Hanns Kra­lik – Mensch – wie stolz das klingt

Hanns Kra­lik (1900 – 1971) im Schloss Moers bis 24. März 2024

Hanns Kra­lik – Mensch – wie stolz das klingt

Im Schloss Moers wer­den bis zum 24. März 2024 Arbei­ten von Hanns Kra­lik (1900 – 1971) gezeigt und sein beweg­tes Leben doku­men­tiert. Groß­neffe Ralf Zim­mer­mann sagt, es hätte für drei Leben gereicht.
Hanns Kra­lik ist in Moers auf­ge­wach­sen, wurde Mit­glied der KPD, arbei­tete als Berg­mann und Künst­ler. In Frank­reich war er zusam­men mit sei­ner Frau Lya in der Résis­tance aktiv. Im Juli 1945 kamen sie zurück nach Düs­sel­dorf. Hier war­tete die neue Auf­gabe: Hanns Kra­lik wurde zum Kul­tur­de­zer­nen­ten beru­fen. Außer Trüm­mer­ber­gen war sei­ner­zeit viel geis­ti­ger Schutt weg­zu­räu­men.
Der Titel der Son­der­aus­stel­lung ist der Gra­fik ent­lie­hen, die den gefol­ter­ten Hugo Paul zeigt.

Kra­lik: «Schon in frü­hes­ter Kind­heit macht mir Zeich­nen, mich bild­lich aus­zu­drü­cken, viel Freude, es war mein Spie­len. Jede freie Stunde ver­bracht ich damit. Mit dem Zei­chen­ma­te­rial haperte es aller­dings meis­tens. Aus die­sem Dilemma fand der Vater eine groß­zü­gige Lösung. In unse­rer Wohn­kü­che wur­den die Wände mit einem 1,50 m hohen Ölso­ckel gestri­chen, natür­lich in dunk­ler Farbe. Kreide lie­ferte die Grube. So wurde die ganze Küche meine große Zei­chen­ta­fel. Von vorne bis hin­ten voll­ge­krit­zelt, wie­der abge­wa­schen, immer von neuem das glei­che Spiel.»

Hanns Kra­lik wurde als zwei­tes von acht Kin­dern eines Berg­manns im öster­rei­chi­schen Bur­gen­land gebo­ren. Seine Geburts­ur­kunde ist auf unga­risch ver­fasst. Aber hier im Grenz­ge­biet ging die Braun­kohle bald zur Neige. So kam die Fami­lie nach Moers. Die Zeche Rhein­preu­ßen bot Arbeit. Die Ver­hält­nisse indes blie­ben von Armut geprägt. Drei große Streiks hat Hanns als Kind erlebt.
Schon mit 15 Jah­ren arbei­tete er unter Tage. Aber ab 1920 konnte er die Kunst­ge­wer­be­schule in Kre­feld besu­chen. Im Anschluss stu­dierte er an der Kunst­aka­de­mie in Düs­sel­dorf das Fach Wer­be­we­sen bei Ernst Auf­see­ser und wurde 1926 Meisterschüler.

Blick vom Hungerturm

Winterlicher Blick auf «Das alte Düsseldorf» (1957)
Win­ter­li­cher Blick auf «Das alte Düs­sel­dorf» (1957)

Die Ate­liers der Meis­ter­schü­ler befan­den sich nahe der Aka­de­mie. Das hohe Haus wurde Hun­ger­turm genannt. Eine schöne Aqua­tinta zeigt einen win­ter­li­chen Blick auf «Das alte Düs­sel­dorf» (1957). Unten die Braue­rei («zum Füchs­chen»). Rechts schließt die Rit­ter­straße an. Sie mün­det außer­halb des Blick­felds in einem klei­nen Platz, der mitt­ler­weile nach Hila­rius Gil­ges benannt wor­den ist. Noch wei­ter rechts ist Aka­de­mie zu den­ken.
Hila­rius Gil­ges ist am 20. Juni 1933 am Rhein­ufer unter der Ober­kas­se­ler Brü­cke auf­ge­fun­den wor­den. Ermor­det. Die Lei­che bes­tia­lisch zuge­rich­tet. Der Sohn eines far­bi­gen Rhein­schif­fers gehörte zur Gruppe Nord-West-Ran. Das war ein Stra­ßen­thea­ter, gelei­tet von Wolf­gang Lang­hoff, damals schon ein bekann­ter Schau­spie­ler. Kra­lik hat ihn gleich nach 1945 als Inten­dan­ten wie­der nach Düs­sel­dorf geholt. Gus­tav Gründ­gens kam erst, nach­dem sein Vor­gän­ger zum Deut­schen Thea­ter in Berlin/DDR abge­wor­ben wor­den war. (In Düs­sel­dorf gilt diese Mit­tei­lung heute noch als poli­ti­sche Indis­kre­tion und takt­los.)
Auf der Ratin­ger Straße, links vom Betrach­ter aus gese­hen, führte Mut­ter Ey in der Num­mer 45 ihre kleine Kaf­fee­stube, die sich im Laufe der zwan­zi­ger Jahre zu einer moder­nen Gale­rie gewan­delt hatte. 1933 war damit Schluss. Nach dem Krieg hol­ten Bür­ger­meis­ter Peter Water­kortte (KPD) und der Kul­tur­de­zer­nent Hanns Kra­lik Mut­ter Ey aus Ham­burg zurück. Aber sie starb bald.

Der Ter­ror
Nach der Macht­über­tra­gung an Hit­ler am 30. Januar 1933 über­stür­zen sich die Ereig­nisse. Der insze­nierte Reichs­tags­brand löst eine Ver­haf­tungs­welle gegen Kom­mu­nis­ten und andere Linke aus. Der Ter­ror greift in Düs­sel­dorf um sich. Hanns Kra­lik wech­selt stän­dig die Woh­nung. Im Mai begeht die NSdAP den Jah­res­tag der Hin­rich­tung von Schla­ge­ter mit einer reichs­wei­ten Mas­sen­ver­an­stal­tung auf der Golz­hei­mer Heide. Die Genos­sen der KPD aber kön­nen noch vor deren Ende eine Bro­schüre ver­tei­len, Titel «Das Kreuz in der Heide», Auf­lage 20.000. Auch «Die Wahr­heit über die Raz­zia in Ger­res­heim» wird ver­brei­tet, bis Ver­haf­tun­gen dem ille­ga­len Appa­rat ein Ende machen. Hugo Paul ent­wischt mit Mühe. Auch Hanns und Lya Kra­lik kön­nen sich ver­ber­gen. Aller­dings fliegt auch der nächste Coup auf. Die Genos­sen kom­men in die Kel­ler­zel­len des Poli­zei­prä­si­di­ums. Die Fol­ter­pra­xis der Nazis in die­sen Tagen in Düs­sel­dorf hat Karl Schwe­sig mit sehr ein­drucks­vol­len Gra­fi­ken doku­men­tiert. Sie gehö­ren zum Bestand des Düs­sel­dor­fer Stadt­mu­se­ums. Hanns Kra­lik konnte wäh­rend eines Hof­gangs Hugo Paul sehen. Er war kaum wie­der­zu­er­ken­nen, so zer­schun­den, den­noch in fes­ter Hal­tung: «Mensch – wie stolz das klingt. (Trotz alle­dem)»

KZ Bör­ger­moor

Situationsplan des Lagers Börgermoor
Situa­ti­ons­plan des Lagers Börgermoor

Im Juli wird Hanns Kra­lik mit vie­len ande­ren Düs­sel­dor­fer Genos­sen ins KZ Bör­ger­moor gebracht.
Die Häft­linge arbei­te­ten hart unter unwür­di­gen Bedin­gun­gen. Aber es gelingt ihnen, eine Ver­an­stal­tung auf die Beine zu stel­len. Das Ereig­nis fin­det am 27. August 1933 statt und heißt Zir­kus Kon­zen­trazani. Neben ande­rem wird gesun­gen, das Lied «Die Moor­sol­da­ten» lange und sorg­fäl­tig ein­stu­diert. Der Text stammt von Johann Esser und Wolf­gang Lang­hoff, die Ton­folge von Rudi Goguel. Johann Esser ist eben­falls ein Moer­ser Junge. Der kürz­lich ver­stor­bene Bern­hard Schmidt sowie Ulrich Hecker haben im August 2023 das Buch «Moor­sol­da­ten. Wider­stand und Ver­fol­gung von Arbei­tern im Alt­kreis Moers» her­aus­ge­ge­ben. Da kommt er vor. Fietje Aus­län­der ana­ly­siert aus­führ­lich die welt­weite Ver­brei­tung des Liedes.

Hanns Kralik stellt die Arbeits- und Lebensbedingungen KZ Börgermoor dar.
Hanns Kra­lik stellt die Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen KZ Bör­ger­moor dar.

Lya Kra­lik erin­nert sich: «Im Gefäng­nis hat­ten wir gehört, dass Düs­sel­dor­fer Frauen ihre inhaf­tier­ten Män­ner im KZ Bör­ger­moor bei Papen­burg in Ost­fries­land besu­chen woll­ten. Einen Tag vor­her wurde ich vor­über­ge­hend aus der Haft ent­las­sen. Am nächs­ten Tag fuhr ich mit 30 Frauen ins Moor; denn mein Mann war auch dort. Nach 10-stün­di­ger Fahrt kamen wir in diese trost­lose Gegend, kein Baum, kein Strauch, nur weite Hei­de­flä­che, die Gefan­ge­nen muss­ten hier Torf ste­chen. Nur bis 100 Meter durf­ten wir uns dem Sta­chel­draht umzäun­ten Lager nähern. Ein SS-Mann kam her­aus, um uns zu sagen, der Kom­man­dant sei abwe­send, wir dürf­ten unsere Män­ner nicht sehen. Uns über­fiel eine scheuß­li­che Trau­rig­keit, wir lie­ßen nicht locker, saßen im Chaus­see­gra­ben, und immer wie­der gin­gen wir zu zweien an den Sta­chel­draht. Unsere Zähig­keit hatte Erfolg, nach 4 Stun­den kam ein SS-Mann, um sich die Namen der Män­ner, die wir besu­chen woll­ten, auf­zu­schrei­ben. Unsere Män­ner waren in alte Schupo-Uni­for­men geklei­det mit Krätz­chen auf dem Kopf. 10 Minu­ten Sprech­zeit wurde uns bewil­ligt. Jeder unse­rer Män­ner hatte kleine selbst­ge­bas­telte Geschenke mit­ge­bracht. Hanns brachte mir zwei aus Bast gefer­tigte Scha­len mit, mit bun­tem Bast war die Tor­f­ar­beit und seine Gefan­ge­nen­num­mer ein­ge­ar­bei­tet. Er flüs­terte mir zu, wenn du das Ende zurück­wi­ckelst fin­dest du ein Papier, dar­auf ist das in Bör­ger­moor ent­stan­dene Moor­sol­da­ten­lied auf­ge­zeich­net.»
Wolf­gang Lang­hoff kann 1935 in der Schweiz sein Buch «Die Moor­sol­da­ten» ver­öf­fent­li­chen. Es ent­hält zwei Illus­tra­tio­nen von Hanns Kra­lik.
«Der Rote Groß­va­ter erzählt» – in dem Fall sind es zwei, näm­lich Karl Schab­rod und Wolf­gang Lang­hoff, die 1974 in der Reihe Lite­ra­tur der Arbeits­welt einem Mas­sen­pu­bli­kum die Geschichte der Moor­sol­da­ten und ihres Lie­des mit­tei­len.
1934 wer­den viele der Düs­sel­dor­fer Genos­sen aus dem KZ Bör­ger­moor ent­las­sen. Bei Hanns Kra­lik ist es offen­bar ein Ver­se­hen. Denn auf ihn war­tet Poli­zei in sei­ner Woh­nung. Das wie­derum wird bemerkt, Freunde warnen.

Exil und Wider­stand
Das Paar flieht auf aben­teu­er­li­chen Wegen nach Hol­land. Die Lega­li­sie­rung der Exis­tenz miss­lingt. Aber sie kön­nen nach Frank­reich aus­rei­sen. Neben der Arbeit in den Emi­gran­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen dort ver­bucht Kra­lik einige künst­le­ri­sche Erfolge. Aus­stel­lun­gen in Frank­reich, aber auch in Lon­don, wei­tere Arbei­ten in Chi­cago.
Mit Beginn des Krie­ges wer­den die Deut­schen inter­niert – gleich, ob Nazis oder poli­ti­sche Flücht­linge. Es folgt für Hanns Kra­lik eine Odys­see durch ver­schie­dene Inter­nie­rungs­la­ger. Jetzt erst naht die Front, nach­dem einige Monate Ruhe, der «Droôle de Guerre», geherrscht hat. Es geht nun in den Süden Frank­reichs. Er lan­det schließ­lich in Lyon in der ille­ga­len Arbeit der Tra­vail Alle­mand der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei. Eine sei­ner Auf­ga­ben ist die Fäl­schung von Ausweisen.

Die Fälschung von Ausweisen gehörte mit zu den Aufgaben Hanns Kraliks
Die Fäl­schung von Aus­wei­sen gehörte mit zu den Auf­ga­ben Hanns Kraliks

Henny Drei­fuß berich­tet spä­ter, dass auch der ihre von Hanns gefer­tigt war. Auch der­ar­tige Expo­nate sehen wir in Moers.
Vor allem stellt Hanns Kra­lik in Lyon Pro­pa­gan­da­ma­te­rial her. Hanns und Lya Kra­lik leben ab 1942 als elsäs­si­sche Fran­zo­sen unter den Namen Yvonne Colette Mar­tin und Jean Mar­tin im nörd­li­chen Arbei­ter­vor­ort Vil­leur­banne von Lyon. «In einer gro­ßen Miets­ka­serne auf zwei pri­mi­ti­ven Dach­zim­mern (im 5. Ober­ge­schoss), aber mit einem guten Radio­ap­pa­rat mit Kopf­hö­rern, Schreib­ma­schine und Abzieh­ap­pa­rat taten wir unser mög­lichs­tes, auf­klä­rend unter den Wehr­machts­an­ge­hö­ri­gen zu wir­ken. Wir schrie­ben Wachs­bo­gen, illus­trier­ten sie und zogen sie z.T. auch sel­ber ab» (Lya). Streu­zet­tel auf Ziga­ret­ten­pa­pier, geeig­net, sie über Mau­ern zu wer­fen, aber auch bei Gefahr leicht zu ver­schlu­cken: sie sind eben­falls in Moers zu sehen, sogar ins Rie­sige ver­grö­ßert. Es scha­det nicht.

Streuzettel auf Zigarettenpapier
Streu­zet­tel auf Zigarettenpapier

Rück­kehr nach Düs­sel­dorf
1944 kehrt Kra­lik nach Paris zurück und muss erken­nen, dass seine Woh­nung von der Gestapo leer geräumt wor­den ist. Das zweite Mal sind alle seine künst­le­ri­schen Arbei­ten ver­lo­ren. Bevor die bei­den zurück­rei­sen, besu­chen sie das Grab von Hein­rich Heine auf dem Fried­hof Mont­martre. «Acht­los auf dem Boden lag noch eine War­nungs­ta­fel aus der deut­schen Besat­zungs­zeit, dar­auf war zu lesen: ‹Es ist strengs­tens ver­bo­ten zu foto­gra­fie­ren, zu zeich­nen, Blu­men zu legen…usw›.
Diese Dro­hung hatte nicht ver­mocht, dass sich viele Tau­sende in Ehr­furcht vor dem gro­ßen Welt­bür­ger ver­neigt haben. Der Grab­stein selbst ist der beste Zeuge dafür. Er gleicht einer Hie­ro­gly­phen­ta­fel, in der Men­schen aus allen Tei­len der Welt ihre Initia­len ein­rit­zen. auch die Grab­um­ran­dung zeigt ver­wit­terte Schrift­zei­chen. Wir ver­su­chen sie zu ent­zif­fern; wäh­rend das ernste Gesicht der Büste unse­rem Bemü­hen von oben zu fol­gen schien. Eine ein­fa­che ältere Frau musste uns bereits seit län­ge­rem beob­ach­tet haben. Sie spricht uns an. Mit Freude halte sie Hei­nes Grab in Ord­nung und sie könne viele Epi­so­den erzäh­len, die sie hier erlebt habe. Wäh­rend der Besat­zungs­zeit habe sie oft beob­ach­tet, wie heim­li­che Besu­cher, deut­sche Sol­da­ten und Offi­ziere, eilig einen Blu­men­strauß auf das Grab leg­ten, um so ihre stille Ver­eh­rung für ihren gro­ßen Lands­mann zum Aus­druck zu brin­gen.» (Lya)
In dem Juni­ta­gen schla­gen sich die Kra­liks auf beschwer­li­chen Wegen über Luxem­burg wie­der nach Düs­sel­dorf durch. Das Haus in der Ven­loer Straße 2 liegt in Trüm­mern.
Die Bilanz des Krie­ges zieht Kra­lik spä­ter in sei­nem Ver­wal­tungs­be­richt «Fünf Jahre Kul­tur­auf­bau» vom April 1950. 243 Luft­an­griffe mit über einer Mil­lion Bom­ben und 27.000 Brän­den haben den Tod von 10.000 Men­schen ver­ur­sacht und 10 Mil­lio­nen Kubik­me­ter Schutt hin­ter­las­sen.
Die Not drängt. Es geht darum, gemein­sam die drin­gends­ten Bedürf­nisse der Bevöl­ke­rung zu erfül­len, die Trüm­mer zu besei­ti­gen, es geht um Beschaf­fung von Lebens­mit­teln und Woh­nun­gen, um den Wiederaufbau.

Der Kul­tur­de­zer­nent
Die bri­ti­sche Mili­tär­re­gie­rung nimmt schon im Herbst 1945 ein all­ge­mei­nes Revi­re­ment unter den von den Ame­ri­ka­nern ein­ge­setz­ten, vor­wie­gend kon­ser­va­ti­ven lei­ten­den Beam­ten in Nord­rhein vor. Die neue Stadt­ver­tre­tung weist zwölf Stadt­ver­ord­nete der CDU auf, sie­ben, die der SPD ange­hö­ren, sowie sechs Reprä­sen­tan­ten der KPD. Sie beruft zu Bei­geord­ne­ten neben dem Kom­mu­nis­ten Kra­lik noch die Sozi­al­de­mo­kra­ten Rai­ner Rausch, August Hoff­mann und von den Boo­gaard, sowie im Dezem­ber den Diplom-Inge­nieur Klaus Maase von der KPD.
Kra­lik tritt sein Amt am 1. Okto­ber 1945 an.

Lya Kralik auf einer Friedensdemonstration gegen die Atomgefahr (Juli 1955).
Lya Kra­lik auf einer Frie­dens­de­mons­tra­tion gegen die Atom­ge­fahr (Juli 1955).

Lya und er woh­nen Rat­haus­ufer 14. Für künst­le­ri­sche Tätig­keit wird er in den nächs­ten fünf Jah­ren kaum Zeit haben.
Schon die erste Sit­zung des Kul­tur­aus­schus­ses am 18. Okto­ber 1945 lässt seine zupa­ckende Art erken­nen. Punkt 17 der Tages­ord­nung: Rück­kehr der 83jährigen Frau Ey.

Aber nach der Kom­mu­nal­wahl am 13. Okto­ber 1946 wer­den die poli­ti­schen Ver­hält­nisse in Düs­sel­dorf neu sor­tiert. Durch das neue Wahl­recht, das sich nach bri­ti­schem Vor­bild am Prin­zip der Mehr­heits­wahl ori­en­tiert, wird die CDU begüns­tigt. Sie ver­fügt künf­tig in der Stadt­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung über 40 Sitze, die SPD 8, die KPD zwei.
Kein Wun­der, dass die CDU die Zusam­men­set­zung der Stadt­ver­wal­tung als dis­pro­por­tio­niert emp­fin­det. Immer­hin ver­wal­ten die Kom­mu­nis­ten zwei der elf städ­ti­schen Dezer­nate. Das will die CDU ändern. Laut Ober­stadt­di­rek­tor Dr. Walt­her Hen­sel (CDU) ist sich nun die Stadt­spitze einig, dass das Kul­tur­le­ben in Düs­sel­dorf unbe­frie­di­gend sei. Die CDU-Mehr­heit schei­tert indes­sen.
Ein Arti­kel aus der «Frei­heit» vom 24. Januar 1947, der die 18 Monate kul­tu­rel­len Auf­baus resü­miert und Kra­lik ver­tei­digt, trifft offen­bar die öffent­li­che Wahr­neh­mung sei­ner Leis­tun­gen genauer. Ganz im Sinne des KPD-Auf­rufs vom 11. Juni 1945 soll einem huma­nis­ti­schen Bil­dungs­ka­non Gel­tung ver­schafft wer­den. Die Kul­tur­po­li­tik ist weit gefasst. So weit, dass Karl Schwe­sig sei­nem Künst­ler­kol­le­gen und Genos­sen Hanns Kra­lik Oppor­tu­nis­mus vor­wirft, weil er mit Künst­lern zusam­men­ar­beite, die auch unter Hit­ler ausstellten.

Aller­dings ändert sich die Stim­mung im Laufe der nächs­ten vier Jahre bis zur Kon­sti­tu­ie­rung des Bun­des­tags und der Wahl Ade­nau­ers zum ers­ten Bun­des­kanz­ler. Die anti­fa­schis­ti­sche Grund­hal­tung nach der Befrei­ung wan­delt sich peu à peu zum anit­kom­mu­nis­ti­schen Kon­sens.
Er bewirkt das Schei­tern aller Kra­lik­schen Initia­ven, Heine zu sei­nem 150. Gebruts­tag zu ehren. Der Kul­tur­de­zer­nent plant, das Café im Hof­gar­ten wie­der­her­zu­stel­len und das Heine-Archiv dort unter­zu­brin­gen. Es soll sogar ein Hein­rich-Heine-Museum ent­ste­hen mit Heine-Gar­ten. Im Jahre 1947 ist das Café auf dem Ana­nas­berg noch ver­pach­tet. Der Betrieb scheint sich aber nicht mehr recht zu loh­nen. Der Päch­ter ist bereit, den Stand­ort auf­zu­ge­ben, sobald ihm die Stadt eine gleich­wer­tige Gast­stätte über­lässt. Die städ­ti­sche Lie­gen­schafts­ver­wal­tung sieht da aber keine Mög­lich­keit. Ebenso wie die Gesprä­che mit dem Direk­tor der Lie­gen­schaf­ten ein Jahr zuvor fol­gen­los blei­ben.
Immer­hin wird im Sep­tem­ber eine Heine-Gedenk­ta­fel an sei­nem Geburts­haus ange­bracht. Zudem wür­digt die Stadt Hei­nes Geburts­tag am 13. Dezem­ber mit Erin­ne­rungs­fei­ern sowie der Benen­nung des Heinrich-Heine-Platzes.

Der Ade­nau­er­erlass

«Hiermit kündige ich Ihnen Ihr Dienstverhältnis … » Die Düsseldorfer Stadtverwaltung setzt den Adenauer Erlass («Unvereinbarkeit der KPD-Mitgliedschaft mit Dienstpflichten im öffentlichen Dienst») um.
«Hier­mit kün­dige ich Ihnen Ihr Dienst­ver­hält­nis … » Die Düs­sel­dor­fer Stadt­ver­wal­tung setzt den Ade­nauer Erlass («Unver­ein­bar­keit der KPD-Mit­glied­schaft mit Dienst­pflich­ten im öffent­li­chen Dienst») um.

Am 19. Sep­tem­ber 1950 stellt die Ade­nau­er­re­gie­rung die Unver­ein­bar­keit der KPD-Mit­glied­schaft mit Dienst­pflich­ten im öffent­li­chen Dienst fest. Schon eine Wocher spä­ter ver­setzt die Stadt­ver­wal­tung die Bei­geord­ne­ten Hanns Kra­lik und Klaus Maase zum «nächst­zu­läs­si­gen» Ter­min in den Ruhe­stand. Hanns Kra­lik legt Wider­spruch ein. Das Rechts­amt klärt Ober­stadt­di­rek­tor Hen­sel über die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit einer sol­chen poli­ti­schen Kün­di­gung auf. Den­noch wird den Kra­liks schon mal vorab im Dezem­ber das Konto gesperrt. Der Vor­gang führt zu unter­halt­sa­men Recht­fer­ti­gungs­ver­su­chen inner­halb der Stadt­ver­wal­tung. Eine ordent­li­che Kün­di­gung gelingt erst am 20. Januar 1951. Die neue Begrün­dung: Kra­lik sei unfä­hig.
Über die Frage der Unfä­hig­keit des Kul­tur­de­zer­nen­ten wird im Juni 1951 Beweis erhoben.

«Amt für kultuerelle Angelegenheiten - Verwaltungsbericht über 5 Jahre Kulturaufbau»
«Amt für kul­tue­relle Ange­le­gen­hei­ten – Ver­wal­tungs­be­richt über 5 Jahre Kulturaufbau»

Kra­liks Pro­zess­ver­tre­ter ver­weist zunächst auf den poli­ti­schen Cha­rak­ter der Kün­di­gung. Dann legt er dar, dass mit der angeb­li­chen Unfä­hig­keit Kün­di­gungs­gründe unzu­läs­sig nach­ge­scho­ben wer­den. Am Ende ent­fällt die­ser Grund, statt­des­sen wür­digt das Urteil Kra­liks Tätig­keit mit Ver­weis auf sei­nen Ver­wal­tungs­be­richt. Sein Gehalt bezieht Kra­lik bis Ende des Jah­res.
Bis zum Ver­bot der KPD arbei­tet er im Kul­tur­aus­schuss der Stadt mit.
Und er hat Zeit für seine künst­le­ri­sche Arbeit. In Moers bekom­men wir einige bis dahin unbe­kannte Werke zu sehen.

Düs­sel­dorf braucht eine Kra­lik-Aus­stel­lung
Trei­bende Kräfte der Aus­stel­lung sind Ulrich Hecker vom Ver­ein «Erin­nern für die Zukunft Moers» und Diana Fin­kele, Muse­um­lei­te­rin des Graf­schaf­ter Museum im Moer­ser Schloss, zusam­men mit Kra­liks Groß­nef­fen Ralf Zim­mer­mann, mitt­ler­weile ein gro­ßer Samm­ler von Kra­lik-Wer­ken, der zahl­rei­che Expo­nate noch pünkt­lich erstei­gern konnte. Diese drei Kory­phäen besuch­ten eines schö­nen Som­mer­ta­ges die Dat­sche von Jür­gen Schuh, VVN Düs­sel­dorf. Er konnte helfen.

Nordstraße von der Venloer Str. 2 gesehen.
Nord­straße von der Ven­loer Str. 2 gesehen.

Die Eröff­nung am 29. Okto­ber im über­füll­ten Saal des alten Land­rats­am­tes machte deut­lich, wie sich die Drei gegen­sei­tig in ihrem Enga­ge­ment ergän­zen und stei­gern.
Moers ist nicht so weit von Düs­sel­dorf. Viel­leicht springt der Funke der Begeis­te­rung doch noch bis ins Düs­sel­dor­fer Rat­haus. Dort fragte namens der Links­par­tei Michael Driesch im August an, aus wel­chen Grün­den bis zum heu­ti­gen Tag Kra­lik von der Stadt weder reha­bi­li­tiert noch geehrt wor­den sei. «Es gibt keine Straße, die in Düs­sel­dorf nach ihm benannt ist, es gibt kein Geden­ken, keine Reha­bi­li­ta­tion, keine Aus­stel­lung.» In der Ant­wort der Stadt wird das bestrit­ten. Und eine juris­ti­sche Reha­bi­li­ta­tion könne durch die Stadt nicht erfolgen.

Etwas mehr ginge schon. Eine Aus­stel­lung im Stadt­mu­seum scheint ange­mes­sen, zumal Lya Kra­lik nach Hanns› Tod 1971 die­sem Insti­tut ein Kon­vo­lut von Kra­lik-Arbei­ten ver­trau­ens­voll über­las­sen hat.

Mitt­ler­weile ist ein Buch zur Aus­stel­lung erschie­nen, unter ande­rem mit einem Bei­trag von Prof. Ulrich Krem­pel, der schon 1980 zum Werk von Hanns Kra­lik wis­sen­schaft­lich gear­bei­tet hat.

Klaus Stein, 15. Januar 2024


Aus­stel­lungs­ban­ner Hanns Kra­lik – «Mensch – wie stolz das klingt»


Hanns Kra­lik im Schloß Moers 29.10.23 bis 24.03.24 (wei­tere Fotos)