Arbei­ter­ju­gend in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land 2019

Jugendliche mit SDAJ-Fahnen.

Auf die Straße getrieben

Refe­rat auf der Kreis­vor­stands­sit­zung der DKP Köln am 12. März 2019

Die Not wächst, beson­ders bei den Schwächs­ten. »Der mas­sive Woh­nungs­man­gel ver­schärft die Lage jun­ger Men­schen, die obdach­los wer­den«, warnte am Diens­tag, den 05. März die Stif­tung »Off Road Kids«, die Kin­dern, Jugend­li­chen und jun­gen Erwach­se­nen auf der Straße hilft. In ihrem Jah­res­be­richt 2018 offen­barte sie eine alar­mie­rende Entwicklung.

Wie viele Jugend­li­che in der Bun­des­re­pu­blik tat­säch­lich woh­nungs­los sind, weiß offi­zi­ell nie­mand. Aller­dings ging die Bun­des­ar­beits­ge­mein­schaft Woh­nungs­lo­sen­hilfe (BAGW) 2017 davon aus, dass die Zahl der Men­schen ohne Bleibe ins­ge­samt von rund 860.000 im Jahr 2016 auf 1,2 Mil­lio­nen Ende 2018 anstei­gen dürfte. Auch Kin­der seien zuneh­mend davon bedroht, hieß es. Zur sel­ben Zeit schätzte das Deut­sche Jugend­in­sti­tut die Zahl der unter 25jährigen, die auf der Straße leben, rück­bli­ckend auf 37.000, dar­un­ter Tau­sende Minderjährige.

Die Stif­tung »Off Road Kids« hatte bereits vor einem Jahr vor einem rasan­ten Anstieg der Jugend­ob­dach­lo­sig­keit gewarnt. Im Jahr 2021 wür­den wohl mehr als 100.000 unter 25jährige auf der Straße sit­zen, wenn die Poli­tik wei­ter­hin nicht han­dele, hieß es. Beson­ders Heim­kin­der seien gefähr­det. Denn viele Kom­mu­nen stell­ten die Hilfe für sie am 18. Geburts­tag abrupt ein. Der Man­gel wird immer schlim­mer. Es ist höchste Zeit, dass die Kom­mu­nen mehr Wohn­raum schaf­fen, denn ohne ein Dach über dem Kopf gibt es keine Per­spek­tive. Die von Betreu­ten hat­ten zuvor alleine Hilfe gesucht. Street­wor­ker­sta­tio­nen betreibt die Stif­tung »Off Road Kids« in den Pro­blem­zen­tren Ber­lin, Ham­burg, Frank­furt am Main, Köln und Dort­mund. Laut Jah­res­be­richt hol­ten die Sozi­al­ar­bei­ter der Stif­tung 2018 ins­ge­samt 400 Jugend­li­che von der Straße, dar­un­ter 26 Min­der­jäh­rige. Das waren mehr als dop­pelt so viele wie 2006. Doch nur jedem Sechs­ten davon konn­ten sie sofort und dau­er­haft eige­nen Wohn­raum oder zumin­dest eine gesi­cherte Betreu­ung vermitteln.

«Dass junge Men­schen die Zukunft seien, hört man oft. Immer häu­fi­ger gilt jedoch: Ohne rei­che Eltern sind viele Lebens­per­spek­ti­ven von vor­ne­her­ein ver­baut. Für die Ent­wick­lung jun­ger Men­schen sind daher die rich­ti­gen Rah­men­be­din­gun­gen und indi­vi­du­elle Ent­fal­tungs­mög­lich­kei­ten uner­läss­lich. Diese müs­sen gesell­schaft­lich garan­tiert und finan­ziert wer­den, damit ins­be­son­dere Kin­der und Jugend­li­che aus Arbei­ter­haus­hal­ten und sol­che mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund gleich­wer­tige Chan­cen bekommen.

Zahl­rei­che Schwimm­bä­der, Sport­plätze und Jugend­zen­tren wur­den bereits geschlos­sen. Frei­zeit-ange­bote gibt es nur noch, wenn sie Pro­fite ver­spre­chen. Das Gegen­teil wäre nötig: Wie­der-eröff­nung und Instand­set­zung von öffent­li­chen Frei­zeit­ein­rich­tun­gen und ‑ange­bo­ten für alle Jugend­li­chen. Jugend­li­chen muss der Zugang zu einer umfas­sen­den Bil­dung und damit auch zur Hoch­schule ermög­licht wer­den. Neben einer per­ma­nen­ten Aus­lese ist vor allem die Finan­zie­rung eines Stu­di­ums die größte Hürde. Die meis­ten Stu­die­ren­den müs­sen neben dem Stu­dium arbei­ten, um ihr Leben zu finan­zie­ren. Stän­dig stei­gende Mie­ten und die Woh­nungs­knapp­heit ver­schär­fen diese Situa­tion. Der Groß­teil der Absol­ven­ten ver­lässt die Uni­ver­si­tät mit Schul­den. Viele Jugend­li­che fin­den kei­nen betrieb­li­chen Aus­bil­dungs­platz und wer­den in Warte-schlei­fen abge­scho­ben. So wird ihnen ein Start ins Berufs­le­ben ver­wei­gert. Die meis­ten Aus­zu­bil­den­den bekom­men eine Aus­bil­dungs­ver­gü­tung, die nicht für ein eltern­un­ab­hän­gi­ges Leben reicht. Diese Situa­tion nut­zen die Kriegs­trei­ber für sich aus. Die DKP ist gegen Pro­pa­gan­da­ver­an­stal­tun­gen der Bun­des­wehr in Schu­len. Kriegs­hand­wer­ker haben in der Schule nichts zu suchen! Damit junge Men­schen ihre Inter­es­sen durch­set­zen kön­nen, braucht es mehr Mög­lich­kei­ten der Mit­be­stim­mung. Wir for­dern eine umfas­sende Demo­kra­ti­sie­rung und Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten für junge Men­schen! Neben einer Absen­kung des Wahl­al­ters auf 16 Jahre müs­sen vor allem wirk­same und umfäng­li­che Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen in Schule, Uni­ver­si­tät und Betrieb ein­ge­rich­tet wer­den.»1

Wolf­gang Rei­ni­cke-Abel, Köln / Lüt­tich
Foto: Klaus Stein