Rechts­ruck in Europa

Der Vor­marsch der extre­men Rech­ten ist aufzuhalten!

Rechts­ruck in Europa

Mit dem Erstar­ken der extre­men Rech­ten und deren Eta­blie­rung in staat­li­che Struk­tu­ren und in die Insti­tu­tio­nen der EU hat die Rechts­ent­wick­lung, die sich natio­nal als auch euro­pa­weit schon lange beob­ach­ten lässt, eine neue Qua­li­tät ange­nom­men. Die Hemm­schwelle für die Zusam­men­ar­beit mit der soge­nann­ten «Neuen Rech­ten» fällt zuneh­mend. Die Ein­be­zie­hung extrem rech­ter bis faschis­ti­scher Kräfte zur Durch­set­zung neo­li­be­ra­ler Poli­tik droht zur Nor­ma­li­tät zu werden.

Als Zäsur zumin­dest in Bezug auf West­eu­ropa kön­nen die Regie­rungs­bil­dun­gen zusam­men mit Par­teien der extre­men Rech­ten in Öster­reich und Ita­lien bezeich­net wer­den.
In Ita­lien stellt mit Gior­gia Meloni die faschis­ti­sche «Fratelli d’I­ta­lia» gar die Minis­ter­prä­si­den­tin.
In Öster­reich endete die Regie­rungs­ko­ali­tion von ÖVP und der rechts­extre­men FPÖ unter Sebas­tian Kurz infolge der «Ibiza-Affäre» bereits nach 2 Jah­ren im Mai 2019. Schon jetzt stellt die äußerste Rechte neben Ita­lien in Ungarn (Fidesz mit Minis­ter­prä­si­dent Vic­tor Orban), in Finn­land (Die Fin­nen) und in der Ukraine (Sluha narodu, deutsch: Die­ner des Vol­kes) Regie­rungs­par­teien.1
In Polen stellte die kle­ri­kal-kon­ser­va­tive, natio­na­lis­ti­sche PiS (deutsch: Recht und Gerech­tig­keit) bis Dezem­ber 2023 die Regie­rung. Bei­nahe wäre der Faschist Geert Wil­ders (Par­tij voor de Vri­jheid) Minis­ter­prä­si­dent der Nie­der­lande gewor­den.
Laut den Anga­ben des Euro­pean Coun­cil on For­eign Rela­ti­ons (ECFR) dro­hen Par­teien der äußers­ten Rech­ten in neun Staa­ten Euro­pas zur stärks­ten, in neun wei­te­ren zur zweit- oder dritt­stärks­ten Kraft zu wer­den. Aller­dings fehlt die Ukraine in der Auf­lis­tung.2

In allen Staa­ten, in denen sich kon­ser­va­tiv-natio­na­lis­ti­sche Regie­run­gen gebil­det haben, wurde der Sozi­al­ab­bau for­ciert, demo­kra­ti­sche und Arbeit­neh­mer­rechte dras­tisch ein­ge­schränkt, Maß­nah­men der Gleich­schal­tung von Medien und Jus­tiz ergrif­fen und ins­ge­samt ein Roll­back in Rich­tung Natio­na­lis­mus und Abschot­tung voll­zo­gen.
So war eine der ers­ten Maß­nah­men Gior­gia Melo­nis die sofor­tige Strei­chung der Sozi­al­hilfe. Die ÖVP/FPÖ-Koali­tion beschloss 2018 eine immer noch gül­tige Reform, die es den Unter­neh­men erlaubt, ihre Beschäf­tig­ten 12 Stun­den am Tag und 60 Stun­den in der Woche arbei­ten zu las­sen. Diese Bei­spiele machen klar, dass das, was uns im Falle einer CDU/AfD-Regie­rung blüht, noch weit über die Zumu­tun­gen der Ampel-Regie­rung hin­aus­ge­hen wird.

Im EU-Par­la­ment sind die Rech­ten ver­schie­de­ner Schat­tie­run­gen in den Frak­tio­nen der Euro­pean Con­ser­va­ti­ves und Refor­mist (ECR) und der Frak­tion Iden­ti­tät und Demo­kra­tie (ID) zusam­men­ge­fasst. Die ECR ver­ei­nigt mit der Fratelli d’I­ta­lia, der PiS, den Schwe­den­de­mo­kra­ten und der spa­ni­schen Vox ver­gleich­bar extrem rechte Par­teien wie die ID-Frak­tion, zu der die FPÖ, die ita­lie­ni­sche Lega und der Ras­sem­blem­ent Natio­nal (RN) zäh­len. Dif­fe­ren­zen gibt es zwi­schen die­sen und inner­halb die­ser Grup­pie­run­gen vor allem in der Frage der Hal­tung zur EU.

Bei­den Grup­pie­run­gen sagen seit Mona­ten ver­schie­dene Umfra­gen bei der EU-Wahl im Juni deut­li­che Zuge­winne vor­aus, nach Anga­ben der Frank­fur­ter All­ge­mei­nen Sonn­tags­zei­tung vom 1. Mai, die sich auf die Pro­gnose des Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tuts EM-Ana­ly­tics stützt, für die ECR von 68 auf 85 Sitze und für die ID von 59 auf 76 Sitze. Ein leich­ter Zuge­winn wird für die kon­ser­va­tive Euro­päi­schen Volks­par­tei (EVP) von 178 auf 181, ein leich­ter Ver­lust von 141 auf 139 Man­date für die Sozi­al­de­mo­kra­ten pro­gnos­ti­ziert. Von gro­ßen Ver­lus­ten geht die Pro­gnose für die libe­rale Renew Europe und die Grü­nen mit der­zeit 101 bzw.72 auf 86 bzw. 51 Sitze aus. Die Links­frak­tion GUE/NGL wird laut die­ser Pro­gnose leicht von 37 auf 39 Abge­ord­nete zule­gen.
Der Anteil der Frak­ti­ons­lo­sen im EU-Par­la­ment von der­zeit 61 Abge­ord­ne­ten wird sich nach der Wahl aller Vor­aus­sicht nach ver­grö­ßern. Dar­un­ter befin­den sich neben eini­gen Abge­ord­ne­ten lin­ker Kräfte wie der kom­mu­nis­ti­schen Par­tei Grie­chen­lands (2 Sitze) und der bul­ga­ri­schen sozia­lis­ti­schen Par­tei (1) vor allem sol­che rech­ter bis ultra­rech­ter Par­teien, wie die kürz­lich aus der ID-Frak­tion aus­ge­schlos­se­nen neun AfD-Abge­ord­nete, 12 Abge­ord­nete der Fidesz-Unga­ri­scher Bür­ger­bund und fünf der ita­lie­ni­schen Fünf-Sterne-Bewegung.

Es sieht danach aus, dass sich das Macht­ge­füge im EU-Par­la­ment noch wei­ter nach rechts ver­schie­ben wird und damit eine Mehr­heit für eine kon­ser­va­tiv-ultra­rechte Koali­tion von EVP, ECR, ID erst­mals in der Geschichte des Euro­pa­par­la­ments in den Bereich des Mög­li­chen rückt.
Hinzu kommt noch der beträcht­li­che Anteil der Rech­ten unter den Frak­ti­ons­lo­sen. Und auch die Libe­ra­len sind prin­zi­pi­ell Bünd­nis­sen mit Rechts nicht abgeneigt.

Ursula von der Leyen, Spit­zen­kan­di­da­tin der EVP für die EU-Wahl und Prä­si­den­tin der EU-Kom­mis­sion zeigt sich offen für eine Zusam­men­ar­beit mit der extre­men Rech­ten im EU-Par­la­ment. Für ihren Par­tei­kol­le­gen und Frak­ti­ons­chef der EVP Man­fred Weber ist die ECR der Wunsch­part­ner für eine poli­ti­sche Zusam­men­ar­beit. Der Ko-Spit­zen­kan­di­dat der Grü­nen Bas Eick­hout wies dar­auf hin, (…) «dass eine Stimme für die Christ­li­chen Demo­kra­ten und Mitte-rechts-Par­teien das Risiko birgt, die äußere Rechte in Europa zurück an die Macht zu brin­gen.»

Sowohl von der Leyen als auch Weber arbei­ten bereits eng mit der Faschis­tin Gior­gia Meloni, Frak­ti­ons­chefin der ECR, zusam­men, bei­spiels­weise beim Aus­han­deln von Abkom­men zur Flücht­lings­ab­wehr. Das gute Ver­hält­nis zu Meloni ist nicht zuletzt für von der Leyen des­halb wich­tig, da ihre Wie­der­wahl zur Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin womög­lich auch von den Stim­men aus den Rei­hen der extre­men Rech­ten abhän­gen wird, die keine eige­nen Kan­di­da­ten auf­ge­stellt haben.

Die Salon­fä­hig­keit in den EU-Insti­tu­tio­nen ist für Faschis­ten an drei Bedin­gun­gen geknüpft.
Von der Leyen und Weber haben diese als Vor­aus­set­zung für eine Zusam­men­ar­beit auf­ge­stellt: sie müs­sen ers­tens für die EU sein (natür­lich eine an den Pro­fit­in­ter­es­sen aus­ge­rich­tete, mili­tä­risch durch­set­zungs­fä­hige EU), sie müs­sen zwei­tens für Rechts­staat­lich­keit und drit­tens gegen Russ­land und für Hilfs- und Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukraine sein.
Wobei man es mit der Rechts­staat­lich­keit nicht immer so eng sieht. So lös­ten sich die Beden­ken hin­sicht­lich der Rechts­staat­lich­keit und Kor­rup­tion unter der Regie­rung Vic­tor Orban in Luft auf und die aus EU-Töp­fen für Ungarn bestimm­ten 10 Mil­li­ar­den Euro wur­den umge­hend von der Kom­mis­sion aus­ge­zahlt, nach­dem es gelun­gen war, Orban für ein wei­te­res Hilfs­pa­ket an die Ukraine zu gewinnen.

Als Bei­spiele, dass die extreme Rechte längst ihren Platz in den EU-Insti­tu­tio­nen gefun­den hat, führt David Bro­der in einem von der Rosa Luxem­burg-Stif­tung ver­öf­fent­lich­ten Arti­kel neben der Zusam­men­ar­beit zwi­schen Meloni und von der Leyen den ehe­ma­li­gen Fron­tex-Direk­tor Fabrice Leg­geri an, der bei der EU-Wahl für Le Pens Ras­sem­le­ment Natio­nal kan­di­diert: «Leg­geri ist ein Pro­dukt der für Frank­reich typi­schen Eli­ten­re­pro­duk­tion. Als Sohn eines Beam­ten nahm er nach dem Stu­dium an der École nor­male supé­ri­eure und der École natio­nale de l’administration ver­schie­dene Funk­tio­nen im Innen­mi­nis­te­rium ein. Zudem ist er noch nie in ein öffent­li­ches Amt gewählt wor­den. Mit sei­nem drit­ten Lis­ten­platz ist ihm der Ein­zug ins EU-Par­la­ment den­noch gewiss, schließ­lich liegt der RN in Wahl­um­fra­gen bei 30 Pro­zent. Leg­ge­ris Hin­wen­dung zum RN ver­an­schau­licht eine bit­tere Rea­li­tät. Seit Jahr­zehn­ten haben Politiker*innen der eta­blier­ten Par­teien die Wäh­ler­schaft mit der War­nung mobi­li­siert, rechts­extreme Wortführer*innen wie Le Pen wür­den das euro­päi­sche Pro­jekt zer­stö­ren. Nun scheint es jedoch, als sei die angeb­lich auf­zie­hende Gefahr längst in den Kor­ri­do­ren der Macht ange­kom­men und baue die EU von innen um, statt einen viel­fach gefürch­te­ten «Frexit» vor­an­zu­trei­ben.»3
Die unter sei­ner Amts­zeit bei Fron­tex ein­ge­führ­ten ille­ga­len «Push­backs», bei denen Flücht­linge auf hohe See zurück­ge­drängt und dann ihrem Schick­sal, d.h. in der Regel ihrem siche­ren Tod über­las­sen wer­den, gehö­ren im übri­gen auch nach der Ent­las­sung Leg­ge­ris wei­ter­hin zu den Prak­ti­ken von Fron­tex.
Ein wei­te­res Bei­spiel für die Eta­blie­rung der extre­men Rech­ten in den Struk­tu­ren der EU ist die Wahl des Let­ten Robert Zile zu einem der Vize­prä­si­den­ten des Euro­pa­par­la­ments im Januar 2022. Zile gehört der ultra­rech­ten let­ti­schen Par­tei Natio­nale Ver­ei­ni­gung «Alles für Lett­land» an, die in der ECR-Frak­tion orga­ni­siert ist. Seine Wahl war Ergeb­nis der Abspra­chen zwi­schen der EVP und den ECR.

Von der Leyen hat erst jüngst wie­der ihre Offen­heit für eine Zusam­men­ar­beit mit den Euro­pean Con­ser­va­ti­ves und Refor­mist (ECR) nach der EU-Wahl im Juni signa­li­siert. Auch Charles Michel, seit Dezem­ber 2019 Prä­si­dent des Euro­päi­schen Rates, hat sich in die­sem Sinne geäu­ßert.
De facto arbei­ten die Frak­tio­nen der EVP und ECR bereits seit Jah­ren im Rah­men eines gemein­sa­men Dia­lo­ges eng zusam­men. Das zeigt sich auch beim Abstim­mungs­ver­hal­ten und der gemein­sa­men Ableh­nung von Anträ­gen. So ver­hin­derte im April die­ses Jah­res eine Mehr­heit von Christ­de­mo­kra­ten, Natio­nal­kon­ser­va­ti­ven und Libe­ra­len ein Gesetz, das den Ein­satz von Pes­ti­zi­den dras­tisch ver­min­dern sollte. Kurz dar­auf nahm die­selbe Mehr­heit im Eil­ver­fah­ren Umwelt­auf­la­gen für Agrar­be­triebe zurück. Auch bei der Zustim­mung zur Ver­schär­fung des Asyl­rechts vor eini­gen Wochen gab die ECR-Frak­tion den Ausschlag.

Aus den Rei­hen der kon­kur­rie­ren­den Rechts­frak­tion Iden­ti­tät und Demo­kra­tie (ID) gibt es eben­falls Bemü­hun­gen um eine Alli­anz mit den Kon­ser­va­ti­ven. So strebt bei­spiels­weise Matteo Sal­vini, Melo­nis stell­ver­tre­ten­der Minis­ter­prä­si­dent und als Vor­sit­zen­der der Par­tei Lega auch ein füh­ren­der Kopf der ID, die Zusam­men­ar­beit mit den Kon­ser­va­ti­ven und die Bil­dung eines Mitte-Rechts-Blocks in Brüs­sel an.
Auch Marine Le Pen, deren Ras­sem­blem­ent Natio­nal zusam­men mit Sal­vi­nis Lega die ID domi­nie­ren, hat ihre ableh­nende Hal­tung zur EU schon auf­ge­ge­ben. Sie will schließ­lich fran­zö­si­sche Prä­si­den­tin wer­den. Radi­kale For­de­run­gen wie die nach einem EU-Aus­tritt sind dabei nicht för­der­lich. Das dürfte auch der eigent­li­che Grund für den Aus­schluss der AfD-Abge­ord­ne­ten aus der ID-Frak­tion vor eini­gen Tagen gewe­sen sein, für den die ver­harm­lo­sen­den Äuße­run­gen des AfD-Spit­zen­kan­di­da­ten Maxi­mi­lian Krah zur SS den Anlass gab.

Auch in die­sem Jahr fand im April in Buda­pest die CPAC (Con­ser­va­tive Poli­ti­cal Action Conference)-Ungary statt. Die Kon­fe­renz ver­folgt das Ziel, die Rechts­kräfte inter­na­tio­nal zu ver­net­zen und einen brei­ten Rechts­block zu bil­den. In die­sem wie in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ver­sam­mel­ten sich im Rah­men die­ser Kon­fe­renz sowohl Poli­ti­ker kon­ser­va­ti­ver Par­teien als auch sol­che, die wie der bel­gi­sche Vlaams Belang oder der fran­zö­si­sche Ras­sem­blem­ent Natio­nal der extre­men Rech­ten zuge­hö­ren. Außer­dem nah­men neben US-Repu­bli­ka­nern auch Ver­tre­ter der extre­men Rech­ten Latein­ame­ri­kas (Edu­ardo Bol­so­n­aro, Jose Anto­nio Kast) sowie zwei israe­li­sche Likud-Minis­ter (Ami­chai Chi­kli, Gila Gam­liel) daran teil. Vic­tor Orban hielt als Gast­ge­ber die Eröff­nungs­rede vor den rund 800 Gäs­ten. Es gab wei­tere Rede­bei­träge von Polens ehe­ma­li­gen Minis­ter­prä­si­den­ten Mate­usz Mora­wi­ecki, vom frü­he­ren Minis­ter­prä­si­den­ten Slo­we­ni­ens Janez Jansa und von Aus­tra­li­ens Ex-Pre­mier­mi­nis­ter Tony Abbot. Auf­tritte gab es dar­über hin­aus von Geert Wil­ders (Par­tij voor de Vri­jheid, Nie­der­lande), Tom van Grie­ken (Vlaams Belang, Bel­gien), Sant­iago Abas­cal (Vox, Spa­nien) und Andre Ven­tura (Chega, Por­tu­gal). Auch der ehe­ma­lige Ver­fas­sungs­schutz­prä­si­dent Hans-Georg Maa­ßen und der ehe­ma­lige Fron­tex-Chef Fabrice Leg­geri hiel­ten Bei­träge zum Thema «Grenz­schutz».
Der CPAC-Ungary wurde erst­mals 2022 abge­hal­ten und ist ein Able­ger der CPAC in den USA, die seit 1974 die Ver­net­zung der rech­ten Kräfte inner­halb der US-Repu­bli­ka­ner betreibt. Wei­tere Able­ger der CPAC gibt es inzwi­schen auch in Mexiko, Bra­si­lien, Aus­tra­lien, Süd­ko­rea und Israel.4

Die extreme Rechte orga­ni­siert sich, wird immer stär­ker, tritt immer offe­ner auf und ver­netzt sich mit den kon­ser­va­ti­ven bür­ger­li­chen Par­teien. Die soge­nannte poli­ti­sche Mitte rückt immer mehr nach rechts, die Gren­zen zwi­schen radi­ka­len Kon­ser­va­ti­ven und der extre­men Rech­ten ver­schwim­men. Par­al­le­len zu den Vor­gän­gen Anfang der 30er Jahre, die zur Macht­über­tra­gung an die NSDAP führ­ten, drän­gen sich auf. Damals waren vor allem die Kon­ser­va­ti­ven die Steig­bü­gel­hal­ter für die Faschisten.

Die gegen­wär­tige rasante Rechts­ent­wick­lung ist Aus­druck der Krise des Neo­li­be­ra­lis­mus. Die Kri­sen­er­schei­nun­gen sind all­ge­gen­wär­tig. Ange­sichts der sich ver­schär­fen­den sozia­len Pro­bleme und zu erwar­ten­der Unru­hen ten­die­ren die Herr­schen­den zur Anwen­dung auto­ri­tä­rer Maß­nah­men und phy­si­scher Gewalt. Die Herr­schaft des Mono­pol­ka­pi­tals ist zuneh­mend nicht mehr im Rah­men der bür­ger­li­chen Demo­kra­tie zu gewähr­leis­ten. Und auch nicht im Rah­men einer fried­li­chen inter­na­tio­na­len Ord­nung der Koope­ra­tion. Die Bevöl­ke­rung wird auf Krieg ein­ge­stimmt. Sie müsse wie­der «kriegs­tüch­tig» wer­den, for­dert unter Ande­ren der Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­rius. Und die Kriegs­vor­be­rei­tun­gen lau­fen auf Hoch­tou­ren. Hun­derte Mil­li­ar­den Euro wer­den im Rah­men euro­päi­scher und natio­na­ler Auf­rüs­tungs­pro­gramme in die Kas­sen der Rüs­tungs­in­dus­trie und ihrer Anle­ge­rin­nen und Anle­ger gespült.

Die Frie­dens­be­we­gung ist schwach, aber es gibt starke gesell­schaft­li­che Ten­den­zen gegen die Rechts­ent­wick­lung. Ich erin­nere an die Mas­sen­ak­tio­nen von #unteil­bar in Ber­lin und #aus­ge­hetzt in Mün­chen im Jahr 2018, bei denen Hun­dert­tau­sende gegen Ras­sis­mus, aber auch gegen die Ein­schrän­kung von Grund- und Frei­heits­rech­ten und Sozi­al­ab­bau auf die Straße gin­gen. Ein Zitat aus dem Auf­ruf zur Ber­li­ner Demo: «Wir las­sen es nicht zu, dass Sozi­al­staat, Flucht und Migra­tion gegen­sei­tig aus­ge­spielt wer­den. Wir hal­ten dage­gen, wenn Grund- und Frei­heits­rechte wei­ter ein­ge­schränkt wer­den sol­len. Das Ster­ben von Men­schen auf der Flucht nach Europa darf nicht Teil unse­rer Nor­ma­li­tät wer­den.
Europa ist von einer natio­na­lis­ti­schen Stim­mung der Ent­so­li­da­ri­sie­rung und Aus­gren­zung erfasst. Kri­tik an die­sen unmensch­li­chen Ver­hält­nis­sen wird gezielt als rea­li­täts­fremd dif­fa­miert.
Wäh­rend der Staat soge­nannte Sicher­heits­ge­setze ver­schärft, die Über­wa­chung aus­baut und so Stärke mar­kiert, ist das Sozi­al­sys­tem von Schwä­che gekenn­zeich­net: Mil­lio­nen lei­den dar­un­ter, dass viel zu wenig inves­tiert wird, etwa in Pflege, Gesund­heit, Kin­der­be­treu­ung und Bil­dung. Unzäh­lige Men­schen wer­den jähr­lich aus ihren Woh­nun­gen ver­trie­ben. Die Umver­tei­lung von unten nach oben wurde seit der Agenda 2010 mas­siv vor­an­ge­trie­ben. Steu­er­lich begüns­tigte Mil­li­ar­den­ge­winne der Wirt­schaft ste­hen einem der größ­ten Nied­rig­lohn­sek­to­ren Euro­pas und der Ver­ar­mung benach­tei­lig­ter Men­schen gegen­über. (…)
»

Als im Januar ein Geheim­tref­fen ruch­bar wurde, bei dem AfD-Mit­glie­der, Unter­neh­mens­ver­tre­ter, Bur­schen­schaft­ler und mit Ulrich Vos­gerau, Hans-Georg Maa­ßen und Simone Braun auch drei Mit­glie­der der CDU zusam­men mit Mar­tin Sell­ner, füh­ren­der Kopf der rechts­extre­men iden­ti­tä­ren Bewe­gung, Pläne zur Ver­trei­bung von Asyl­be­wer­bern, Aus­län­dern mit Blei­be­recht und «nicht assi­mi­lierte Staats­bür­ger» schmie­de­ten, gin­gen über Wochen bun­des­weit Mil­lio­nen Men­schen auf die Straße. Die Mas­sen­pro­teste gegen die AFD zeu­gen davon, dass der Anti­fa­schis­mus noch sehr stark in der Gesell­schaft ver­an­kert ist. Sie zei­gen auch, dass eine faschis­ti­sche Ent­wick­lung auf gro­ßen Wider­stand sto­ßen würde.
Letzt­lich ist die Rechts­ent­wick­lung natio­nal und in der EU nur mit­tels brei­ter Bünd­nisse und mäch­ti­ger sozia­ler Bewe­gun­gen unter Ein­be­zie­hung der Gewerk­schaf­ten und der Sozi­al­ver­bände zu stoppen.

«Die wei­tere Ent­wick­lung der Euro­päi­schen Union wird davon abhän­gen, inwie­weit es der gewerk­schaft­li­chen und poli­ti­schen Arbei­ter­be­we­gung, der glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­schen Bewe­gung, den demo­kra­ti­schen Kräf­ten gelingt, im gemein­sa­men Han­deln die Beherr­schung der EU-Insti­tu­tio­nen durch das Mono­pol­ka­pi­tal ein­zu­schrän­ken, diese Insti­tu­tio­nen zu demo­kra­ti­sie­ren und selbst Ein­fluss auf deren Ent­schei­dung zu gewin­nen. Der impe­ria­lis­ti­sche Cha­rak­ter der EU-Kon­struk­tion macht jedoch die Erwar­tung illu­so­risch, diese Euro­päi­sche Union könne ohne einen grund­le­gen­den Umbruch in ihren gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen zu einem demo­kra­ti­schen, zivi­len und soli­da­ri­schen Gegen­pol zum US-Impe­ria­lis­mus wer­den. Nur ein Europa, das gegen den Neo­li­be­ra­lis­mus und für den Frie­den in der Welt arbei­tet, würde das inter­na­tio­nale Kräf­te­ver­hält­nis ent­schei­dend ver­än­dern. Dazu muss die Macht der Trans­na­tio­na­len Kon­zerne gebro­chen und müs­sen die Kämpfe auf natio­na­ler und euro­päi­scher Ebene mit­ein­an­der ver­bun­den wer­den.» (DKP-Par­tei­pro­gramm)

Dirk Steh­ling, DKP Köln-Innen­stadt, 27.5.2024


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