Mili­ta­ri­sie­rung und Auf­rüs­tung in Europa

Über die Euro­päi­sche Kriegswirtschaft

Vor etwas mehr als zwei Wochen, am 21. und 22. März, tra­fen sich die Staats- und Regie­rungs­chefs der 27 EU-Län­der in Brüs­sel. Der Prä­si­dent des Euro­päi­schen Rates, Charles Michel, hält seine Anspra­che. Er sagt:

Russ­land stellt eine ernst­hafte mili­tä­ri­sche Bedro­hung für unse­ren euro­päi­schen Kon­ti­nent und die glo­bale Sicher­heit dar. Wenn wir nicht die rich­tige Reak­tion der EU fin­den und der Ukraine nicht genü­gend Unter­stüt­zung leis­ten, um Russ­land zu stop­pen, wer­den wir die Nächs­ten sein. 

Wir müs­sen daher ver­tei­di­gungs­be­reit sein und zu einer Kriegs­wirt­schaft über­ge­hen. Es ist an der Zeit, die Ver­ant­wor­tung für unsere eigene Sicher­heit zu über­neh­men. Wir kön­nen nicht län­ger auf andere zäh­len oder den Wahl­zy­klen in den USA oder anderswo aus­ge­lie­fert sein.“ 

Wir haben auch mili­tä­risch auf­ge­rüs­tet. Die Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tät der euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie ist seit Kriegs­be­ginn um 50 % gestiegen.“ 

Inves­ti­tio­nen in die Ver­tei­di­gung sind teuer, aber ohne sie kön­nen wir unsere Ver­tei­di­gungs­pro­duk­tion nicht erhö­hen. Wir müs­sen Wege eröff­nen, damit die Indus­trie leich­ter Zugang zu öffent­li­chen und pri­va­ten Finanz­mit­teln erhält. Die Aus­gabe euro­päi­scher Ver­tei­di­gungs­an­lei­hen, um Mit­tel für den Kauf von Mate­rial oder Inves­ti­tio­nen in unsere Indus­trie zu beschaf­fen, könnte eben­falls ein wirk­sa­mes Mit­tel zur Stär­kung unse­rer tech­no­lo­gi­schen und indus­tri­el­len Basis sowie Inno­va­ti­ons­ba­sis sein. Wir müs­sen auch in Betracht zie­hen, das Man­dat der Euro­päi­schen Inves­ti­ti­ons­bank aus­zu­wei­ten und die Dar­le­hens­po­li­tik anzu­pas­sen, damit wir mehr zur Unter­stüt­zung unse­rer euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie tun können.“

Krieg und Lei­chen – immer noch Hoff­nung der Reichen“ 

Charles Michel legt mit den letz­ten Sät­zen die Trieb­kräfte der Mili­ta­ri­sie­rung offen: ange­sichts der schon län­ger schwä­ren­den Über­pro­duk­ti­ons­krise suchen ste­tig wach­sende, in der Geschichte bis­lang unge­kannte Men­gen über­schüs­si­gen Geld­ka­pi­tals ren­tier­li­che Anlageobjekte.

Der Rats­prä­si­dent schließt seine Anspra­che mit dem Satz: „Wenn wir Frie­den wol­len, müs­sen wir uns auf Krieg vorbereiten“.

si vis pacem para bellum

Das ken­nen wir. Es han­delt sich um das antike mili­ta­ris­ti­sche Motto: si vis pacem para bel­lum“. Aller­dings herrschte im anti­ken Rom als Aus­beu­tungs­ver­hält­nis die Skla­ve­rei, also eine Pro­duk­ti­ons­weise, die Kriege zu den Pro­duk­tiv­kräften zählte und Hel­dentum begünstigte.

Die Maxime para bel­lum“ gilt als Quint­essenz einer Rede von Cicero. Er begrün­det, warum ein Friede mit Mar­cus Anto­nius schimpf­lich, gefähr­lich und unmög­lich sei:

Nec ego pacem nolo, sed bel­lum pacis nomine invo­lu­tum refor­mido. Quare, si pace frui volu­mus, bel­lum geren­dum est: si bel­lum omit­ti­mus, pace num­quam fruemur.“

Auch ich bin durch­aus für den Frie­den. Aber ich scheue einen unter dem Namen ‹Frie­den› ver­deck­ten Krieg. Wol­len wir uns daher am Frie­den erfreuen, müs­sen wir Krieg füh­ren. Ver­säu­men wir es, ihn zu füh­ren, wer­den wir den Frie­den nie genießen.“

Am Ende eini­gen sich aber die Geg­ner Anto­nius und Octa­vian. Cicero hat kein Jahr mehr zu leben. Anto­nius orga­ni­siert einen Mordanschlag.

Die Kos­ten der Euro­päi­schen Kriegsvorbereitung

Zurück zu den Kos­ten. Da gibt es ein Pro­blem. Der Lis­sa­bon­ver­trag ver­bie­tet die Finan­zie­rung von mili­tä­ri­schen Maß­nah­men durch den Haus­halt der EU. Arti­kel 41 des EU-Ver­trags (EUV) regelt das aus­wär­tige Han­deln all­ge­mein sowie die gemein­same Außen- und Sicher­heits­po­li­tik im beson­de­ren. In Absatz 1 und 2 des Arti­kels 41 geht es um die Kos­ten. Zitat: „Sie wer­den im Falle von ope­ra­ti­ven Maß­nah­men mit mili­tä­ri­schen oder ver­tei­di­gungs­po­li­ti­schen Bezü­gen nicht vom Uni­ons­haus­halt bezahlt.“

Den Ein­wand, damit würde gegen Arti­kel 41(2) EUV ver­sto­ßen, lässt die Kom­mis­sion unter­des­sen nicht mehr gel­ten. Denn es han­dele sich nicht pri­mär um Maß­nah­men der „Gemein­sa­men Außen- und Sicher­heits­po­li­tik“, son­dern vor­ran­gig um For­schungs- bzw. Wettbewerbsförderung.

Dem wie­derum wider­spricht der Bre­mer Jura­pro­fes­sor Andreas Fischer-Lescano in dem „Rechts­gut­ach­ten zur Ille­ga­li­tät des Euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­fonds“, das er im Auf­trag der Links­frak­tion GUE/NGL im Euro­pa­par­la­ment (GUE= Gau­che Unitaire Euro­pé­enne, also Ver­einte Euro­päi­sche Linke, NGL = Nor­di­sche Grüne Linke) erstellt hat.

Fischer-Lescano: Der Haupt­zweck des Euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­fonds (EVF) sei, „die stra­te­gi­sche Auto­no­mie der EU im Bereich der Ver­tei­di­gung zu gewähr­leis­ten“, also eine „Mili­ta­ri­sie­rung der EU auf den Trüm­mern des Rechts“.

Mit dem „Euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­fonds“ (EVF) wird schon an der drit­ten Säule der künf­ti­gen Ver­tei­di­gungs- bzw. Rüs­tungs­union gebas­telt. Bis­lang gibt es CARD (= Koor­di­nierte Jähr­li­che Über­prü­fung der Ver­tei­di­gung) sowie PESCO (= Per­ma­nent Struc­tu­red Coöpe­ra­tion = Stän­dige Struk­tu­rierte Zusam­men­ar­beit), mit der die Gemein­same Sicher­heits- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik (GSVP) orga­ni­siert wird.

Im neu­es­ten AUS­DRUCK der Infor­ma­ti­ons­stelle Mili­ta­ri­sie­rung (Nr. 116 vom März 2024) sind die Refe­rate des IMI-Kon­gres­ses vom 24.–26. Novem­ber 2023 ver­sam­melt. Jür­gen Wag­ner schil­dert in sei­nem Text „Euro­päi­sche Rüs­tungs­fi­nan­zie­rung“, wie Runde um Runde EU-Haus­halts­gel­der – wie schon erwähnt, ver­trags­wid­rig – Rüs­tungs­zwe­cken gewid­met werden.

Der Topf des Euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­fonds für die Jahre 2021 bis 2027 ist mit 8 Mrd Euro gefüllt und jetzt im Februar noch ein­mal um 1,5 Mrd Euro auf­ge­stockt worden.

Für die „Euro­päi­sche Frie­dens­fa­zi­li­tät“ (EFF), die der Finan­zie­rung von EU-Mili­tär­ein­sät­zen und der Auf­rüs­tung befreun­de­ter Akteure dient, lie­gen 5,7 Mrd Euro (zwi­schen 2021 und 2017) haus­halts­extern parat. Die Ein­schrän­kung des Arti­kels 41(2) wurde umgan­gen, indem die­ser Topf mit Gel­dern von Ein­zel­staa­ten befüllt wor­den ist. Seit dem 24. Februar 2022 aber wer­den mit der EFF haupt­säch­lich die Waf­fen­lie­fe­run­gen an die Ukraine finan­ziert. Kos­ten bis Juni 2023: 12 Mrd Euro. Der EU-Außen­be­auf­tragte Bor­rell will bis 2027 wei­tere 20 Mrd Euro über die­sen Fonds mobi­li­sie­ren (FAZ 19. Juli 2023).

Als Indus­trie­po­li­tik dekla­riert wer­den Maß­nah­men wie die Opti­mie­rung, Moder­ni­sie­rung, Ver­bes­se­rung oder Umwid­mung vor­han­de­ner oder die Schaf­fung neuer Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten im Bereich der Muni­ti­ons­pro­duk­tion sowie die Schu­lung von Per­so­nal in Höhe von 1,5 Mrd Euro bis Ende 2025 finan­ziert (Act in Sup­port of Ammu­ni­tion Pro­duc­tion = ASAP). Indus­trie­kom­mis­sar Thierry Bre­ton erklärt dazu: „Um die Ukraine kurz­fris­tig zu unter­stüt­zen, müs­sen wir wei­ter­hin aus unse­ren Bestän­den lie­fern. Aber wenn es um die Ver­tei­di­gung geht, muss unsere Indus­trie jetzt in den Kriegs­wirt­schaftsmo­dus wech­seln.“ (zitiert nach Wag­ner, Euro­päi­sche Rüs­tungs­fi­nan­zie­rung, IMI-AUS­DRUCK Nr. 116, S. 20).

Im Okto­ber 2023 ist ein vier­ter zen­tra­ler Rüs­tungs­topf ein­ge­rich­tet wor­den. Er heißt „Instru­ment zur Stär­kung der Euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie durch gemein­same Beschaf­fung“ (engl. EDIRPA). Auch er wird wie EVF und ASAP hin­ter dem Fei­gen­blatt Indus­trie­po­li­tik versteckt.

Die Beträge für das ASAP-Pro­gramm erschei­nen begrenzt, wes­we­gen Michael Gab­ler (CDU), außen­po­li­ti­scher Spre­cher der EVP-Frak­tion im Euro­pa­par­la­ment, schon ankün­digt: „Ange­sichts einer his­to­ri­schen Krise kann EDIRPA jedoch nur ein Aus­gangs­punkt für eine weit­aus ehr­gei­zi­gere gemein­same Ver­tei­di­gungsagenda sein.“ (PM des EU-Par­la­ments, 12. Sep­tem­ber 2023 – nach Wag­ner, S. 20)

Rüs­tungs­topf Nr. 5

Ein wei­te­rer Topf, der schon im Novem­ber 2023 parat ste­hen sollte, ver­zö­gerte sich. Es han­delt sich um die Euro­päi­sche Stra­te­gie für die Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie (EDIS) und das dazu­ge­hö­rige Pro­gramm (EDIP).

Unter dem Titel „Wie die Kom­mis­sion die EU auf Kriegs­wirt­schaft umstel­len will“ schreibt der SPIE­GEL dazu am 4. März 2024:

Das Paket besteht aus zwei Tei­len, der ‹Euro­pean Defense Indus­try Stra­tegy› (Edis), die Ziele und Gründe der Initia­tive dar­legt, und dem ‹Euro­pean Defense Indus­try Pro­gramme› (Edip), dem eigent­li­chen Geset­zes­vor­schlag. Er ist, vor­sich­tig aus­ge­drückt, ambi­tio­niert. ‹Edip ist das Pro­gramm für den Wech­sel von der Frie­dens­di­vi­dende zur Kriegs­wirt­schaft, sagt ein EU-Beamter. 

Seit dem Beginn des rus­si­schen Über­falls auf die Ukraine hät­ten EU-Län­der 78 Pro­zent ihrer Rüs­tungs­gü­ter außer­halb der EU ein­ge­kauft, 63 Pro­zent allein in den USA, heißt es im EDIS-Ent­wurf. Zwi­schen 2017 und 2023 sei der EU-Ver­tei­di­gungs­markt um 64 Pro­zent gewach­sen, der Han­del zwi­schen EU-Staa­ten mache aber nur küm­mer­li­che 15 Pro­zent die­ses Markts aus. 

Das soll sich nach Vor­stel­lun­gen der Kom­mis­sion radi­kal ändern. Schon 2030 sol­len die EU-Staa­ten dem­nach die Hälfte ihrer Rüs­tungs­gü­ter aus dem EU-Bin­nen­markt bezie­hen, 2035 sol­len es 60 Pro­zent sein.“ 

Scham­los werden die euro­päi­sche Rüs­tungs­in­dus­trie und ihre Anle­ge­rin­nen und Anle­ger mit Mono­pol­pro­fiten gepam­pert. Die Mit­glied­staa­ten sol­len „mehr, bes­ser, gemein­sam und in Europa“ inves­tie­ren und beschaf­fen. Vor­ge­se­hen sind zunächst 1,5 Mrd. Euro an Sub­ven­tio­nen aus dem EU-Haus­halt im Zeit­raum 2025 bis 2027, gewis­ser­ma­ßen als Fort­füh­rung und Erwei­te­rung von EDIRPA und ASAP. Das Son­der­ver­mö­gen EDIP soll Pro­dukte, deren Ent­wick­lung vom Euro­päi­schen Ver­tei­di­gung­fonds finan­ziert wur­den, „an die Indus­trie­reife her­an­füh­ren“.

Indus­trie­kom­mis­sar Thierry Bre­ton: „Das Pro­blem, das wir haben, ist, dass wir jetzt unsere Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten erhö­hen müs­sen, viel­leicht mit einem Para­dig­men­wech­sel in der Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie.“ „Wir müs­sen in der Lage sein, zu inter­ve­nie­ren, um sicher­zu­stel­len, dass wir den Her­stel­lern hel­fen, die Pro­duk­tion zu stei­gern, auch wenn sie die Ver­träge noch nicht haben – wir sind bereit, einen Teil des Risi­kos zu über­neh­men. […] Manch­mal muss man wis­sen, wie man es anstel­len muss, um die Kapa­zi­tä­ten der Indus­trie zu erhö­hen, damit sie immer in der Lage ist, den Bedarf zu decken, indem man das Wirt­schafts­mo­dell der Indus­trie ändert, auch in Bezug auf Ren­ta­bi­li­tät und Risi­ko­be­reit­schaft.“ (Thierry, 11. Januar 2024, https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/interview/thierry-breton-eu-bei-ruestungsproduktion-bereit-risiken-einzugehen/zitiert nach Wag­ner, S. 20)

Pro­duk­ti­ons­fä­hig­kei­ten sol­len erfasst und Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten per­ma­nent vor­ge­hal­ten wer­den. Es geht um Lager­be­stände an War­tungs- und Repa­ra­tur­ma­te­rial, kri­ti­sche Ersatz­teile, Muni­tion, Reser­ven, fle­xi­ble Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten sowie um die Zusam­men­le­gung und gemein­same Nut­zung spe­zi­fi­scher indus­tri­el­ler Kapa­zi­tä­ten. Eng­pässe in der Lie­fer­kette sol­len begrenzt und die Ver­sor­gungs­si­cher­heit gewähr­leis­tet wer­den. Auch an das Kri­te­rium Ver­sor­gungs­si­cher­heit als Vor­aus­set­zung für För­de­rungs­wür­dig­keit durch den Euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­fonds (EVF) wird gedacht, ebenso wie die Mehr­wert­steu­er­be­frei­ung für die gemein­same Beschaf­fung von War­tungs- und Reparaturdienstleistungen.

Im Falle von Lie­fer­eng­päs­sen soll es eine Art Vor­fahrt für die mili­tä­ri­sche vor der zivi­len Nut­zung kri­ti­scher Mate­ria­lien geben (Wag­ner, S. 20 f.).

 Rationierung der Lebensmittel im faschistischen Deutschland. Lebensmittelkarte für die Mark Brandenburg aus dem Jahre 1941.
Ratio­nie­rung der Lebens­mit­tel im faschis­ti­schen Deutsch­land. Lebens­mit­tel­karte für die Mark Bran­den­burg aus dem Jahre 1941 via Wiki­me­dia Com­mons.

Kri­ti­sche Mate­ria­lien aus Ruanda

Womög­lich gilt das schon für die Ergeb­nisse einer Ver­ein­ba­rung über Wert­schöp­fungs­ket­ten für nach­hal­tige Roh­stoffe, die die Europäi­sche Kom­mis­sion und Ruanda im Februar unter­zeich­net haben. Die Pres­se­er­klä­rung der Euro­päi­schen Kom­mis­sion vom 19. Februar 2024 teilt dazu mit: „Das Land spielt eine maß­geb­li­che Rolle bei der welt­wei­ten Tan­tal­ge­win­nung, aber auch für den Abbau von Zinn, Wolf­ram, Gold und Niob und hat Poten­zial für wei­tere Roh­stoffe wie Lithium und Sel­tene Erden. Dar­über hin­aus kann Ruanda auf­grund sei­nes güns­tigen Inves­ti­ti­ons­kli­mas und der Ach­tung der Rechts­staat­lich­keit zu einem Dreh­kreuz für die Wert­schöp­fung im Mine­ral­sek­tor werden.“

Dazu muss man aber wis­sen, dass sich hin­ter den Euphe­mis­men „güns­ti­ges Inves­ti­ti­ons­klima“ und „Ach­tung der Rechts­staat­lich­keit“ ein lang­an­dau­ern­der Krieg der M23-Gruppe versteckt, die von Ruanda finanziert, bewaff­net und aus­ge­bil­det wird. Die M23-Gruppe ope­riert im Osten der Demo­kra­ti­schen Repu­blik Kongo. Ihr geht es um die Aneig­nung der dor­ti­gen Boden­schätze. Im Novem­ber 2021 über­nahm sie die Kon­trolle über weite Teile der Pro­vinz Nord-Kivu an der Grenze zu Ruanda. Im Februar wurde von einer bevor­ste­hen­den Ein­nahme von Goma berich­tet, der Haupt­stadt der kon­go­le­si­schen Pro­vinz Nord-Kivu. Zum Zeit­punkt der Unter­zeich­nung des Abkom­mens durch den ruan­di­schen Außen­mi­nis­ter Biruta und der EU-Kom­mis­sa­rin für inter­na­tio­nale Part­ner­schaf­ten, Jutta Urpi­lai­nen, wurde in Goma demons­triert. Die Demons­tran­ten hat­ten sich in die Flagge ihres Lan­des gehüllt und zer­tram­pel­ten die Flag­gen der USA, der EU, Frank­reichs und Polens, die sie als Kom­pli­zen Ruan­das bezeichneten.

Kar­di­nal Ambongo kri­ti­sierte in sei­ner Sonn­tags­pre­digt am 24. Februar in Kin­shasa die Ver­ein­ba­rung: Aggres­so­ren und mul­ti­na­tio­nale Kon­zerne ver­bün­den sich, um die Kon­trolle über den Reich­tum des Kongo zu erlan­gen“ (siehe: „EU heizt Krieg um Sel­tene Erden für ihre Ener­gie­wende an“ , kommunisten.de, 18. März 2024).

https://www.kommunisten.de/rubriken/europa/9032-blutmineralien-fuer-europas-energiewende

Mehr­wert­steu­er­be­frei­ung

EDIS und EDIP sol­len den Anstieg der Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten für alle Ver­tei­di­gungs­gü­ter in der gesam­ten Union mittels Sub­ven­tio­nen sowie Fremd­ka­pi­tal von den Finanz­märk­ten finanzieren. 

Wei­tere Mit­tel ver­spricht die Kom­mis­sion nach der Revi­sion der För­der­pra­xis der Euro­päi­schen Inves­ti­ti­ons­bank. Der aller­dings sind bis­lang Inves­ti­tio­nen in Muni­tion und Waf­fen ver­bo­ten.

Wagner: „Der eigent­li­che Clou an EDIP ist die vor­ge­se­hene Mehr­wert­steu­er­be­frei­ung, da es bei der direk­ten Bezu­schus­sung zunächst ein­mal um rela­tiv über­schau­bare Beträge geht – die Rede ist von 1,5 Mrd. bis maxi­mal 3 Mrd. Euro in den nächs­ten zwei bis drei Jah­ren. Doch die Erfah­rung lehrt, dass es dabei nicht blei­ben wird.“ (Wag­ner, S.21)

Die Motive

Drei Motive zur Stei­ge­rung euro­päi­scher Rüs­tungs­pro­duk­tion, ins­ge­samt des Drangs der EU Rich­tung Kriegs­wirt­schaft, las­sen sich zusam­men­fas­sen:

a) aus der rus­si­schen Bedro­hung folge die Not­wen­dig­keit der Ver­tei­di­gung der demo­kra­ti­schen Welt, nament­lich der Ukraine und Europas.

b) die man­gelnde Zuver­läs­sig­keit der USA, die Mög­lich­keit, dass Trump wie­der US-Prä­si­dent werde („Wir wol­len nicht mehr den Wahl­zy­klen in den USA oder anderswo aus­ge­lie­fert sein“).

c) die Erleich­te­rung des Zugangs anla­ge­su­chen­den Kapi­tals zu Rüs­tungs­pro­fi­ten (auch wenn es Charles Michel die Kau­sal­kette umkehrt: die Indus­trie benö­tige leich­te­ren Zugang zu öffent­li­chen und pri­va­ten Finanzmitteln).

Auf­fäl­lig ist der Ver­zicht auf Poli­tik und Diplo­ma­tie, die Blind­heit für die Not­wen­dig­keit und Mach­bar­keit eines fried­li­chen Aus­gleichs der Inter­es­sen. Offen­kun­dig bevor­zugt die EU-Kom­mis­sion ange­sichts dro­hen­der Zusam­men­brü­che im Finanz­we­sen eine Lösung der lange schwä­ren­den Über­pro­duk­ti­ons­krise mit­tels Auf­rüs­tung und Kriegs­wirt­schaft. Zur Recht­fer­ti­gung der Kriegs­kre­dite dient die rus­si­sche Bedro­hungs­ku­lisse. Aber es dürfte auch jede andere sein.

Ein neues Subventionsprogramm..

In Brüs­sel glaubt man, dass der rich­tige Zeit­punkt für umfas­sende Rüs­tungs­in­ves­ti­tio­nen gekom­men ist. Der Indus­trie­kom­mis­sar Thierry Bre­ton plau­derte am 9. Januar im Zusam­men­hang mir der geplan­ten Vor­stel­lung von EDIS und EDIP über ein neues Sub­ven­ti­ons­pro­gramm mit dem schö­nen Namen Euro­pean Invest­ment Defence Pro­gram (EIDP): „Um sicher­zu­stel­len, dass die gesamte Indus­trie mehr und mehr zusam­men­ar­bei­tet, brau­chen wir Anreize […]. Ich glaube, dass wir einen rie­si­gen Ver­tei­di­gungs­fonds brau­chen, um zu hel­fen, ja sogar zu beschleu­ni­gen. Wahr­schein­lich in der Grö­ßen­ord­nung von 100 Mil­li­ar­den Euro […]. Neh­men wir an, Sie arbei­ten zusam­men, so wie wir es beim Euro­päi­schen Ver­tei­di­gungs­fonds (EVF) getan haben – vier Län­der, ver­schie­dene Unter­neh­men, ein­schließ­lich klei­ner und mitt­le­rer Unter­neh­men –, dann kön­nen wir Ihnen hel­fen, das, was Sie tun wer­den, im Vor­aus zu unterstützen.“ 

..spä­te­tens Anfang 2025

Zunächst will er Ende Februar ein neues Sub­ven­ti­ons­pro­gramm, das Euro­pean Invest­ment Defence Pro­gram (EIDP), vor­schla­gen. In der kom­men­den Legis­la­tur­pe­ri­ode nach der Euro­pa­wahl im Juni solle die neue Kom­mis­sion dann grö­ßer den­ken und den 100-Mil­li­ar­den-Fonds ange­hen. […] Der 100-Mil­li­ar­den-Fonds sei keine Ent­schei­dung für die nächs­ten drei Monate, aber sie müsse ‚früh­zei­tig‘ in der nächs­ten Legis­la­tur­pe­ri­ode fal­len. Das Geld solle dann für fünf Jahre rei­chen. Ver­tei­di­gung wird ein gro­ßes Thema für die nächste Kommission‘.“ 

(Han­dels­blatt, 27. Novem­ber 2023, zitiert nach Wag­ner S. 22)

Für der­art weit­grei­fende Päne gibt es noch keine Beschluss­lage, zumal sich die EU-Staa­ten nicht ohne wei­te­res in ihre Rüs­tungs­wirt­schaft hin­ein­re­gie­ren las­sen wer­den. Jür­gen Wag­ner erkennt aber schon einen geschlos­se­nen Rüs­tungs­kreis­lauf. Er fängt bei For­schung und Ent­wick­lung (EVF) an, dann folgt die Pro­duk­tion (ASAP/EDIS), die Beschaf­fung (EDIRPA/EDIP) bis hin zum Export (EFF).

Kano­nen und But­ter, das ist Schlaraffenland

Der Vize­prä­si­dent der Euro­päi­schen Kom­mis­sion, Val­dis Dom­brovskis, und EU-Wirt­schafts­kom­mis­sar Paolo Gen­ti­loni wer­ben für die Finan­zie­rung der Rüs­tungs­in­dus­trie durch Euro­bonds (Fred Schmid, ISW, 3. März 2024: „Kano­nen und But­ter, das ist Schla­raf­fen­land“). Zur Finan­zie­rung des Auf­rüs­tungs­plans sol­len die EU-Län­der gemein­sam Schul­den in Höhe von 100 Mil­li­ar­den Euro „pro Jahr“ auf dem Finanz­markt auf­neh­men. Ifo-Chef Cle­mens Fuest ver­weist bei der Talk-Runde bei May­brit Ill­ner am 22. Februar auf Erfah­run­gen, bedient sich aber auch anrü­chi­ger Meta­phern aus der Nazi-Ver­gan­gen­heit: „Wenn man mehr für das Mili­tär aus­ge­ben musste, dann blieb eben weni­ger für andere Dinge.» „Kano­nen ohne But­ter», for­dert er wört­lich. Und: „Kano­nen und But­ter, das ist Schla­raf­fen­land“. „Die Ver­schul­dung kann das nicht ver­hin­dern».

John Heart­fields Mon­tage in der AIZ vom 19. Dezem­ber 1935 hieß «Hur­rah, die But­ter ist alle!» Zuvor war die But­ter ratio­niert wor­den. Göring begrün­dete: „Erz hat stets ein Reich stark gemacht, But­ter und Schmalz haben höchs­tens ein Volk fett gemacht“. 

Heart­fields sati­ri­sche Foto­mon­tage zeigt vor einer Tapete mit Haken­kreu­zen eine Fami­lie, die an Metall­ge­gen­stän­den, einem Fahr­rad­len­ker, einer Eisen­kette oder einer Schau­fel kaut. Der Säug­ling wird mit einem volu­mi­nö­sen Beil versorgt.

Der Krieg schwächt die Marktwirtschaft“

Unter­des­sen war­nen bour­geoise Stim­men zag­haft vor einem Kriegs­mo­dus der Wirt­schaft. Ange­sichts des hohen Finanz­be­darfs zur Rüs­tungs­fi­nan­zie­rung mel­det sich der Euro-Kri­sen­fonds. ESM-Chef Pierre Gra­mega bestä­tigt, ihn hät­ten „Anfra­gen“ erreicht, ob der Fonds zur Finan­zie­rung von Waf­fen­käu­fen ein­ge­setzt wer­den könne. Die FAZ vom 5. April zitiert zwei ESM-Öko­no­men, die ein­schät­zen: „Neue gemein­same Schul­den könnten Län­der zuneh­mend unter über­mä­ßi­gen Druck set­zen, deren finan­zi­el­ler Spiel­raum ohne­hin schon begrenzt sei“.

Der vor­ma­lige Vize­prä­si­dent des Kiel Insti­tuts für Welt­wirt­schaft (IfW), Rolf Lang­ham­mer, („Der Krieg schwächt die Markt­wirt­schaft“, FAZ, 5. April 2024): Die Wei­te­run­gen des Weges in eine Kriegs­wirt­schaft seien his­to­risch belegt. Er warnt vor höhe­ren Schul­den, mehr For­de­run­gen nach Umver­tei­lung der Kriegs­wirt­schafts­las­ten auf die Bezie­her höhe­rer Ein­kom­men, höhe­rer Infla­tion bei Voll­aus­las­tung von Kapa­zi­tä­ten, einer stär­kere Ver­la­ge­rung von poli­ti­schen Ent­schei­dungs­pro­zes­sen auf die zen­tral­staat­li­che Ebene und mehr staat­li­chem Ein­fluss auf Inves­ti­ti­tons­ent­schei­dun­gen der Pri­vat­wirt­schaft. Roh­stahl werde vor­ran­gig von der Rüs­tungs­in­dus­trie bean­sprucht wer­den. Lang­ham­mer befürch­tet Import­sub­sti­tu­tion und ihre Kos­ten sowie die Kon­trolle von Aus­lands­in­ves­ti­tio­nen. Der glo­bale Tech­no­lo­gie­trans­fer würde Scha­den nehmen.

Klaus, im KV 9. April 2024

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