gestellt. Was ist pas­siert und wie ist deine jet­zige Situation?«

»Nach mei­ner Ankunft führte ich ein Inter­view. Das war Anfang Juni. Nach zwei Mona­ten bekam ich Post, die sagte, dass meine Fin­ger­ab­drü­cke in Bul­ga­rien sind und ich nach 15 Tagen ein wei­te­res Inter­view zu geben hätte. Bis­her habe ich keine ein­zige Ant­wort erhal­ten. Im Moment weiß ich nichts über mei­nen Sta­tus hier in Deutschland.«

Die­ses Inter­view wird ver­le­sen, denn Nuri will sich per­sön­lich auf Rück­sicht auf Ver­wandte nicht expo­nie­ren. An die­sem 15. Okto­ber sind in der Alten Feu­er­wa­che auf Anre­gung der Köl­ner DKP einige 50 Per­so­nen zusam­men­ge­kom­men, um die Lage der Flücht­linge in Köln zu erör­tern. Viele Orga­ni­sa­tio­nen unter­stüt­zen die Ver­an­stal­tung. Michael Sün­ner von der DFG/VK stellt die Asyl­po­li­tik in die Zusam­men­hänge von Flucht­ur­sa­chen und EU-Poli­tik, von Kon­zern­in­ter­es­sen und Waf­fen­lie­fe­run­gen. Jörg Det­jen, Rats­frak­ti­ons­vor­sit­zen­der der Links­par­tei, schil­dert auf der Grund­lage der neu­es­ten Daten die Lage. Es gibt gegen­wär­tig in Köln 8200 Flücht­linge. 35% davon aus Syrien. Wöchent­lich kom­men 200 dazu. 1400 allein­rei­sende Jugend­li­che. Er freut sich über die Köl­ner Will­kom­mens­in­itia­ti­ven. An ihnen betei­li­gen sich mehr als 1000 Bür­ge­rIn­nen. Herr Koca vom Men­schen­rechts­ver­ein Tüday, vor­mals selbst Flücht­ling, rekla­mierte die Men­schen­würde der Ankom­men­den. Sie hät­ten schlimme Erfah­run­gen hin­ter sich, könn­ten ohne Spra­che und Kennt­nisse der behörd­li­chen Regeln ihre Lage nicht selbst bestim­men. Wolf­gang Rei­ni­cke-Abel, DKP, betonte, wie wich­tig es sei, wei­tere Auf­nah­me­be­reit­schaft zu för­dern. Zuwan­de­rung dürfe nicht zu Lohn­drü­cke­rei füh­ren und soziale Ängste verstärken.

Text und Foto: Klaus Stein
Gra­fik: Wal­ter Stehling


Was dem Will­kom­men folgt – Fotos von Klaus Stein