Geschichte der Friedensbewegung

Geschichte der bun­des­deut­schen Frie­dens­be­we­gung und ihrer Wirkungen

Frie­dens­dem­ago­gie der Nazis
Seit dem Ende des Ers­ten Welt­krieg war gerade mal 21 Jahre ver­gan­gen, als sich die deut­sche Bevöl­ke­rung in den Zwei­ten het­zen ließ. Es wurde viel gelo­gen. Am 17. März 1933, noch vor dem Ermäch­ti­gungs­ge­setz vom 23. März, stellte Hit­ler vor dem Reichs­tag die Nazi­be­we­gung als eine Bewe­gung dar, die ein­zig dem Frie­den ver­pflich­tet sei. Er wolle die bestehen­den Ver­träge beach­ten. Allein auf dem Ver­hand­lungs­wege strebe er eine Revi­sion des Ver­sailler Ver­tra­ges an.

«Indem wir in gren­zen­lo­ser Liebe und Treue an unse­rem eige­nen Volks­tum hän­gen, respek­tie­ren wir die natio­na­len Rechte auch der ande­ren Völ­ker und möch­ten aus tie­fin­ners­tem Her­zen mit ihnen in Frie­den und Freund­schaft leben.«
Einige Monate danach, am 10. Nove­mer 1933, sprach Hit­ler vor Sie­mens­ar­bei­tern. Der Film dar­über wird ver­brei­tet mit dem Roll­ti­tel: „Zehn­tau­send Sie­mens Arbeits­ka­me­ra­den, Män­ner und Frauen, haben am 10. Novem­ber im Dyna­mo­werk den Füh­rer sehen und hören dür­fen bei sei­nem letz­ten gro­ßen Auf­ruf des deut­schen Vol­kes zum ein­mü­ti­gen Bekennt­nis für einen Welt-Frie­den in Ehre und Gleich­be­rech­ti­gung.“ Goeb­bels sagte bei die­ser Gele­gen­heit: «Mein Füh­rer! Das deut­sche Volk gelobt Ihnen, in uner­schüt­ter­li­cher Treue in die­sem Kampfe hin­ter Ihnen zu ste­hen und komme, was kom­men mag, die deut­sche Ehre, die deut­sche glei­che Berech­ti­gung und den Frie­den Euro­pas zu ver­tei­di­gen.«
Sechs Jahre spä­ter, am 1. Sep­tem­ber 1939, begann der Krieg. Angeb­li­cher Grund war der Über­fall auf den Sen­der Glei­witz (Hit­ler: „Seit 5.45 Uhr wird zurück­ge­schos­sen.“). Eine Lüge, aber offen­kun­dig war zu die­sem Zeit­punkt die Kriegs­be­reit­schaft in der Bevöl­ke­rung den Nazis immer noch unzu­rei­chend.
Aber der Blut­durst des Kapi­ta­lis­mus ist gewal­tig. Vor allem, wenn es gegen den Sozia­lis­mus und um die Wah­rung des Pri­vat­ei­gen­tums an Pro­duk­ti­ons­mit­teln geht. Der Zweite Welt­krieg nahm sei­nen Lauf, er kos­tete 65 Mil­lio­nen Men­schen das Leben. Seit dem 8. Mai 1945 fei­ern wir jähr­lich sein Ende.

Kampf gegen Atom­waf­fen
Aber schon am 6. und 9. August 1945, unmit­tel­bar nach der Pots­da­mer Kon­fe­renz, wirft die US-Luft­waffe Atom­bom­ben auf die Städte Hiro­shima und Naga­saki. Diese Demons­tra­tion mili­tä­ri­scher Über­le­gen­heit ist weni­ger gegen das längst besiegte Japan gerich­tet als gegen die UdSSR.
Bereits im Dezem­ber 1945 wird unter der Lei­tung von Gene­ral Dwight D. Eisen­hower ein
Kriegs­plan gegen die UdSSR, die „Ope­ra­tion Tota­lity“ (JIC 3291) aus­ge­ar­bei­tet.
Die­ser Plan sieht den Abwurf von 30 Atom­bom­ben auf 20 sowje­ti­sche Städte vor, unter ande­rem auf Mos­kau und Lenin­grad. Drei Jahre spä­ter sind es schon 133 Atom­bom­ben, die auf sowje­ti­sche Städte fal­len sol­len. Die US-Stra­te­gie sieht aus­drück­lich den ato­ma­ren Prä­ven­tiv­schlag (First Strike) vor.
Am 4. April 1949, wenige Tage vor der Grün­dung der Bun­des­re­pu­blik, wird die NATO aus der Taufe geho­ben. In der Prä­am­bel des Nord­at­lan­tik-Ver­trags heißt es: „(Die Par­teien die­ses Ver­trags) sind ent­schlos­sen, ihre Bemü­hun­gen für die gemein­same Ver­tei­di­gung und für die Erhal­tung des Frie­dens und der Sicher­heit zu ver­ei­ni­gen.“
Mit Arti­kel 1 ver­pflich­ten sich die ver­trags­schlie­ßen­den Par­teien, „in Über­ein­stim­mung mit der Sat­zung der Ver­ein­ten Natio­nen, jeden inter­na­tio­na­len Streit­fall, an dem sie betei­ligt sind, auf fried­li­chem Wege so zu regeln, daß der inter­na­tio­nale Friede, die Sicher­heit und die Gerech­tig­keit nicht gefähr­det wer­den, und sich in ihren inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen jeder Gewalt­an­dro­hung oder Gewalt­an­wen­dung zu ent­hal­ten, die mit den Zie­len der Ver­ein­ten Natio­nen nicht ver­ein­bar sind.“ Aber die Grund­lage des NATO-Ver­trags ist die offen­kun­dige Feind­schaft gegen die UdSSR. Ihr, der UdSSR, wer­den expan­sive Absich­ten unter­stellt. Ange­sichts des­sen beschleu­nigt die Sowjet­union ihre Bemü­hun­gen, eine eigene Atom­bombe zu ent­wi­ckeln. Das Gegen­stück zur NATO, das Mili­tär­bünd­nis der Staa­ten des War­schauer Ver­trags, kommt erst am 4. Juni 1955 zustande.
Ein Krieg gegen die Sowjet­union, dem Ver­bün­de­ten in der Anti-Hit­ler-Koal­tion, ist aber trotz der Kriegs­rhe­to­rik des Wes­tens samt Roll-Back-Stra­te­gie mit den Bevöl­ke­run­gen der west­li­chen Sie­ger­mächte nach den Erfah­run­gen des Zwei­ten Welt­kriegs nicht zu machen. Zu groß ist die Kriegs­mü­dig­keit. Zu stark ver­an­kert sind anti­fa­schis­ti­sche Ein­stel­lun­gen. Die Sowjet­union genießt hohe Sym­pa­thie­werte in der US-Bevöl­ke­rung. Ihr muss der Anti­kom­mu­nis­mus eines McCar­thy erst noch ein­ge­trich­tert werden.

Am 20. April 1949, 16 Tage nach Grün­dung der NATO tref­fen sich 2000 Dele­gierte aus 72 Län­dern in der Salle Pleyel in Paris zum Welt­kon­gress der Kämp­fer für den Frie­den. Prä­si­dent des Kon­gres­ses ist Fré­dé­ric Joliot-Curie. Pablo Picasso ist dele­giert. Von ihm stammt die Frie­dens­taube, das Kon­gres­sem­blem. Aus dem Pari­ser Welt­frie­dens­kon­gress geht der Welt­frie­dens­rat her­vor. Ein Jahr spä­ter tagen in Stock­holm die Kämp­fer für den Frie­den. Den Stock­hol­mer Appell zur Äch­tung der Atom­bombe und spe­zi­ell zur Ver­ur­tei­lung des Erst­ein­sat­zes von Atom­waf­fen vom 19. März 1950 unter­zeich­nen über 500 Mil­lio­nen Men­schen. 2,2 Mil­lio­nen Unter­schrif­ten kom­men aus der jun­gen Bundesrepublik.

Schon am 5. Mai 1949 ist das West­deut­sche Frie­dens­ko­mi­tee gegrün­det wor­den, noch vor der Grün­dung der BRD. Es wird Teil des Welt­frie­dens­ra­tes, der im Novem­ber 1950 auf dem zwei­ten Welt­frie­dens­kon­gress in War­schau ins Leben geru­fen wird.

Am 29. August 1949 kann die UdSSR eine eigene Atom­bombe zün­den. Bis zu die­sem Zeit­punkt hat die Welt­frie­dens­be­we­gung zur Siche­rung des Frie­den poli­tisch bei­tra­gen kön­nen. Durch die Bre­chung des US-Atom­bom­ben­mo­no­pols ist nun­mehr zudem die impe­ria­lis­ti­sche Aggres­si­ons­po­li­tik mit hohen mili­tä­ri­schen Risi­ken verbunden.

Wie­der­be­waff­nung
Bun­des­kanz­ler Kon­rad Ade­nauer rich­tet im Mai 1950 mit dem Tarn­na­men „Zen­trale für Hei­mat­dienst“ (ZfH) ein Gre­mium von hohen Wehr­machts­of­fi­zie­ren ein, das die Wie­der­be­waff­nung pla­nen und mit west­li­chen Mili­tärs dis­ku­tie­ren soll.
Im Klos­ter Wal­ber­berg, zwi­schen Köln und Bonn, fin­det bereits Ende August 1950 das erste Tref­fen eines Aus­schus­ses für Sicher­heits­fra­gen statt. Ade­nauer stützt sich dabei auf die Erfah­run­gen hoher Nazi­mi­li­tärs. Ein erwei­ter­tes Gre­mium kommt schließ­lich im Okto­ber 1950 im Klos­ter Him­merod zusam­men. Es geht darum, zur Vor­be­rei­tung der deut­schen Wie­der­be­waff­nung ein Kon­zept für Rüs­tung und Orga­ni­sa­tion, Aus­stat­tung und Aus­rüs­tung der künf­ti­gen deut­schen Streit­kräfte zu erstel­len. Ergeb­nis ist die Him­mero­der Denk­schrift, Blau­pause für eine Bun­des­wehr. Der dama­lige Innen­mi­nis­ter Gus­tav Hei­ne­mann tritt aus Pro­test am 9. Okto­ber 1950 zurück, ver­lässt 1952 die CDU.

Frie­dens­be­we­gung in den fünf­zi­ger Jah­ren
In der jun­gen Bun­des­re­pu­blik ent­wi­ckeln sich außer­par­la­men­ta­ri­sche Kam­pa­gnen gegen die Wie­der­be­waf­fung und den dro­hen­den Atom­krieg. Dem Stock­hol­mer Appel folgt die poli­tisch hete­ro­gene Ohne-mich-Bewe­gung, die man als breite bür­ger­li­che Alter­na­tive zum Welt­frie­dens­rat ver­ste­hen darf.
Es kommt aber auch zur Volks­be­fra­gungs­be­we­gung 195152. Sie kämpft gegen die Wie­der­auf­rüs­tung. Einer ihrer Prot­ago­nis­ten ist Pas­tor Mar­tin Niem­öl­ler.. Trotz des Ver­bots der Aktion durch den neuen Innen­mi­nis­ter Robert Lehr im April 1951 kön­nen fast 6 Mil­lio­nen Unter­schrif­ten gesam­melt werden.

Die Pauls­kir­chen­be­we­gung ist die vierte außer­par­la­men­ta­ri­sche Kam­pa­gne in die­ser Reihe, viele Sozi­al­de­mo­kra­ten und Gewerk­schaf­ter betei­lig­ten sich. Sie wen­den sich gegen die Pari­ser Ver­träge. Bel­gien, Frank­reich, Luxem­burg, die Nie­der­lande, GB und Nord­ir­land hat­ten am 23. Okto­ber 1954 zusam­men mit der Bun­des­re­pu­blik zuge­stimmt. Im „Deut­schen Mani­fest» der Pauls­kir­chen­be­we­gung vom 29. Januar 1955 heißt es: „Die Ant­wort auf die deut­sche Schick­sals­frage der Gegen­wart — ob unser Volk in Frie­den und Frei­heit wie­der­ver­ei­nigt wer­den kann oder ob es in dem unna­tür­li­chen Zustand der staat­li­chen Auf­spal­tung und in einer fort­schrei­ten­den mensch­li­chen Ent­frem­dung leben muß — hängt heute in ers­ter Linie von der Ent­schei­dung über die Pari­ser Ver­träge ab. Die Auf­stel­lung deut­scher Streit­kräfte in der Bun­des­re­pu­blik und in der Sowjet­zone muß die Chan­cen der Wie­der­ver­ei­ni­gung auf unab­seh­bare Zeit aus­lö­schen ..».
Die Pari­ser Ver­träge krönt der NATO-Ver­trag, dem die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land trotz einer star­ken poli­ti­schen Oppo­si­tion am 5. Mai 1955 beitritt.

Die Ade­nau­er­re­gie­rung, in der eine Reihe alter Nazis wirkt, führt den Kampf gegen die Frie­dens­be­we­gung, ins­be­son­dere gegen die hier enga­gier­ten Kom­mu­nis­ten, mit har­ten Ban­da­gen. 1951 wird die FDJ ver­bo­ten. Der soge­nannte Ade­nau­er­erlass vom 19. Sep­tem­ber 1950 sorgt für Berufs­ver­bote für Kom­mu­nis­ten, Anti­fa­schis­ten und andere Linke.
Gegen den EVG-Ver­trag, der am 26. Mai 1952 unter­zeich­net wer­den soll, will am 11. Mai 1952 die „Jugend­ka­ra­wane gegen Wie­der­auf­rüs­tung und Gene­ral­ver­trag“ in Essen demons­trie­ren. Am 10. Mai ver­bie­tet der Innen­mi­nis­ter von Nord­rhein-West­fa­len, Karl Arnold (CDU), der zugleich Minis­ter­prä­si­dent ist, die Demons­tra­tion. 30.000 Men­schen orga­ni­sie­ren an ver­schie­de­nen Orten in Essen klei­nere Ver­an­stal­tun­gen. Meist wer­den sie von der Poli­zei auf­ge­löst. Aber vor der Gru­ga­halle wider­set­zen sich Demons­tran­ten den Auf­for­de­run­gen der Poli­zei. Kom­mis­sar Knob­loch erteilt Schieß­be­fehl. Zwei Kugeln eines Poli­zis­ten tref­fen Phil­ipp Mül­ler, eine davon geht ins Herz, ist töd­lich. Durch Poli­zei­ku­geln schwer ver­letzt wer­den außer­dem der Sozi­al­de­mo­krat Bern­hard Schwarze aus Müns­ter und der par­tei­lose Gewerk­schaf­ter Albert Brett­hauer aus Kas­sel.
Die Schaf­fung einer gemein­sa­men euro­päi­schen Armee durch eine EVG indes gelingt nicht. Sie schei­tert am Ende an der fran­zö­si­schen Natio­nal­ver­samm­lung, die die Rati­fi­zie­rung des EVG-Ver­trags am 30. August 1954 ablehnt.

In der Tat braucht die Remi­li­ta­ri­sie­rung Jahre. Die Tätig­keit von Kom­mu­nis­ten wird mas­siv behin­dert und schließ­lich ver­bo­ten. Die Wie­der­auf­rüs­tung kann nur mit rück­sichts­lo­sem Anti­kom­mu­nis­mus durch­ge­setzt wer­den. Die All­ge­meine Wehr­pflicht wird im Juli 1956 ein­ge­führt, das Ver­bot der KPD folgt fast gleich­zei­tig im August 1956.

„Wei­ter­ent­wick­lung der Artil­le­rie“
Ende 1956 wird ruch­bar, dass die Bun­des­wehr mit ame­ri­ka­ni­schen Atom­waf­fen aus­ge­rüs­tet wer­den soll. Ade­nauer erklärt am 5. April 1957 auf einer Pres­se­kon­fe­renz, die neue Gene­ra­tion von tak­ti­schen Nukle­ar­waf­fen sei „nichts wei­ter als die Wei­ter­ent­wick­lung der Artil­le­rie. Selbst­ver­ständ­lich kön­nen wir nicht dar­auf ver­zich­ten, dass unsere Trup­pen auch in der nor­ma­len Bewaff­nung die neu­este Ent­wick­lung mitmachen.“

Eine Woche spä­ter, am 12. April 1957, ver­öf­fent­li­chen 18 Pro­fes­so­ren, die meis­ten von ihnen Atom­phy­si­ker, die „Göt­tin­ger Erklä­rung“, in der sie sich vehe­ment gegen eine ato­mare Bewaff­nung der Bun­des­wehr aus­spre­chen. Max Born, Otto Hahn, Wer­ner Hei­sen­berg, Max von Laue, Carl Fried­rich von Weiz­sä­cker und andere beto­nen, dass „jede ein­zelne tak­ti­sche Atom­waffe oder ‑gra­nate“ ähn­li­che Wir­kung wie die erste auf Hiro­shima abge­wor­fene Atom­bombe habe.
Die Unter­zeich­ner, unter ihnen vier Nobel­preis­trä­ger, seien nicht bereit, sich an der Her­stel­lung, Erpro­bung oder dem Ein­satz von Atom­waf­fen zu betei­li­gen. Sie wer­den zu Zeu­gen einer weit­rei­chen­den Bewe­gung „Kampf dem Atomtod“.

Am 19. Dezem­ber 1957 beschließt der NATO-Rat, in Europa Mit­tel­stre­cken­ra­ke­ten mit ato­ma­ren Spreng­köp­fen auf­zu­stel­len, und am 25. Februar 1958 spricht sich NATO-Ober­be­fehls­ha­ber Gene­ral Lau­ris Nor­stad öffent­lich für die ato­mare Bewaff­nung der Bun­des­wehr aus.
Ade­nau­ers For­de­rung nach einem allei­ni­gen Zugriff auf Atom­spreng­köpfe wird indes von den USA abge­wie­sen. Aber bis heute lie­gen ato­mare Spreng­köpfe im Rah­men der Nuklea­ren Teil­habe gemein­sam bewacht von Deut­schen und Ame­ri­ka­nern in Büchel parat, neu­er­dings auch in Nör­ve­nich. Und bei­läu­fig: Auf dem Gelände der ehe­ma­li­gen Rake­ten­sta­tion Hom­broich in Neuß wird heute aller­lei Kunst prä­sen­tiert. Aber bis 1990 befan­den sich hier drei Abschuss­ba­sen für Nike-Her­cu­les-Rake­ten mit einer Reich­weite von 150 km. Bestückt waren die Rake­ten mit dem Nukle­ar­spreng­stoff W31. Die Rake­ten­sta­tion betrie­ben zwi­schen 1968 und 1985 die bel­gi­sche Luft­waffe und US-ame­ri­ka­ni­sche Sol­da­ten. In den acht­zi­ger Jah­ren orga­ni­sierte die Frie­dens­be­we­gung hier Sitz­blo­cka­den und Demons­tra­tio­nen, zuletzt im Januar 1984. Erst im Zuge der Umset­zung des INF-Ver­tra­ges wur­den die Rake­ten 1988 demon­tiert und abtransportiert.

Im Jahr 1958 orga­ni­siert die Kam­pa­gne „Kampf dem Atom­tod“ Mas­sen­de­mons­tra­tio­nen gegen die beab­sich­tigte nukleare Bewaff­nung der Bun­des­wehr. Sie wird von SPD, Kir­chen und Gewerk­schaf­ten unter­stützt. Den­noch beschließt der Bun­des­tag am 25. März 1958 gegen die Stim­men der SPD- und FDP-Abge­ord­ne­ten die Aus­rüs­tung der Bun­des­wehr mit Atom­waf­fen. Am 17. April 1958 fin­den Demons­tra­tio­nen in Bre­men, Kiel, Mün­chen, Mann­heim, Dort­mund Essen und Ham­burg statt. In Ham­burg ste­hen die meis­ten städ­ti­schen Ver­kehrs­mit­tel fast eine Stunde still, um ihren Mit­ar­bei­tern die Teil­nahme zu ermög­li­chen. Es ist die bis dahin größte poli­ti­sche Demons­tra­tion der Nach­kriegs­zeit mit weit über 120.000 Teil­neh­mern. Im Früh­jahr 1958 errei­chen die Mas­sen­kund­ge­bun­gen ins­ge­samt etwa 1,5 Mil­lio­nen Teilnehmer.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt erklärt im Juli 1958 eine all­ge­meine Volks­be­fra­gung zur Atom­be­waff­nung für grund­ge­setz­wid­rig.
Die SPD zieht sich 1959 aus der Kam­pa­gne zurück.

Kri­mi­na­li­sie­rung des Frie­dens­kamp­fes
Am 17. Januar 1959 wird die Ankla­ge­schrift gegen die Ange­hö­ri­gen des Frie­dens­ko­mi­tees der BRD (vor­mals West­deut­sches Frie­dens­ko­mi­tee) zuge­stellt. Ange­klagt wur­den Johan­nes Ober­hof, Pfar­rer und Ver­lags­lek­tor, Erwin Eckert, Schrift­stel­ler und ehe­ma­li­ger Pfar­rer, die frü­here SPD-Stadt­rä­tin Edith Hoer­eth-Menge, der Diplom­dol­met­scher Wal­ter Diehl, der Ver­lags­lei­ter Ger­hard Wohl­rath, der Kauf­mann Gus­tav Thie­fes, der Ver­si­che­rungs­an­ge­stellte Erich Kom­palla. Sie wer­den ange­klagt, „in Düs­sel­dorf und ande­ren Orten im In- und Aus­land seit 1951 fort­ge­setzt und gemein­schaft­lich durch die­selbe Hand­lung a) die Bestre­bun­gen einer Ver­ei­ni­gung, deren Zwe­cke oder deren Tätig­keit sich gegen die ver­fas­sungs­mä­ßige Ord­nung rich­ten, als Rädels­füh­rer geför­dert zu haben, b) an einer Ver­bin­dung teil­ge­nom­men zu haben, deren Zweck vor der Staats­re­gie­rung geheim gehal­ten wer­den soll, und zwar als Vor­ste­her, c) eine Ver­ei­ni­gung gegrün­det zu haben, deren Zweck oder deren Tätig­keit dar­auf gerich­tet sind, straf­bare Hand­lun­gen zu bege­hen, oder sich an einer sol­chen Ver­ei­ni­gung als Mit­glied betei­ligt zu haben, wobei die Ange­schul­dig­ten zu den Rädels­füh­rern gehör­ten, wobei fer­ner die Ver­feh­lungn zu b) und c) in der Absicht began­gen wur­den, die in § 88 StGB bezeich­ne­ten Ver­fas­sungs­grund­sätze zu besei­ti­gen, außer Gel­tung zu set­zen oder zu unter­gra­ben oder eine sol­che Bestre­bung zu för­dern.“
Ver­bo­ten wird das Frie­dens­ko­mi­tee am 2. März 1959.
Gegen die Ange­klag­ten wird am 10. Novem­ber 1959 das Straf­ver­fah­ren vor einer Son­der­straf­kam­mer in Düs­sel­dorf eröff­net. Es dau­ert 56 Ver­hand­lungs­tage, bis zum 8. April 1960. Die Delin­quen­ten wer­den durch den Gene­ral­bun­des­an­walt wegen ihres Enga­ge­ments im Frie­dens­ko­mi­tee der Rädels­füh­rer­schaft in einer ver­fas­sungs­feind­li­chen Orga­ni­sa­tion ange­klagt. Dies wird ins­be­son­dere damit begrün­det, dass einige der Ange­klag­ten der inzwi­schen ver­bo­te­nen KPD ange­hört hat­ten. Ihre Akti­vi­tä­ten für den Frie­den seien dem­nach nur Tar­nung für das vom Gene­ral­bun­des­an­walt ange­nom­mene eigent­li­che Ziel der „Errich­tung eines kom­mu­nis­ti­schen Regimes in der Bun­des­re­pu­blik“.
Ange­sichts eine auf­merk­sa­men inter­na­tio­na­len Öffent­lich­keit gibt es rela­tiv milde Stra­fen. Ober­hof bekommt 3 Monate, Wohl­rath 6 Monate, Diehl 1 Jahr, Eckert 9 Monate, Thie­fes 5 Monate, Kom­palla 500 Mark Strafe. Alle Stra­fen zur Bewäh­rung, auch die von Diehl, für den indes eine nach­träg­li­che Ver­hand­lung not­wen­dig wird. Frau Hoer­eth-Menge stirbt 10 Tage nach der Urteils­ver­kün­dung.
Am 8. April 1960 wer­den die Urteile gegen die Ange­hö­ri­gen des Frie­dens­ko­mi­tees der BRD in Düs­sel­dorf ver­kün­det. Die Rechts­an­wälte Walt­her Ammann, Diet­her Pos­ser, Fried­rich Karl Kaul, der bri­ti­sche Kron­an­walt Denis Nowell Pritt und Hein­rich Han­no­ver kön­nen sich mit ihrem Ver­such, die von der Anklage kri­ti­sier­ten Aus­sa­gen über die „Remi­li­ta­ri­sie­rung der Bun­des­re­pu­blik“ durch offi­zi­elle Doku­mente der Poli­tik zu bele­gen, nicht durch­set­zen. Die Beweis­an­träge wer­den fast voll­stän­dig abge­lehnt, so dass sich das Gericht bei sei­ner Urteils­fin­dung letzt­end­lich von vagen Behaup­tun­gen der „Offen­kun­dig­keit“ lei­ten läßt (z.B.: es sei offen­kun­dig, dass die Bun­des­re­gie­rung die Grund­sätze der fried­li­chen Koexis­tenz nicht ablehne). Auch renom­mierte Ent­las­tungs­zeu­gen, zu denen u. a. Gus­tav Hei­ne­mann und Mar­tin Niem­öl­ler gehö­ren, kön­nen das Urteil nicht ver­hin­dern. Als Erfolg indes darf gewer­tet wer­den, dass die Ange­klag­ten bis auf Wal­ter Diehl, der ein Jahr Gefäng­nis erhält, nur zu Bewäh­rungs­stra­fen ver­ur­teilt wer­den. Der Pro­zess erregt im Aus­land gro­ßes Auf­se­hen, ist doch die Bun­des­re­pu­blik neben Spa­nien unter Franco das ein­zige Land, das die Arbeit der Sek­tio­nen des Frie­dens­ko­mi­tees behindert.

Am Oster­mon­tag 1960 endet der erste Oster­marsch mit rund 1200 Teil­neh­mern beim Trup­pen­übungs­platz Ber­gen-Hohne. Danach wer­den in Han­no­ver für 1961 wei­tere Oster­mär­sche ver­ab­re­det. Die jähr­li­che Teil­neh­mer­zahl steigt bis 1968 auf 300.000 an. Zuletzt wer­den die Oster­mär­sche unter dem Namen „Kam­pa­gne für Demo­kra­tie und Abrüs­tung“ orga­ni­siert. Ende der sech­zi­ger Jahre drängt sich der Viet­nam­krieg ins öffent­li­che Bewusst­sein und sorgt für eine starke Pro­test­be­we­gung, die eine eigene Dar­stel­lung ver­dient hätte.
Die Zahl der Kriegs­dienst­ver­wei­ge­rer steigt in den sech­zi­ger Jah­ren dra­ma­tisch an.

Mit­tel­stre­cken­ra­ke­ten
Mir geht es zuletzt um den Dop­pel­be­schluss der NATO vom 12. Dezem­ber 1979. Die NATO will 198 neue mit Atom­spreng­köp­fen bestückte Mit­tel­stre­cken­ra­ke­ten vom Typ Pers­hing II und 464 Marsch­flug­kör­per in West­eu­ropa auf­stel­len. Dage­gen rich­tet sich der Kre­fel­der Appell vom 16. Novem­ber 1980. Die Bun­des­re­gie­rung wird auf­ge­for­dert, ihre Zustim­mung zur Sta­tio­nie­rung von Pers­hing-II-Rake­ten und Marsch­flug­kör­pern in Mit­tel­eu­ropa zurück­zu­zie­hen. Schon nach sechs Mona­ten hat­ten rund 800.000 Men­schen den Appell unter­schrie­ben, bis 1983 sogar über vier Mil­lio­nen. Selbst­ver­ständ­lich leh­nen die im Bun­des­tag ver­tre­te­nen Par­teien den Appell ab. Häu­fig mit Hin­weise auf den Ein­fluss der DKP in der Kam­pa­gne.
Indes sind diese Hin­weise sach­lich rich­tig. Ich kann mich an eine Düs­sel­dor­fer Kreis­vor­stands­sit­zung vom 7. Januar 1981 erin­nern. Nach einem Refe­rat über die inter­na­tio­nale Lage und die Rake­ten wurde das Kon­zept bera­ten. Es ging um die Pla­nung kon­kre­ter Zah­len bei der Samm­lung von Unter­schrif­ten zum Kre­fel­der Appell. Zu die­sem Zeit­punkt reich­ten uns noch 15.000. Spä­ter wur­den es 40.000. Sie waren Anlass zur Grün­dung von Frie­dens­grup­pen, zunächst stadt­teil­be­zo­gen, dann auch berufs­be­zo­gen. 1983 gab es 40 Frie­dens­grup­pen in Düs­sel­dorf. Aber ich weiß, dass die DKP in Köln nicht ande­res vor­ge­gan­gen ist.
Der Ver­lag Pahl-Rugen­stein ver­brei­tet damals den Text des Pen­ta­gon-Stra­te­gen Colin S. Gray. Der glaubt, in einem Atom­krieg durch einen Über­ra­schungs­an­griff die Chance zur Zer­stö­rung der sowje­ti­schen Kom­man­do­zen­tra­len zu haben und sowje­ti­sche Ver­gel­tungs­schläge auf Europa begren­zen zu kön­nen. 1983 ver­kün­det US-Prä­si­dent Ronald Rea­gan seine Stra­te­gic Defense Initia­tive (SDI), die dar­auf hin­aus­läuft, das Ter­ri­to­rium der USA mit Hilfe von Anti-Rake­ten-Rake­ten und welt­raum­ge­stütz­ten Las­er­waf­fen unver­wund­bar zu machen.
In den DGB-Gewerk­schaf­ten wächst die Ableh­nung des soge­nann­ten Nach­rüs­tungs­be­schlus­ses. Immer stär­ker wird der Ruf nach Abrüs­tung bzw. Kon­ver­sion der Rüs­tungs­pro­duk­tion.
Am 10. Okto­ber 1981 demons­trie­ren im Bon­ner Hof­gar­ten mehr als 300.000 Men­schen fried­lich gegen Atom­waf­fen. Die Pol­zei hatte den Ein­zel­han­del gewarnt. Viele Läden nageln ihre Schau­fens­ter mit Bret­tern zu. Bei spä­te­ren Frie­dens­de­mons­tra­tio­nen in Bonn sind der­ar­tige Ängste nicht mehr wahr­zu­neh­men.
Am 25. Okto­ber 1981 demons­trie­ren 200.000 Men­schen in Brüs­sel, am 21. Novem­ber 400.000 Men­schen in Ams­ter­dam. Anläss­lich eines Staats­be­su­ches von US-Prä­si­dent Ronald Rea­gan wird wie­der mas­sen­haft demons­triert, allein am 10. Juni 1982 fin­den sich auf den Bon­ner Rhein­wie­sen 500.000 Men­schen ein. Fast die Hälfte mei­nes Kol­le­gi­ums ist dabei. Auf den Auto­bah­nen rund um Bonn stauen sich immer noch ankom­mende Busse, als die Demons­tra­tion selbst schon been­det ist.
Am 22. Okto­ber 1983 demons­trie­ren in Bonn, Ber­lin, Ham­burg sowie zwi­schen Stutt­gart und Ulm ins­ge­samt 1,3 Mil­lio­nen Men­schen. Zwi­schen Stutt­gart und Ulm ent­steht eine durch­ge­hende Men­schen­kette. Wei­tere Groß­de­mons­tra­tio­nen fol­gen in Brüs­sel (am 23. Okto­ber 1983, mit 400.000 Men­schen) und in Den Haag (am 29. Okto­ber 1983, mit 550.000 Men­schen).
Als im Huns­rück 1986 – von US-Streit­kräf­ten bewacht – 96 abschuss­be­reite Cruise Mis­siles mit Atom­spreng­köp­fen sta­tio­niert wer­den, gip­felt der Pro­test der Bevöl­ke­rung am 11. Okto­ber 1986 in der größ­ten Demons­tra­tion im Huns­rück. Rund 200.000 Men­schen pro­tes­tie­ren.
Die Frie­dens­be­we­gung führt unter ande­rem 1980 zur Grün­dung der Par­tei der Grü­nen.
Wich­tig ist aber auch, ohne die Frie­dens­be­we­gung hätte es den INF-Ver­trag (Inter­me­diate Range Nuclear Forces-Ver­trag) von 1987 nicht gege­ben. Der Ver­trag ver­bie­tet den Ver­trags­par­teien erst­mals kom­plette Waf­fen­ka­te­go­rien. Der Ver­trag ist zwi­schen der Sowjet­union und den Ver­ei­nig­ten Staa­ten von Ame­rika geschlos­sen wor­den. Es ist der bis dahin strik­teste und genau­este Ver­trag zur Kon­trolle von Atom­waf­fen und sieht vor, boden­ge­bun­dene Mit­tel­stre­cken­ra­ke­ten und Marsch­flug­kör­per der Reich­weite 500 bis 5.000 Kilo­me­ter voll­stän­dig zu ver­nich­ten. Bereits sta­tio­nierte Sys­teme, die Ope­ra­ti­ons­in­fra­struk­tur und Pro­duk­ti­ons­ba­sis sol­len inner­halb von drei Jah­ren nach Inkraft­tre­ten zer­stört wer­den. Wei­ter­hin wer­den sowohl der Besitz, als auch die Benut­zung sol­cher Waf­fen grund­sätz­lich unter­sagt. Im April und Mai 1991 geben die USA und Russ­land bekannt, dass sie alle Inter­me­diate Range Nuclear Wea­pons ver­nich­tet haben, ins­ge­samt 2,692 Marsch­flug­kör­per.
Aber am 1. Februar 2019 erklä­ren die USA offi­zi­ell den Aus­stieg aus dem INF-Abrüstungsvertrag.

In die­ser kur­zen Dar­stel­lung der Geschichte der Frie­dens­be­we­gung fehlt eini­ges. Etwa die Wir­kun­gen von Kuba­krise und SPIE­GEL-Affäre 1962 auf die öffent­li­che Dis­kus­sion über Atom­be­waff­nung. Vor allem feh­len die Aktio­nen gegen den Golf­krieg 199091 und den NATO-Krieg gegen Jugo­sla­wien, der im Früh­jahr 1999 in einen wochen­lan­gen Bom­ben­krieg gegen Rest­ju­go­sla­wien mündete.

Aber an eine der größ­ten Aktio­nen will ich noch erin­nern. Sie rich­tete sich gegen den dro­hen­den Irak­krieg 2003. Am 15. Februar 2003 demons­trier­ten, koor­di­niert in einer welt­wei­ten Kam­pa­gne des Euro­päi­schen Sozi­al­fo­rums, neun bis zehn Mil­lio­nen Men­schen. Die Mani­fes­ta­tio­nen fan­den in vie­len Groß­städ­ten statt, u. a. in Lon­don, Rom, Madrid und Bar­ce­lona. In Ber­lin war eine halbe Mil­lion Men­schen auf der Straße.
Sie konn­ten aber die USA nicht von ihrem den Krieg gegen den Irak abhal­ten. Er begann am 20. März 2003.

Klaus, MV der DKP Köln Innen­stadt, 30. Sep­tem­ber 2024


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