Ent­las­sun­gen bei Ford und wei­tere Wirtschaftsaussichten

Pro­gnose für E‑Autobranche nach Kür­zung der staat­li­chen Prä­mien düster

Vor­trag: Ent­las­sun­gen bei Ford und wei­tere Wirtschaftsaussichten

«Ford-Chef frus­triert über die eige­nen Bilanz­zah­len», so der Titel eines Arti­kels in der FAZ vom 4. Februar. Der Arti­kel teilt mit, wor­auf die schlech­ten Bilanz­zah­len haupt­säch­lich zurück­zu­füh­ren sind. Der Kon­zern hat sich schlicht­weg an der Börse ver­zockt und musste erheb­li­che Kurs­ver­luste für die Betei­li­gung am Elek­tro­au­to­her­stel­ler Rivian hin­neh­men und ins­ge­samt 7,4 Mrd. Dol­lar abschrei­ben. Auch das Koope­ra­ti­ons­pro­jekt für auto­no­mes Fah­ren zusam­men mit VW («Argo») schlug nach Abwick­lung mit Abschrei­bun­gen von 2,8 Mrd. Dol­lar zu Buche. Für das Jahr 2022 hat Ford so einen Net­to­ver­lust von 2 Mrd. Dol­lar zu ver­zeich­nen, gegen­über einem Gewinn von 17,9 Mrd. im Jahr 2021, und das bei einem um 16% höhe­ren Umsatz und einem um 7% gestie­ge­nen Absatz von Fahr­zeu­gen gegen­über dem Vor­jahr. Ebenso dürfte auch der ste­tig sin­kende Akti­en­kurs der Kon­zern­füh­rung Sor­gen berei­ten. Für die­ses Jahr strebt Ford einen Netto-Gewinn von 9–11 Mrd. Dol­lar an.
Die zur Errei­chung die­ses Ziels erfor­der­li­che «Stär­kung der Ertrags­kraft» soll ein Spar­pro­gramm brin­gen, das Ein­schnitte von 3 Mrd. Dol­lar bis Mitte des Jahr­zehnts vorsieht.

Ende Januar wur­den die Kür­zungs­pläne ruch­bar. Der Köl­ner Betriebs­rat teilte diese der Beleg­schaft in einer außer­or­dent­li­chen Betriebs­ver­samm­lung mit. In Köln soll­ten 3200 Stel­len gestri­chen wer­den, 2500 in der Ent­wick­lungs­ab­tei­lung und 700 in der Ver­wal­tung. Auch die Abwick­lung des Wer­kes in Saar­louis und der Ent­wick­lungs­ab­tei­lung in Aachen war Bestand­teil der Kür­zungs­pläne.
Mitte Februar hat sich der Ford-Vor­stand mit dem Betriebs­rat über den Stel­len­ab­bau beim Köl­ner Ford­werk geei­nigt. Bis Ende 2025 sol­len 2300 Arbeits­plätze gestri­chen wer­den, ins­ge­samt 3800 in Europa. 1700 von 3800 Stel­len fal­len in der Ent­wick­lungs­ab­tei­lung weg, 600 von 3400 in der Ver­wal­tung. Der Stel­len­ab­bau soll wie es so schön heißt «sozi­al­ver­träg­lich» erfol­gen, über Ent­schä­di­gung und Früh­ver­ren­tung. Für die noch in Köln ver­blei­ben­den 12.000 Arbeits­plätze gibt Ford eine Arbeits­platz­ga­ran­tie bis 2032 und ver­spricht, bis dahin auf betriebs­be­dingte Kün­di­gun­gen zu ver­zich­ten. Der Betriebs­rat spricht von einem Ver­hand­lungs­er­folg. Man habe 900 gute, qua­li­fi­zierte Arbeits­plätze für die Zukunft der Pro­dukt­ent­wick­lung sichern kön­nen, die in der ursprüng­li­chen Pla­nung weg­ge­fal­len wären. «Die Beleg­schaft weiß, dass mit den neuen Elek­tro­mo­del­len weni­ger Beschäf­tigte gebraucht wer­den», so der Gesamt­be­triebs­rats­vor­sit­zende Ben­ja­min Gruschka.
Erst 2019 sind in Deutsch­land 6000 und euro­pa­weit 10.000 Stel­len bei Ford gestri­chen wor­den. In Köln sank die Zahl der Mit­ar­bei­ten­den von 17.500 auf etwa 14.000. Auch damals wurde das Ver­spre­chen gege­ben, dass kein wei­te­rer Stel­len­ab­bau erfol­gen würde. Der Kon­zern zieht sich offen­bar aus dem Euro­pa­ge­schäft zurück. Die Zahl der von Ford in Europa pro­du­zier­ten Fahr­zeuge ist im letz­ten Jahr­zehnt von etwa 1 Mio. (2011) auf etwa 390.000 (2022) geschrumpft. Der Markt­an­teil in Europa ist im sel­ben Zeit­raum von 8% auf 4,1% zurück­ge­gan­gen.
Das Köl­ner Werk soll nach den Plä­nen der Kon­zern­füh­rung auf die Pro­duk­tion von E‑Autos und die gesamte Fahr­zeug­flotte bis 2030 auf elek­tri­sche Antriebe umge­stellt wer­den. Die Modell­pa­lette soll dem­entspre­chend kom­plett umge­krem­pelt und redu­ziert wer­den. Für den Umbau des Köl­ner Werks zum euro­päi­schen «Elek­tri­fi­ca­tion Cen­ter» will Ford 2 Mrd. Dol­lar inves­tie­ren.
Mitte des Jah­res läuft in Köln die Pro­duk­tion des Fiesta aus. Statt­des­sen soll das neue E‑Modell von Ford für Europa in Köln pro­du­ziert wer­den, ein Kom­pakt-SUV, auf der Basis einer VW-Platt­form, deut­lich grö­ßer und schwe­rer als der Fiesta. Ein zwei­tes E‑Modell soll im kom­men­den Jahr fol­gen. 250.000 E‑Autos pro Jahr sol­len in Köln vom Band lau­fen. Dafür wür­den alle im Moto­ren­werk Beschäf­tigte benö­tigt, ver­si­chert die Kon­zern­füh­rung. Die Köl­ni­sche Rund­schau war sich noch am 5. Januar sicher, dass mit der Pro­duk­tion der E‑Autos die «Wei­chen für bes­sere Zei­ten in Köln» gestellt sind, und ver­stieg sich zu der bald schon wider­leg­ten Pro­gnose: «Eine Jah­res­fer­ti­gung von 250.000 Elek­tro­au­tos sollte die Beschäf­ti­gung sichern.»
Betrach­tet man die rei­nen Ver­kaufs­zah­len, so steckt die Auto­in­dus­trie in einer tie­fen Krise. Das Jahr 2022 sei ein his­to­risch schlech­tes Auto­jahr gewe­sen mit dem zweit­nied­rigs­ten Absatz­ni­veau seit der Wende, so die KR vom 5. Januar. Der Ver­band der deut­schen Auto­in­dus­trie (VDA) lie­fert Zah­len: Die Bestel­lun­gen aus dem Inland sind 2022 um 15%, die Bestel­lun­gen aus dem Aus­land um 6% gegen­über 2021 zurück­ge­gan­gen. Ins­ge­samt sind 2022 3,4 Mio. Autos pro­du­ziert wor­den, 26% weni­ger als 2019. Etwa 2,6 Mio. PKW aus deut­scher Pro­duk­tion wur­den 2022 expor­tiert, 10% weni­ger als 2019.
Den­noch haben die Auto­kon­zerne auch 2022 hohe Gewinne ein­ge­fah­ren und füh­ren eine dies­be­züg­li­che Liste der 40 Dax-Kon­zerne an.
Ange­sichts der schrump­fen­den Mas­sen­nach­frage ver­la­gern sich die Auto­kon­zerne auf das Luxus­seg­ment, die Pro­duk­tion von ton­nen­schwe­ren PS-Mons­tern (SUVs) mit höhe­ren Gewinn­mar­gen und strei­chen kleine, preis­werte Modelle für die Masse aus dem Pro­dukt­sor­ti­ment. Die Auto­her­stel­ler hät­ten auch vom knap­pen Ange­bot an Neu­wa­gen und der damit ver­bun­de­nen Strei­chung der sonst übli­chen Rabatte pro­fi­tiert, so die FAZ vom 10. Februar.
Vor allem hat die staat­li­che För­de­rung für den Kauf von E‑Autos, 4500 Euro für Plug-in-Hybride und 6000 Euro für rein bat­te­rie­elek­tri­sche Autos im Dezem­ber vor dem Aus­lau­fen der För­de­rung noch­mals für einen deut­li­chen Anstieg der Ver­kaufs­zah­len gesorgt und zusätz­lich Geld in die Kas­sen der Auto­kon­zerne gespült.

Düs­tere Aus­sich­ten
Die Pro­gno­sen für die E‑Autobranche fal­len indes nach der Kür­zung der staat­li­chen Prä­mien düs­ter aus. Auf­grund der stei­gen­den Strom­kos­ten rech­net die Bran­che mit einem deut­li­chen Rück­gang der Ver­kaufs­zah­len. Ein Wachs­tum wird allen­falls in der Luxus­klasse des Mark­tes für Elek­tro­au­tos erwar­tet.
Düs­ter sind auch die Pro­gno­sen für die Metall- und Elek­tro­in­dus­trie, auf­grund stei­gen­der Mate­rial- und Pro­duk­ti­ons­kos­ten, hoher Ener­gie­preise und gestör­ter Lie­fer­ket­ten.
Auch die Bau- und Immo­bi­li­en­bran­che ist von Rezes­si­ons­sor­gen und Zins­ängs­ten geplagt.
Ins­ge­samt sehen die wirt­schaft­li­chen Aus­sich­ten für Deutsch­land ziem­lich beschei­den aus.
Die Infla­tion ist nach Aus­sage des sta­tis­ti­schen Bun­des­am­tes im Januar wie­der deut­lich auf 8,7% (Dezem­ber: 8,1%) gestie­gen. Die Bun­des­re­gie­rung rech­net für 2023 mit einer durch­schnitt­li­chen Infla­tion von 6 % (2019: 7,9%). Wirt­schafts­mi­nis­ter­dar­stel­ler Habeck stimmt auch für die­ses Jahr die Men­schen auf Ver­zicht ein und appel­liert an den Durch­hal­te­wil­len : «Das Jahr über wer­den wir höhere Preise noch aus­hal­ten müs­sen.»
Die deut­sche Wirt­schaft ist im letz­ten Quar­tal um 0,4% geschrumpft, stär­ker als erwar­tet. Alle nam­haf­ten Wirt­schafts­in­sti­tute sagen eine län­gere Phase nied­ri­ger Wachs­tums­zah­len für die kom­men­den Jahre um die 0,1% vor­aus. Also haar­scharf an der Rezes­sion. Die staat­li­che För­der­bank spricht gar von einer «Zei­ten­wende» hin zu «andau­ern­den Wohl­stands­ver­lus­ten» und sich ver­schär­fen­den Ver­tei­lungs­kon­flik­ten.
Laut Ifo-Insti­tut ist im lau­fen­den Quar­tal mit einem wei­te­ren Rück­gang der Wirt­schafts­leis­tung und damit einer Rezes­sion zu rech­nen. Als haupt­säch­li­cher Grund wird der Rück­gang des pri­va­ten Kon­sums genannt. Das ist kein Wun­der. Schon im drit­ten Jahr in Folge sind die Real­löhne auf­grund der rasant stei­gen­den Preise gesun­ken, im Jahr 2022 um 4,1%. Lei­der ver­harm­lost diese Zahl die Lage.

Infla­tion
Wir sehen uns gleich mal an, wie sol­che Werte ermit­telt wer­den: In der FAZ vom ver­gan­ge­nen Don­ners­tag (23. Februar 2023) macht Autor Chris­tian Sie­den­bie­bel dar­auf auf­merk­sam, daß das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt den Ver­brau­cher­preis­in­dex einer Revi­sion unter­zo­gen hat. Zitat: «Es ist eigent­lich eine tur­nus­ge­mäße Stan­dard­pro­ze­dur – und doch in den Aus­wir­kun­gen ein abso­lut außer­ge­wöhn­li­cher Vor­gang.»
Der Ver­brau­cher­preis­in­dex ist auf ein neues Basis­jahr umge­rech­net wor­den. Das pas­siere alle fünf Jahre. Dies­mal wurde das Basis­jahr von 2015 auf 2020 ver­legt. Es geht darum, mit wel­chem Gewicht die Preise ver­schie­de­ner Waren und Dienst­leis­tun­gen in den Waren­korb ein­flie­ßen. Dadurch wer­den nach der Umstel­lung die Infla­ti­ons­ra­ten der ver­gan­ge­nen Jahre nach­ge­bes­sert.
Zitat: «Dies­mal war die Umstel­lung ganz außer­ge­wöhn­lich – sol­che Revi­si­ons­dif­fe­ren­zen gibt es sonst nicht. Die gesam­ten monat­li­chen Infla­ti­ons­ra­ten aus dem vori­gen Jahr wur­den nach unten kor­ri­giert, und zwar teils sehr deut­lich. Nach den neuen Zah­len lag die Infla­ti­ons­rate im vori­gen Jahr nun kei­nen Monat mehr ober­halb von 10 Pro­zent. Bei­spiel Okto­ber 2022: Nach den alten Zah­len hatte die Infla­ti­ons­rate bei 10,4 Pro­zent gele­gen. Nach den neuen lag sie nun ’nur› noch bei 8,8 Pro­zent.» «Die Infla­ti­ons­rate für den Jah­res­durch­schnitt 2022 wurde von 7,9 Pro­zent auf 6,9 Pro­zent her­ab­ge­stuft.»
Mani­pu­la­tion? – Natür­lich nicht!
Die FAZ: „Die Sta­tis­ti­ker vom Bun­des­amt tra­ten sehr ent­schie­den allen Spe­ku­la­tio­nen ent­ge­gen, daß die Zah­len klein­ge­rech­net wor­den seien. Man ver­folge ‹keine poli­ti­sche Agenda›, hieß es, und die Ent­schei­dun­gen seien auf Fach­ebene getrof­fen wor­den, nicht auf der poli­ti­schen Ebene. In einem Hin­ter­grund­pa­pier deu­tet das Amt aber auch an, wel­chem Druck es aus­ge­setzt ist. Da heißt es: «der Ver­brau­cher­preis­in­dex ist ein wich­ti­ger Indi­ka­tor für die Ent­wick­lung der Kauf­kraft der pri­va­ten Haus­halte und damit rele­vant zum Bei­spiel bei Tarif­ver­hand­lun­gen oder auch zur Wert­si­che­rung von wie­der­keh­ren­den Zah­lun­gen.»
Die eben erwähnte Jah­res­durch­schnitt­sin­fla­ti­ons­rate, die nach­träg­lich von 7,9% auf 6,9% abge­senkt wor­den ist, führt ohne­hin aufs Glatt­eis. Diese Durch­schnitts­rate wird ermit­telt, indem die 12 Monats­ra­ten sum­miert und durch 12 geteilt wer­den. Im Januar waren es 4,9%, dann stieg sie all­mäh­lich an, erreicht im Mai 7,9%, im Sep­tem­ber 10,0%, im Okto­ber 10,4%, Novem­ber 10,0%, Dezem­ber 8,6% laut Sta­tis­ti­schem Bun­des­amt (alles noch die alten Werte). Der Ver­brau­cher zahlt aber für seine Waren kei­nen Jah­res­durch­schnitts­preis, son­dern den letz­ten, den teu­ers­ten. Und diese mani­pu­la­tive Jah­res­in­fla­ti­ons­rate wird dann den Löh­nen gegen­über­ge­stellt. Folg­lich hat das Sta­tis­ti­sche Bun­des­amt am 7. Februar mit­ten in den Tarif­kämp­fen mit­ge­teilt, dass die Real­löhne im Jahr 2022 um 4,1% gegen­über 2021 gesun­ken seien. Ein­fa­che Rech­nung: Nomi­nal­lohn­in­dex im Jah­res­durch­schnitt 2022 von 3,4% minus 7,9% Infla­tion macht – 4,1% nach der Berech­nung des Amtes (nach unse­rer übri­gens 4,5%).
Den Lohn­ab­hän­gi­gen wird mit der­ar­ti­gen Pres­se­mit­tei­lun­gen pünkt­lich zur Tarif­runde nahe­ge­legt, sich mit einer Lohn­er­hö­hung von 4,1% zufrie­den zu geben. Wirk­lich infor­ma­tiv aber wäre eine Dar­stel­lung der Ver­brau­cher­kos­ten von Lohn­ab­hän­gi­gen und «Bezie­hern von Trans­fer­leis­tun­gen». Die geben bekannt­lich mehr im Ver­hält­nis zu ihren Ein­kom­men für Lebens­mit­tel und Ener­gie aus. Und da rauscht es.

Die Bereiche größter Teuerungen wie Wohnen, Energie etc. wurden von 2015 (Anteil ca. ein Drittel) auf 2020 (ca. ein Viertel) angeblich weniger wichtig.

Die Preise für Erd­gas haben sich laut Sta­tis­ti­schem Bun­des­amt vom 22. Februar um 51,7 % erhöht und für Fern­wärme um 26,0 %. Die Preise für Brenn­holz, Holz­pel­lets oder andere feste Brenn­stoffe erhöh­ten sich um 49,6 %, die Preise für leich­tes Heizöl lagen um 30,6 % über denen des Vor­jah­res­mo­nats. Strom ver­teu­erte sich um 25,7 %, trotz Strom­preis­bremse und Weg­fall der EEG- Umlage. Die Preise für Nah­rungs­mit­tel erhöh­ten sich im Januar 2023 um 20,2 %. Damit blieb die Teue­rungs­rate hier­für mehr als dop­pelt so hoch wie die Gesamt­in­fla­ti­ons­rate. Erneut wur­den im Januar 2023 bei allen Nah­rungs­mit­tel­grup­pen Preis­er­hö­hun­gen beob­ach­tet: Erheb­lich teu­rer wur­den Mol­ke­rei­pro­dukte und Eier (+35,8 %) sowie Spei­se­fette und Spei­se­öle (+33,8 %). Deut­lich spür­bare Preis­an­stiege gab es bei­spiels­weise auch bei Brot und Getrei­de­er­zeug­nis­sen (+22,7 %).

Beim HVPI steht die Aktualität und die Vergleichbarkeit im europäischen Rahmen im Vordergrund. Er beruht auf aktuelleren Zahlen und dürfte von den drei Indizes an die wirklichen Belastungen der Konsumenten am ehesten herankommen.

Inter­na­tio­nale Wachs­tums­pro­gno­sen
Zurück zur Rezes­sion. Der IWF sagt für alle west­li­chen Indus­trie­staa­ten einen deut­li­chen Rück­gang des BIP vor­aus, bis auf die USA und Groß­bri­tan­nien Zuwächse im Null­komma-Bereich für die­ses Jahr (USA: 1,4; GB: – 0,6). Die Zah­len für die Bun­des­re­pu­blik wur­den jetzt erst vom Sta­tis­ti­schen Bun­des­amt kor­ri­giert. Sie errei­chen im Vor­jahr 1,8% Zuwachs, aber für das letzte Quar­tal wurde ein Defi­zit von 0,4% des BIP regis­triert – vor­her war der Wert auf ‑0,2% geschätzt wor­den. Und es sieht nicht so aus, als wenn das Land im ers­ten Quar­tal über die Null-Linie käme. In dem Fall wird ganz offi­zi­ell von Rezes­sion gespro­chen. Der tie­fere Blick in die Glas­ku­gel fürs Jahr 2024 soll mit Wachs­tums­zah­len im Eins­komma-Bereich wohl Opti­mis­mus ver­brei­ten.
Bes­ser sehen die Kon­junk­tur­aus­sich­ten für die Schwel­len­län­der und China aus. Für China pro­gnos­ti­ziert der IWF einen deut­li­chen Anstieg des BIP von 3,0 auf 5,2%, für die Schwel­len­län­der einen leich­ten Anstieg von 3,9 auf 4,0%.
Womög­lich hän­gen die bes­se­ren Wirt­schafts­aus­sich­ten die­ser Län­der damit zusam­men, dass diese sich nicht den Sank­tio­nen des Wes­tens gegen Russ­land ange­schlos­sen haben und wei­ter­hin preis­wer­tes rus­si­sches Öl und Gas bezie­hen, statt Flüs­sig­gas aus den USA für einen fünf­fach höhe­ren als den dor­ti­gen Preis ein­zu­schif­fen. Der BDI bezeich­net zurecht die Poli­tik der Ampel als von Hybris geprägt und zeigt Ver­ständ­nis dafür, dass sich inzwi­schen nicht nur ener­gie­in­ten­sive Unter­neh­men frag­ten, ob sie die Pro­duk­tion nicht bes­ser in die USA ver­la­gern sollten.

Anwach­sen des welt­wei­ten Schul­den­bergs
Im Han­dels­blatt vom 27. Januar 2023 warnte der vor­ma­lige Chef­öko­nom des IWF und Har­vard-Pro­fes­ser Ken­neth Rog­off vor einer bevor­ste­hen­den «gro­ßen Belas­tungs­probe» des glo­ba­len Finanz­sys­tems. Die fra­gile Lage zeige sich an den Bei­spie­len Japan, Ita­lien, Groß­bri­tan­nien. Die Tat­sa­che, dass die Welt 2022 keine sys­te­mi­sche Finanz­krise erlebt habe, sei ein klei­nes Wun­der ange­sichts des stei­len Anstiegs von Infla­tion und Zin­sen, ganz zu schwei­gen von einem mas­si­ven Anstieg der geo­po­li­ti­schen Risi­ken. Er meint mit geo­po­li­ti­schen Risi­ken mili­tä­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zun­gen, gar den Welt­krieg. Eine Krise in einer hoch­ent­wi­ckel­ten Volks­wirt­schaft lasse sich – und er hat dabei Japan oder Ita­lien im Auge – nur schwer wegen des Rekord­ni­veaus der öffent­li­chen und pri­va­ten Ver­schul­dung ein­däm­men.
In der Tat hat­ten die glo­ba­len Schul­den im ver­gan­ge­nen Juni die Höhe von 300 Bil­lio­nen Dol­lar erreicht, 349 % des Welt-BIPs. Im Sep­tem­ber 2021 war die Welt laut Insti­tute of Inter­na­tio­nal Finance (IIF) noch mit 296 Bil­lio­nen Dol­lar ver­schul­det. Mitt­ler­weile soll die Summe 305 Bil­lio­nen Dol­lar betra­gen. Was für die Kre­dit­neh­mer Schul­den heißt, ist für die Kre­dit­ge­ber Kapi­tal, das zur Ver­wer­tung drängt. Es ent­spricht der Summe von Wer­ten, die alle 8 Mil­li­ar­den Men­schen auf der Welt inner­halb eines Zeit­raums von drei­ein­halb Jah­ren pro­du­zie­ren. Diese Schul­den­summe wächst untilg­bar und wird sich mehr oder weni­ger plötz­lich durch Ent­wer­tung auf­lö­sen.
Schön wären Schul­den­schnitte, aber ange­sichts der Kon­kur­renz nicht zu erwar­ten. Wahr­schein­li­cher sind:
1. Bör­sen­crashs
2. Geld­ent­wer­tung
3. Krieg
Oder alles zusam­men.
Der Haus­halts­plan der Ver­ei­nig­ten Staa­ten sieht für das Haus­halts­jahr 2023 eine Summe von 1.607,9 Mil­li­ar­den Dol­lar vor. Davon bean­sprucht allein das Pen­ta­gon 773 Mil­li­ar­den Dol­lar. Das sind 48 Pro­zent des Bud­gets der US-Bun­des­re­gie­rung, die damit eine knappe Hälfte ihres Etats den Rüs­tungs­kon­zer­nen in den Rachen wirft. 3,5% des US-BIP. Und die US-Bür­ger zah­len dafür zwei Mal. Ers­tens als Steu­er­zah­ler. Zwei­tens als Ver­brau­cher, denn die öffent­li­chen Gel­der dre­hen erst ein­mal eine pro­fi­ta­ble Runde durchs Ban­ken­sys­tem, bevor sie als Staats­schul­den mit der Folge von Geld­ent­wer­tung ver­bucht wer­den. Im ver­gan­ge­nen März 2022 betrug in den USA die Infla­tion 8,5%, im Juni 9,1% und im Dezem­ber 6,5%. In die­sem Jahr wer­den sich die US-Staats­schul­den laut Sta­tista auf ins­ge­samt 32,2 Bil­lio­nen Dol­lar belau­fen. Das sind 123% im Ver­hält­nis zum BIP in Höhe von 26,2 Bil­lio­nen Dol­lar im Jahr 2023. Die Mili­tär­aus­ga­ben der USA sind mit 38% von ins­ge­samt 2,1 Bil­lio­nen Dol­lar Haus­halts­aus­ga­ben des Bun­des welt­weit die höchs­ten.
Ihre Mili­tär­aus­ga­ben haben also im Ver­hält­nis zur sons­ti­gen Wirt­schafts­tä­tig­keit ein höhe­res Gewicht als in ande­ren Län­dern und sor­gen im Sinne von Keynes allen­falls dafür, daß hier die Über­pro­duk­ti­ons­krise abge­mil­dert und ver­län­gert wird. Der Staat kom­pen­siert die Unter­kon­sump­tion. Kapi­tal fin­det in der Rüs­tungs­in­dus­trie pro­fi­ta­ble Anlagemöglichkeiten.

Mili­tä­risch-indus­tri­el­ler Kom­plex (MIK)
Der­ar­tige Sum­men fürs Mili­tär set­zen einen gro­ßen Ein­fluss der Rüs­tungs­in­dus­trie auf die Poli­tik vor­aus, schaf­fen ihn aber auch. US-Prä­si­dent Dwight Eisen­hower warnte in sei­ner Abschieds­rede am 17. Januar 1961 vor dem Ein­fluss des «mili­tä­risch-indus­tri­el­len Kom­ple­xes» (MIK), der „Ver­bin­dung zwi­schen einem rie­si­gen Mili­tär­ap­pa­rat und einer gro­ßen Rüs­tungs­in­dus­trie« des­sen „gesam­ter Ein­fluss – wirt­schaft­lich, poli­tisch und sogar geis­tig – in jeder Stadt, in jedem Staats­haus und in jedem Büro der Bun­des­re­gie­rung zu spü­ren ist». Eisen­hower, vor­mals Gene­ral­stabs­chef der Armee, sah den mili­tä­risch-indus­tri­el­len Kom­plex als eine Gefahr für die demo­kra­ti­schen Insti­tu­tio­nen und die Demo­kra­tie an. Durch die Ein­wir­kung die­ses Kom­ple­xes auf Arbeits­plätze und Wirt­schafts­kraft könne die poli­ti­sche Füh­rung ver­an­lasst wer­den, Kon­flikte eher mili­tä­risch als poli­tisch zu lösen und damit als ver­län­ger­ter Arm der Lobby der Rüs­tungs­in­dus­trie zu agie­ren.
Wir müs­sen uns viel­leicht nicht mehr über das Kriegs­ge­schrei von Baer­bock, Hof­rei­ter, Strack-Zim­mer­mann und vie­ler ande­rer wun­dern. Fred Schmid vom ISW hat kürz­lich den Ein­fluss der Rüs­tungs­in­dus­trie auf die deut­sche Poli­tik unter­sucht. Pro­fi­teure des Krie­ges sind US-ame­ri­ka­ni­sche, aber auch deut­sche und euro­päi­sche Rüs­tungs­kon­zerne; genauer: deren Eig­ner. Allen voran US-ame­ri­ka­ni­sche Finanz­in­ves­to­ren. Sie domi­nie­ren, mit den Ver­mö­gens­ver­wal­tern Black­Rock und Van­guard an der Spitze, die größ­ten US-Waf­fen­schmie­den: Lock­heed Mar­tin, Ray­theon, Boe­ing, Nor­throp Grum­man, Gene­ral Dyna­mics. Es sind dies zugleich die größ­ten Rüs­tungs­kon­zerne der Welt.

Rhein­me­tall
Der größte Rüs­tungs­kon­zern bei uns im Lande ist Rhein­me­tall.
Der Kurs der Rhein­me­tall-Aktie stieg von 85 zu Jah­res­be­ginn 2022 auf 190 zum Jah­res­ende, als Deutsch­land 40 Mar­der an die Ukraine zu lie­fern ver­sprach, und auf 230 nach dem Kampf­pan­zer­be­schluss; das ist eine Stei­ge­rung um knapp 125 Pro­zent bzw. 142 Pro­zent. Der Kon­zern fabri­ziert und lie­fert fast alles, was im Ukrai­ne­krieg auf den Schlacht­fel­dern zum Töten gebraucht wird: Pan­zer, Kano­nen und Muni­tion. In allen drei Spar­ten gibt es Lie­fer­eng­pässe, wes­halb der Kon­zern seine Kapa­zi­tä­ten zügig erwei­tern will, in Deutsch­land und im Aus­land. In Ungarn wird ein neues Muni­ti­ons­werk gebaut, in Spa­nien soll für 1,2 Mil­li­ar­den Euro der Muni­ti­ons­pro­du­zent Expal über­nom­men wer­den, um den stei­gen­den Explo­siv­be­darf zu decken (HB, 10.2.23). Für knapp eine Mil­li­arde Euro Inves­ti­tio­nen will der Düs­sel­dor­fer Kon­zern seine Kapa­zi­tä­ten erwei­tern, um bis 2025 eine Ver­dop­pe­lung des Umsat­zes von 6,4 Mrd. Euro (2021) auf 11 bis 12 Mil­li­ar­den Euro zu errei­chen. 2000 Neu­ein­stel­lun­gen wur­den bereits vor­ge­nom­men, wei­tere 2000 sol­len fol­gen.
Bereits bei der Rhein­me­tall-Bilanz­prä­sen­ta­tion 2021 ver­si­cherte der Vor­stands­vor­sit­zende Armin Pap­per­ger: „Moder­ni­sie­rungs­pro­gramme und eine extrem hohe Zahl an Neu­aus­schrei­bun­gen geben uns die Sicher­heit, dass der Super­zy­klus wei­ter­geht«. Mit der rus­si­schen Inva­sion in die Ukraine und den Waf­fen­lie­fe­run­gen der NATO-Staa­ten in das Kriegs­ge­biet, dem 100-Mil­li­ar­den „Son­der­ver­mö­gen» und den Auf­rüs­tungs­schrit­ten ande­rer Staa­ten der Kriegs­al­li­anz wird es ein Super-Plus-Zyklus mit ent­spre­chen­den Pro­fi­ten. Zur Freude von angel­säch­si­schen Ver­mö­gens­ver­wal­tern und ande­ren Finanz­in­ves­to­ren. Sie hal­ten zusam­men 41,03% des Akti­en­ka­pi­tals von Rhein­me­tall, an der Spitze Black­Rock mit 5,08%.

Kriegs­trei­ber
Die poli­ti­schen Haupt­trei­ber für immer mehr und bri­san­tere Waf­fen­lie­fe­run­gen in das Kriegs­ge­biet sind hier­zu­lande die alten und neuen Kal­ten Krie­ger in der Union, aber auch in der Ampel mit der FDP und der Vor­sit­zen­den des Ver­tei­di­gungs­aus­schus­ses Marie-Agnes Strack-Zim­mer­mann sowie den Oliv-Grü­nen Anton Hof­rei­ter und Anna­lena «wir-kämp­fen-einen Krieg-gegen Russ­land» Baer­bock.
Strack-Zim­mer­mann gehört zum per­so­nel­len und poli­ti­schen Kern des Mili­tär-Indus­trie-Kom­ple­xes. In ihrer Funk­tion als Vor­sit­zende des 32-köp­fi­gen Ver­tei­di­gungs­aus­schus­ses lässt sie keine Gele­gen­heit aus, sich für neue Waf­fen­be­schaf­fun­gen ein­zu­set­zen, von der Hand­feu­er­waffe bis zur Pan­zer­hau­bitze, von der Kampf­droh­nen bis zum Atom­bom­ber.
Sie ist nahezu in jedem gewich­ti­gen Ver­band und Think-Tank der Rüs­tungs­in­dus­trie ver­tre­ten und dies nicht nur als ein­fa­ches Mit­glied son­dern als Vor­stands- bzw. Prä­si­di­ums­mit­glied, somit also in lei­ten­der Funk­tion, so beim
För­der­kreis Deut­sches Heer FKH
Deut­sche Atlan­ti­sche Gesell­schaft
Deut­sche Gesell­schaft für Wehr­tech­nik DWT
Bei­rats­mit­glied der Bun­des­aka­de­mie für Sicher­heits­po­li­tik
Neh­men wir zur Ver­deut­li­chung das Bei­spiel der Deut­schen Gesell­schaft für Wehr­tech­nik. Hier arbei­tet sie im Prä­si­dium u.a. mit den Ver­ant­wort­li­chen fol­gen­der Rüs­tungs­kon­zerne zusam­men: Lock­heed Mar­tin, Thys­sen-Krupp, Air­bus, Daim­ler, Rhein­me­tall, Krauss-Maf­fei- Weg­mann, Diehl und der fran­zö­si­schen Tha­les-Gruppe.
Hen­ning Otte, CDU-MdB, ist stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Ver­tei­di­gungs­aus­schus­ses. Wie es der Zufall will, lie­gen in sei­nem Wahl­kreis in Unter­lüß (Lüne­bur­ger Heide) Werke von Rhein­me­tall, die ein­zi­gen grö­ße­ren Arbeit­ge­ber in dem Land­strich. Spre­cher der CDU/CSU-Frak­tion in wehr­po­li­ti­schen Fra­gen ist der CSU-Abge­ord­nete Flo­rian Hahn. Hahn setzte sich für die Fort­set­zung des Exports von Rüs­tungs­gü­tern an Saudi-Ara­bien ein: «Wenn sol­che Rüs­tungs­exporte wie jetzt der Pan­zer­ver­kauf an Saudi-Ara­bien nicht mehr zustande kom­men, wird die deut­sche Wehr­in­dus­trie nicht über­le­ben.» Der ver­tei­di­gungs­po­li­ti­sche Spre­cher der SPD, Wolf­gang Hell­mich, ist Mit­glied des För­der­krei­ses Deut­sches Heer. Der ver­tei­di­gungs­po­li­ti­sche Spre­cher der FDP, Alex­an­der Mül­ler, ist im Neben­be­ruf Vize­prä­si­dent einer wei­te­ren Rüs­tungs­lobby-Orga­ni­sa­tion, der Gesell­schaft für Sicher­heits­po­li­tik (GSP, vor­mals Gesell­schaft für Wehr­kunde) mit 7.000 Mit­glie­dern.
Aber die Eig­ner der Rüs­tungs­kon­zerne ver­die­nen nicht nur am Krieg. Sie wol­len sich auch am Wie­der­auf­bau betei­li­gen. Am 28. Dezem­ber gab das Prä­si­di­al­büro der Ukraine bekannt, dass Wolo­dymyr Selen­skyj und Black­Rock-Chef Larry Fink im Rah­men eines Video­ge­sprächs über­ein­ka­men, «sich auf die Koor­di­nie­rung der Bemü­hun­gen aller poten­zi­el­len Inves­to­ren und Teil­neh­mer am Wie­der­auf­bau zu kon­zen­trie­ren und die Inves­ti­tio­nen in die wich­tigs­ten und wir­kungs­volls­ten Sek­to­ren der ukrai­ni­schen Wirt­schaft zu lenken».

Klaus Stein, Dirk Steh­ling
Köln, 27.2.2023


Ford und wei­tere Wirtschaftsaussichten


Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt Hin­ter­gründe zur VPI-Revi­sion 2020 vom 21.02.23 (wei­tere Fotos)