Zwei bür­ger­li­che Par­teien Opfer der Fünfprozentklausel

Die Wahl zum Bun­des­tag am 22. Sep­tem­ber 2013

23.09.2013 | An Stim­men­pro­zen­ten beka­men CDU/CSU 41,5, die SPD 25,8, die Links­par­tei 8,6, die Grü­nen 8,4, FDP 4,8, AfD 4,7. Die Sitze im Bun­des­tag ver­tei­len sich dann wir folgt: (598 regu­lär, 630 nach dem Aus­gleich, dar­un­ter sind 28 Ausgleichsmandate):

Grafik: Ergebnis der Bundestagswahl 2013.
  • CDU/CSU 311
  • SPD 192
  • PDL 64
  • Grüne 63

Die CDU/CSU hat die abso­lute Mehr­heit nicht erreicht. Wir haben gewis­ser­ma­ßen hes­si­sche Ver­hält­nisse. Sie könn­ten dar­auf hin­aus­lau­fen, dass die SPD die Große Koali­tion wagt. Die Wahl­be­tei­li­gung von 71,54 Pro­zent wurde heute von der KR auf 72 hoch­ge­mo­gelt. Ins­ge­samt haben sich gerade mal 300 000 Wäh­ler mehr als im Sep­tem­ber 2009 über­re­den las­sen, zur Wahl­urne zu gehen. 1976 hatte die Wahl­be­tei­li­gung 90,7% betra­gen. 1998 82,2, 2002 79,1, 2007 77,7, 2009 waren es 70,78 Pro­zent. Die Rie­sen­kam­pa­gne, mit der die Bür­ger über­re­det wer­den soll­ten, ihre Stimme abzu­ge­ben, hat also wenig bewirkt. 17,6 Mil­lio­nen Wahl­be­rech­tigte wol­len sich nicht im Bun­des­tag ver­tre­ten lassen.

Ges­tern fie­len der Fünf­pro­zent­klau­sel zwei bür­ger­li­che Par­teien zum Opfer, so dass die bür­ger­li­che Mehr­heit, für den Fall, dass man die SPD nicht zu den bür­ger­li­chen Par­teien zäh­len möchte, im Par­la­ment nicht durchschlägt.

Es besteht jetzt die Chance, dass in den kom­men­den Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen unter dem Druck der Alter­na­tive Rot-Rot-Grün einige soziale Zuge­ständ­nisse gemacht wer­den. Wahr­schein­li­cher ist indes eine Große Koali­tion und die Gefahr des Abbaus wei­te­rer sozia­ler und demo­kra­ti­scher Grund­rechte durch sie.

Vor vier Jah­ren gab es die AfD noch nicht. Damals erhiel­ten CDU, CSU, FDP zusam­men 20,9 Mil­lio­nen Stim­men. Wenn man die AfD zu die­sem Lager rech­net, sum­mie­ren sich die bür­ger­li­chen Stim­men auf 22,3 Mil­lio­nen. Ohne AfD waren es ges­tern zusam­men 20,2 Mil­lio­nen = 700 000 Stim­men weni­ger als 2009. Offen­bar haben sie an die AfD abge­ben müs­sen. Deren 2 Mil­lio­nen Stim­men indes sind ver­schütt, weil die AfD mit 4,7 Pro­zent nicht über die 5‑Pro­zent-Hürde gekom­men ist. Auch die 2 Mil­lio­nen Stim­men der FDP sind ver­lo­ren. Sie hat mit 4,8 % die­selbe Hürde geris­sen. Pro­zen­tual fie­len auf CDU/CSU und FDP im Sep­tem­ber 2009 zusam­men 48,4% aller Stim­men. Mit AfD wäre das bür­ger­li­che Lage ges­tern sogar auf 51% gekom­men. Aber Mer­kel ver­hun­gert jetzt ohne FDP und AfD auf mage­ren 41,5 Pro­zent. Die 9,5 Pro­zent von FDP und AfD feh­len ihr. Sie wer­den durch die 5‑Prozentklausel unwirk­sam. Eine gewisse Scha­den­freude kann ich nicht ver­heh­len. Denn die Erfin­der der Klau­sel woll­ten sei­ner­zeit damit die KPD aus dem Par­la­ment heraushalten.

Grüne oder SPD wer­den jetzt in die Regie­rung zwecks Mit­ar­beit an der dro­hen­den Austeri­täts- und Kriegs­po­li­tik gelockt. Ein Ver­rat an den Wäh­lern würde es alle­mal. Die PDL wird viel Gele­gen­heit bekom­men, sich als Oppo­si­tion zu profilieren.

Bei SPD und Grü­nen wur­den 2009 zusam­men 14,6 Mil­lio­nen Stim­men depo­niert, 2013 sind es 14,9 Mil­lio­nen. Das sind immer­hin 300 000 Stim­men mehr. Zufäl­lig ist die Zahl fast iden­tisch mit dem Zuwachs an Wahl­be­tei­lig­ten. 2009 hat­ten 70,78% der Wahl­be­rech­tig­ten, 2013 71,54% von ihrem Wahl­recht Gebrauch gemacht. SPD und Grüne hat­ten zusam­men einen Zuwachs von 0,37% zu ver­zeich­nen. Sie sind auf 34,1% gekom­men. Die Gewinne der SPD (von 23 auf 25,7 = + 2,7%) wer­den durch die Ver­luste der Grü­nen (von 10,7 auf 8,4 = – 2,3%) weit­ge­hend kompensiert.

Selbst­ver­ständ­lich ist es ein Skan­dal, dass 15,7 % aller Stim­men durch die 5‑Pro­zent-Klau­sel unwirk­sam wer­den. 6,9 Mil­lio­nen Stim­men wer­den auf diese Weise nicht gezählt, nach­dem schon 17,6 Mil­lio­nen Men­schen ihr Wahl­recht nicht wahr­ge­nom­men haben. In der Summe sind das 24,5 Mil­lio­nen, 40 Pro­zent aller Wahlberechtigten.

Die Par­teien NPD, REP, Pro Deutsch­land und Die Rechte (in Köln 59 Stim­men) erlang­ten 730 000 Stim­men in die­sem Jahr. Vor vier Jah­ren kamen auf NPD und REP zusam­men 830 000 Stim­men. Ein Schwund von 1,9% auf 1,7%. Wei­ter so!

DKP Direkt­kan­di­da­ten

Die DKP hatte zur Wahl der Links­par­tei mit der Zweit­stimme auf­ge­ru­fen, ist aber in sechs von ins­ge­samt 299 Wahl­krei­sen mit Direkt­kan­di­da­ten für die Erst­stimme angetreten:

Die Ergeb­nisse:

  • WK 075 (Ber­lin-Mitte) = 260 Stim­men (0,2%)
  • WK 058 (Ober­ha­vel, Havel­land II) = 318 Stim­men (0,2%)
  • WK 062 (Dahme-Spree­wald, Tel­tow-Flä­ming III, Ober­spree­wald-Lau­sitz I) = 333 Stim­men (0,2%)
  • WK 064 (Cott­bus, Spree-Neiße) = 245 Stim­men (0,2%)
  • WK 065 (Elbe-Els­ter, Ober­spree­wald-Lau­sitz II) = 319 Stim­men (0,3%)
  • WK 270 (Aalen-Hei­den­heim) = 230 Stim­men (0,1%)

Zusam­men 1.705 Stim­men in 6 von 299 Wahlkreisen.

Nun zu Köln

Hier gibt es einige Vier­tel, die für ihre Klas­sen­struk­tur typisch sind. Das Wahl­ver­hal­ten dort läßt einige hüb­sche Schluss­fol­ge­run­gen zu. Auf­schluss­reich sind die Daten von Hahn­wald auf der einen Seite und Chor­wei­ler auf der ande­ren. Auf­fäl­lig ist das Stim­men­split­ting zwi­schen CDU und FDP in Hahn­wald und Mari­en­burg. In den bür­ger­li­chen Vier­teln ist das eine weit ver­brei­tete Übung (die FDP bekam in Hahn­wald 23,5% der Zweit­stim­men und 4,86 der Erst­stim­men). Grüne sind stark in der Innen­stadt, bzw. Neu­stadt, die PDL in Kalk und Chor­wei­ler (Stadt­teil, weni­ger im Bezirk). Erkenn­bar ist, wie die aka­de­misch gepräg­ten Vier­tel um die Innen­stadt herum die Grü­nen bevor­zu­gen, die Arbei­ter­vier­tel nei­gen immer noch zur SPD, aber auch zu Grün und PDL. Aber hier scheint es Ver­schie­bun­gen zu geben.

Was bedeu­tet die­ses Ergeb­nis für die Kom­mu­nal­wah­len am 25. Mai 2014?

Hier in Köln haben CDU (33%, 2009: 26,9; 2005: 27,2), FDP (6,02%; 15,6; 11,5) und AfD (3,54%) zusam­men 42,56% (2009: 52,5%; 2005: 38,7%) ein­ge­fah­ren. SPD (29,79%; 25,7; 38,1) und Grüne (14,13%; 17,9; 14,9) zusam­men 43,92% (2009: 43,6%; 2005: 53%). Wenn man diese Daten als Pro­gnose nimmt, könn­ten SPD und Grüne auf eine Mehr­heit ohne PDL bauen. Aber sie wer­den druck­emp­find­lich sein.

Und hier das Köl­ner Ergeb­nis der Bun­des­tags­wahl (Erst- und Zweitstimme)

  Erst­stim­men 2013 Zweit­stim­men 2013 Zweit­stim­men 2009
(zum Vergleich)
Wahl­be­rech­tigte 722.425 722.425 703.377
Wähler/innen 523.763 (72,5%) 523.763 (72,5%) 496.053 (70,5%)
ungül­tige Stimmen 5.550 (1,06%) 4.374 (0,84%)  
gül­tige Stimmen 518.213 (98,94%) 519.389 (99,16%) 491.517
CDU 188.629 (36,4%) 171.389 (33,0%) 131.558 (26,8%)
SPD 191.859 (37,02%) 154.734 (29,79%) 126.494 (25,7%)
FDP 12.607 (2,43 %) 31.276 (6,02%) 909 (15,6%)
GRÜNE 63.806 (12,31 %) 73.393 (14,13 %) 88.291 (18,0 %)
DIE LINKE 33.587 (6,48 %) 42.043 (8,09 %) 44.464 (9,0 %)
PIRA­TEN 11.199 (2,16%) 13.248 (2,55%) 9.649 (2,0%)
NPD 4.942 (0,95%) 3.331 (0,64%) 4.300 (0,9%)
REP   495 (0,10%) 1.138 (0,2%)
Bünd­nis 21 / RRP     226 (0,04%)
Volks­ab­stim­mung     803 (0,15%)
ÖDP     901 (0,17%)
MLPD 269 (0,05%) 268 (0,05%) 256 (0,1%)
BüSo 488 (0,09%) 189 (0,04%) 104 (0,0%)
PSG     121 (0,02%)
AfD 7.716 (1,49%) 18.387 (3,54%)  
BIG     934 (0,18%)
pro Deutsch­land     1.387 (0,27%)
DIE RECHTE     59 (0,01%)
FREIE WÄH­LER 2.390 (0,46%) 1.382 (0,27%)  
Par­tei der Nichtwähler     1.007 (0,19%)
Par­tei der Vernunft     380 (0,07%)
Die PAR­TEI 721 (0,14%) 3.436 (0,66%)  

Klaus Stein
Gra­fik: Wiki­pe­dia