Armut in den USA

Refe­rat über Armut und sozia­les Elend in den USA

Schlaf­ver­bot für Obdach­lose
Der Supreme Court hat am 28. Juni 2024 Gesetze für ver­fas­sungs­ge­mäß erklärt, die Obdach­lo­sen die Über­nach­tung im Freien ver­bie­ten. Sie dür­fen keine Kis­sen, Decken oder Papp­kar­tons an öffent­li­chen Orten ver­wen­den. Der höchste Gerichts­hof der Ver­ei­nig­ten Staa­ten gab damit der Stadt­ver­wal­tung des klei­nen Ortes Grants Pass (40.000 Ein­woh­ner) im US-Bun­des­staat Ore­gon in letz­ter Instanz Recht. Sie hatte Maß­nah­men gegen Obdach­lo­sen­camps in öffent­li­chen Parks ein­ge­führt. Das Argu­ment, wonach ein Ver­bot von Obdach­lo­sen­camps eine „grau­same Bestra­fung“ dar­stelle, wies das Gericht zurück. Wer gegen die Vor­schrif­ten ver­stößt, muss mit Geld­stra­fen in Höhe von meh­re­ren hun­dert Dol­lar und bei Wie­der­ho­lung auch mit Gefäng­nis­stra­fen rechnen.

Walk of Fame
Das Urteil ist ganz aktu­ell und hatte noch kei­nen Ein­fluss auf das fol­gende Ereig­nis.
Der Schau­spie­ler Mark Ruf­falo wurde für seine Rolle in dem Spiel­film „Poor Things“ für einen Oscar nomi­niert. Das hatte am 8. Februar 2024 die übli­che Ehrung zur Folge. Für den Schau­spie­ler wurde der 2.772. Stern auf dem „Walk of Fame“ ent­hüllt.
Zuvor indes musste der Platz, wenn man einem Bericht der FAZ vom 12. Februar glau­ben darf, stun­den­lang auf­ge­hübscht wer­den. Man ver­jagte die Obdach­lo­sen, die an der Kreu­zung von Hol­ly­wood Bou­le­vard und High­land Ave­nue über­nach­tet hat­ten. Ihre Hin­ter­las­sen­schaf­ten wur­den weg­ge­spült. Dann konnte die Bühne für Ruf­falo und seine Lob­red­ner auf­ge­baut wer­den. Hin­ter der Bühne wurde die Fens­ter­front des leer­ste­hen­den Hol­ly­wood First Natio­nal Buil­ding ver­hüllt. Schad­hafte Boden­plat­ten bedeckte ein roter Teppich.

Leer­stand
Es ist nicht sicher, ob das Hoch­haus der Hol­ly­wood First Natio­nal Bank noch Büro-Eta­gen zu ver­mie­ten hatte. Aber es zählt zu den Pro­blem-Immo­bi­lien. Schon seit eini­gen Mona­ten waren die Preise von Gewerbe-Immo­bi­lien dra­ma­tisch gesun­ken. Inner­halb von 12 Mona­ten um 12,1 Pro­zent. Bei uns und in den USA. Hohe Leer­stands­quo­ten ver­ur­sach­ten Preis­stürze und gefähr­de­ten Ban­ken.
Schon im Früh­jahr zuvor hatte es am Finanz­markt erheb­lich gerap­pelt. Die Sili­con Val­ley Bank (SVB) musste plötz­li­che Ver­luste im Umfang von 1,8 Mil­li­ar­den Dol­lar beim Ver­kauf von Wert­pa­pie­ren ver­zeich­nen und wurde zah­lungs­un­fä­hig. Dar­auf­hin über­nahm die US-ame­ri­ka­ni­sche Absi­che­rungs- und Auf­sichts­be­hörde die Kon­trolle über das Finanz­in­sti­tut. Und die SVB blieb nicht die ein­zige Bank, die geret­tet wer­den musste.

Skid Row
Der „Walk of Fame“ gleicht mitt­ler­weile weni­ger einer Ruh­mes­halle als einem her­un­ter­ge­kom­me­nen S‑Bahnhof. Die Gegend wird all­tags von Dro­gen­han­del und Klein­kri­mi­na­li­tät behel­ligt. Neben Down­town und Skid Row, mit etwa 15.000 Obdach­lo­sen eine der größ­ten Zelt­städte der Ver­ei­nig­ten Staa­ten, gehört Hol­ly­wood laut FAZ zu den gefähr­lichs­ten Gegen­den in Los Ange­les. Offen­bar möchte die FAZ mit dem Adjek­tiv „gefähr­lich“ vor der Kri­mi­na­li­tät dort war­nen und weni­ger vor den gesund­heit­li­chen Gefah­ren, denen Obdach­lose aus­ge­setzt sind. Tat­säch­lich kon­zen­triert sich in Los Ange­les mit 60.000 Obdach­lo­sen die Obdach­lo­sig­keit.
Für das Bür­ger­tum ist aber nicht die Obdach­lo­sig­keit die Gefahr, son­dern der Obdach­lose. US-weit lag im Januar 2023 die offi­zi­elle Zahl der Obdach­lo­sen nach Anga­ben des Minis­te­ri­ums für Woh­nungs­bau bei einem Rekord­stand von lan­des­weit 653.100 – eine Zunahme um zwölf Pro­zent im Ver­gleich zum Vorjahr.

Skid Row (= Rutsch­bahn) bezeich­net ein Gebiet von 50 Wohn­blocks öst­lich von Hol­ly­wood inmit­ten der Innen­stadt von Los Ange­les. Seit Jahr­zehn­ten wird das Vier­tel von Men­schen geprägt, die auf der Straße leben. Im Jahr 2017 brach in der Gegend eine Hepa­ti­tis-Epi­de­mie aus, die auch in andere Stadt­teile über­schwappte. Hier zu leben, ist unge­sund. Wohn­ung­lose wer­den nicht alt. Street­wor­ker kari­ta­ti­ver Orga­ni­sa­tio­nen ver­su­chen, etwas Essen anzu­bie­ten und eine mini­male Gesund­heits­ver­sor­gung auf­recht zu erhal­ten.
Der rapide Anstieg von Zwangs­räu­mun­gen und Obdach­lo­sig­keit kor­re­liert mit dem wach­sen­den Leer­stand von Büros und Woh­nun­gen. Eine Hel­fe­rin klagt: Wenn wir es schaf­fen, 200 Obdach­lose in städ­ti­schen Not­un­ter­künf­ten unter­zu­brin­gen, sind im glei­chen Zeit­raum wie­der 220 Woh­nun­gen zwangs­ge­räumt wor­den.
Im rei­chen Kali­for­nien ist die Woh­nungs­not beson­ders groß. Laut amt­li­cher Zäh­lung haben rund 115.000 Men­schen keine feste Bleibe. Die Lebens­kos­ten sind immens hoch, für eine Ein­raum­woh­nung in Los Ange­les wer­den gerne 2.000 US Dol­lar an Miete im Monat ver­langt. Aber jede Stadt in den USA hat ihre eigene Skid Row. In Los Ange­les gibt es sie schon seit 1914.

Zwangs­räu­mun­gen
Oft reicht ein ein­zi­ger medi­zi­ni­scher Not­fall, um mit der Miete in Ver­zug zu gera­ten.
Zunächst hel­fen viel­leicht Freunde. Wenn die das Sofa wie­der selbst benut­zen wol­len, kann vor­über­ge­hend das Auto als Woh­nung die­nen. Dann folgt aber schon der Bür­ger­steig.
Matthew Des­mond, Jahr­gang 1979, ist Pro­fes­sor für Sozio­lo­gie an der Uni Princeton/USA. Sein Buch „Armut – eine ame­ri­ka­ni­sche Kata­stro­phe“ ist im Mai auf deutsch erschie­nen. Es bie­tet eine Reihe von empi­ri­schen Daten, von denen sonst eher sel­ten zu lesen ist. Er schreibt, dass das Ein­kom­mens­ni­veau von Mie­tern in den USA in den letz­ten 20 Jah­ren sta­gniert. Infla­ti­ons­be­rei­nigt ist es sogar gefal­len, wäh­rend die Wohn­kos­ten in die Höhe geschos­sen sind.

„Die Durch­schnitts­miete stieg von 483 Dol­lar im Jahr 2000 auf 1216 Dol­lar im Jahr 2021. Die Ver­teue­rung betrifft alle Regio­nen des Lan­des. Im mitt­le­ren Wes­ten sind die Mie­ten seit 2000 um 112 Pro­zent gestie­gen, im Süden um 135 Pro­zent, im Nord­os­ten um 189 Pro­zent und im Wes­ten um 192 Pro­zent.“ (Des­mond, S. 77)

Es gibt Wohn­geld, aber nur jeder sechste Mie­ter, der die Kri­te­rien für Wohn­bei­hilfe erfüllt, erhält sie auch. Für die über­wie­gende Mehr­heit gibt es keine staat­li­che Unter­stüt­zung bei den Miet­kos­ten. Die meis­ten Fami­lien, die unter­halb der Armuts­grenze leben und zur Miete woh­nen, wen­den aktu­ell mehr als die Hälfte ihres Ein­kom­mens für Miete auf. Und sie zah­len sie, weil die Zwangs­räu­mung droht.
Die US-Regeln sind beson­ders mie­ter­feind­lich. Meist ist der Kün­di­gungs­grund eine ver­spä­tete Miet­zah­lung. Aber es geht auch ohne Grund. Der Ver­mie­ter über­mit­telt dem Mie­ter eine „pay or quit“-Benachrichtigung, also die Auf­for­de­rung, die fäl­lige Miete zu bezah­len oder aus­zu­zie­hen. Üblich ist eine Frist von drei bis fünf Tagen. Danach eröff­net der Ver­mie­ter ein Gerichts­ver­fah­ren. Es beginnt schon nach zwei bis drei Wochen und ist kos­ten­pflich­tig. Bis zu 300 Dol­lar wer­den fäl­lig. Nach Frist­ab­lauf wird die Fami­lie von der Poli­zei aus dem Gebäude eskor­tiert. Die Woh­nungs­ein­rich­tung lan­det auf dem Trot­toir, wenn sie nicht gleich in ein eben­falls kos­ten­pflich­ti­ges Lager ver­frach­tet wird.
Haupt­ur­sa­che von Woh­nungs­räu­mun­gen sind laut Des­mond pre­käre Löhne und ihre unre­gel­mä­ßige Aus­zah­lung. Die Kün­di­gung von Jobs macht in den USA ohne­hin wenig Umstände. Die von Räu­mung Betrof­fe­nen ver­lie­ren nicht nur ihr Zuhause. Die Kin­der müs­sen die Schule wech­seln, der Kon­takt zu Klas­sen­ka­me­ra­den, zu Freun­den, zu den Leh­rern ist abge­schnit­ten. Im Getüm­mel der Zwangs­räu­mung gehen häu­fig Gegen­stände ver­lo­ren.
Aber das Ver­fah­ren selbst bleibt in den Gerichts­ak­ten doku­men­tiert und belas­tet künf­tige Miet­ver­hält­nisse. Häu­fig hat die Zwangs­räu­mung den Job-Ver­lust zur Folge, häu­fi­ger als umge­kehrt, also dass nach dem Job-Ver­lust die Woh­nungs­kün­di­gung erfolgt. Pro Jahr wer­den mehr als 3,6 Mil­lio­nen Räu­mungs­be­scheide an Türen gehef­tet oder per­sön­lich aus­ge­hän­digt (Des­mond, S. 24).

Die Bestra­fung der Armen
Obdach­lose erle­ben häu­fig Fest­nah­men. Schon Ende des 19. und Anfang des 20. Jahr­hun­derts wur­den Ver­ord­nun­gen gegen Land­strei­che­rei erlas­sen, um Arme von Park­bän­ken und Stra­ßen­ecken ver­trei­ben zu kön­nen.
Des­mond:

„Laut den aktu­el­len Zah­len leben 5,5 Pro­zent der Bevöl­ke­rung in ‹tie­fer Armut›. Der Begriff bezeich­net das Armuts­ni­veau unter 50 Pro­zent der Armuts­grenze. Diese Grenze lag 2020 bei monat­lich 531 Dol­lar für Allein­ste­hende und 1091 Dol­lar für eine vier­köp­fige Fami­lie. In die­sem Jahr leb­ten 18 Mil­lio­nen Ame­ri­ka­ner in tie­fer Armut und mehr als fünf Mil­lio­nen Kin­der unter die­sen Bedin­gun­gen. Das ist, umge­rech­net in Pro­zente, mehr als in jeder ande­ren Indus­trie­na­tion. Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler gehen davon aus, dass ein Mensch in den USA zum Über­le­ben rund vier Dol­lar am Tag benö­tigt – das ent­spricht der von der Welt­bank defi­nier­ten abso­lu­ten Armut, die in Indien und Ban­gla­desh mit ihren nied­ri­ge­ren Lebens­hal­tungs­kos­ten bei 1,90 Dol­lar liegt.“

„Von 1995 bis 2018 stieg die Zahl der Haus­halte, die Lebens­mit­tel­mar­ken bezie­hen und kein eige­nes Ein­kom­men ver­zeich­nen, von 289.000 auf 1,2 Mil­lio­nen, was rund zwei Pro­zent aller Ame­ri­ka­ner ent­spricht. Die Zahl der obdach­lo­sen Kin­der stieg von 794.617 im Jahr 2007 auf 1,3 Mil­lio­nen im Jahr 2018.“ (a.a.O. S. 25 f.)

Diese Zahl – 1,3 Mil­lio­nen obdach­lose Kin­der – steht in deut­li­chem Wider­spruch zur schon oben genann­ten amt­li­chen Obdach­lo­sen­zahl. Amt­lich wird eine Gesamt­menge von 653.100 Obdach­lo­sen gezählt. Offen­bar ver­schwin­den Obdach­lose in der Sta­tis­tik.
Des­mond schreibt:

„Die Ver­ei­nig­ten Staa­ten ver­ste­cken ihre Armen nicht nur unter Brü­cken und auf Cam­ping­plät­zen fernab aller beleb­ten Zen­tren, son­dern auch in Gefäng­nis­sen.“ (a.a.O. S. 27)

Noch im Jahr 1975 waren weni­ger als 380.000 Men­schen inhaf­tiert. Aber dann wuchs die Menge der Straf­ge­fan­ge­nen bis zum Jahr 2000 auf 1.931.000 an. Auf der Home­page der Bun­des­zen­trale für poli­ti­sche Bil­dung (bpb) schreibt Hea­ther Ann Thomp­son über die Gefäng­nis­na­tion USA (Aus Poli­tik und Zeit­ge­schichte ) (ApuZ, Okto­ber 2021):

„2.068.800 Men­schen ver­bü­ßen in Bun­des- oder bun­des­staat­li­chen Gefäng­nis­sen eine Haft­strafe, das ent­spricht einer Inhaf­tie­rungs­rate von 629 pro 100.000 Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­ner. Dar­über hin­aus ste­hen fast 7 Mil­lio­nen Men­schen unter staat­li­cher Auf­sicht, nach­dem sie das Gefäng­nis wie­der ver­las­sen haben oder zu einer Frei­heits­strafe auf Bewäh­rung ver­ur­teilt wur­den. Schät­zun­gen zufolge sind der­zeit über 80 Mil­lio­nen Ame­ri­ka­ne­rin­nen und Ame­ri­ka­ner vor­be­straft, was in den USA bedeu­tet, dass es ihnen nahezu unmög­lich ist, Arbeit oder eine Woh­nung zu fin­den, und auch die Aus­sich­ten auf finan­zi­elle Unter­stüt­zung bei Wei­ter­bil­dungs­maß­nah­men sind gering.
Bei den Inhaf­tier­ten han­delt es sich über­wie­gend um Peo­ple of Color. Ihr Anteil unter den Häft­lin­gen ist weit­aus höher als ihr Anteil an der Gesamt­be­völ­ke­rung. So berich­tet die Orga­ni­sa­tion Sen­ten­cing Pro­ject: ‹Für Schwarze Män­ner ist die Wahr­schein­lich­keit einer Inhaf­tie­rung sechs­mal höher als für weiße Män­ner, für Lati­nos ist sie um das 2,5‑Fache erhöht. Bei Schwar­zen Män­nern in der Alters­gruppe zwi­schen 30 und 40 befin­det sich etwa jeder Zwölfte in Haft.› Dar­über hin­aus stam­men die Inhaf­tier­ten über­pro­por­tio­nal häu­fig aus der Gruppe der US-Bevöl­ke­rung, die von allen Ein­woh­ne­rin­nen und Ein­woh­nern des Lan­des über die gerings­ten Mit­tel verfügt.“

Aber als Gefan­gene ler­nen sie, dass Armut kri­mi­nell ist. Sie sol­len ihr Ver­hal­ten kor­ri­gie­ren.
Eine wei­tere Folge des exzes­siv aus­grei­fen­den Straf­voll­zugs ist: Fast sechs Mil­lio­nen US-Ame­ri­ka­ne­rin­nen und Ame­ri­ka­ner haben wegen ihrer Ver­ur­tei­lung zeit­wei­lig oder für immer ihr Stimm­recht ver­lo­ren.
Für die Autorin ist indes­sen kein Thema, dass das US-Gefäng­nis­sys­tem weit­ge­hend pri­va­ti­siert ist.
1983 wurde in Chat­ta­nooga, Ten­nes­see, auf Geheiß der Ein­wan­de­rungs­be­hörde und im Rah­men einer Rundum-Pri­va­ti­sie­rungs-Initia­tive, initi­iert von der Regie­rung Rea­gan und geför­dert von neo­kon­ser­va­ti­ven Denk­fa­bri­ken im Ver­ein mit gro­ßen Wall­street-Mak­ler­fir­men wie Mer­rill Lynch, Pru­den­tial-Bache und She­ar­son Leh­mann Brot­hers, die darin eine Gold­grube für phan­tas­ti­sche Gewinne sahen, mit dem Bau des ers­ten kom­mer­zi­ell betrie­be­nen Gefäng­nis­ses des Lan­des begon­nen. Seit­her hat die Zahl der Plätze im pri­vat­wirt­schaft­li­chen Straf­voll­zug explo­si­ons­ar­tig zuge­nom­men (siehe Loic Wac­quant, Bestra­fen der Armen, Opla­den 2009, S.180 f).
Zur heu­ti­gen Gefäng­nis­in­dus­trie gehört die Firma Core­Ci­vic Inc., ehe­mals Cor­rec­tions Cor­po­ra­tion of Ame­rica (CCA). Das Unter­neh­men betreibt laut Wiki­pe­dia zur Zeit über 60 Anstal­ten in den USA, wovon sich 44 im Besitz des Unter­neh­mens befin­den. In die­sen Anstal­ten wer­den 75.000 Insas­sen von über 17.000 Mit­ar­bei­tern betreut. Gegrün­det wurde das Untet­neh­men 1983. Seit­dem hat es sich, neben der Manage­ment and Trai­ning Cor­po­ra­tion und der GEO Group, zu dem größ­ten ame­ri­ka­ni­schen Dienst­leis­ter in der Gefäng­nis­in­dus­trie ent­wi­ckelt.
Die GEO Group gibt es seit 1984. Sie betreibt eben­falls pri­vate Gefäng­nisse, aber auch psych­ia­tri­sche Ein­rich­tun­gen. Das Unter­neh­men ist in den Ver­ei­nig­ten Staa­ten, in Kanada, im Ver­ei­nig­ten König­reich und in Süd­afrika tätig und ver­fügt über 118 Anstal­ten welt­weit. In denen wer­den zur­zeit unge­fähr 81.000 Insas­sen von über 17.000 Mit­ar­bei­tern betreut. Im Jahr 2010 über­nahm GEO die Firma Cor­nell Com­pa­nies, eben­falls ein gro­ßes Gefäng­nis­un­ter­neh­men.
Die USA hat­ten im Jahr 2019 mit 629 Häft­lin­gen pro 100.000 Ein­woh­ner die welt­höchste Inhaf­tie­rungs­rate (Wiki­pe­dia).
Zum Ver­gleich: In bun­des­deut­schen Haft­an­stal­ten schmach­ten 71 Häft­linge pro 100.000 Ein­woh­ner.
Am 8. Februar 2016 berich­tete der Weltspiegel/ARD vom US-Gefäng­nis­we­sen. Eine Text­stelle lau­tet:
Alex Fried­man hat ein­ge­ses­sen, acht Jahre wegen schwe­ren Rau­bes. Heute ist er ein Akti­vist und kri­ti­scher Aktio­när. Er hat hier Anteile an kom­mer­zi­el­len Gefäng­nis­un­ter­neh­men gekauft, um so von innen Druck auf Fir­men und Inves­to­ren zu machen. Er sagt: „Diese Gefäng­nis­un­ter­neh­men han­deln aso­zial. Sie haben kein Inter­esse an Reso­zia­li­sie­rung. Sie wol­len solange wie nur mög­lich mög­lichst viele Straf­ge­fan­gene weg­schlie­ßen, denn daran ver­die­nen sie.“
Die Sträf­lings­ar­beit wird je nach Bun­des­staat mit 14 Cent bis 1,41 Dol­lar pro Stunde bezahlt. (a.a.O. S. 27)

Ver­gleich
Jan Priewe, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für Volks­wirt­schafts­lehre an der Hoch­schule für Tech­nik und Wirt­schaft Ber­lin (HTW Ber­lin), hat die Arbeits- und Lebens­be­din­gun­gen in Deutsch­land und den USA ver­gli­chen. Seine Unter­su­chung bezieht sich auf das Jahr 2022. Ver­öf­fent­licht hat sie Ende Januar 2024 das Insti­tut für Makro­öko­no­mie und Kon­junk­tur­for­schung (IMK) der gewerk­schafts­na­hen Hans-Böck­ler-Stif­tung. Ihr zufolge sei die Lage hier­zu­lande bei 10 von 15 wich­ti­gen öko­no­mi­schen und sozia­len Kenn­grö­ßen bes­ser als in den USA.
Aber zunächst scheint sich die volks­wirt­schaft­li­che Gesamt­rech­nung zu bestä­ti­gen: Das Brut­to­in­lands­pro­dukt (BIP) pro Kopf war 2022 in den USA 57 Pro­zent höher als in Deutsch­land. Rech­net man mit Kauf­kraft­pa­ri­tä­ten statt dem Wech­sel­kurs, liegt der US-Vor­sprung beim BIP pro Kopf immer noch bei 21 Pro­zent.
Prie­wes Ana­lyse zufolge ver­die­nen ame­ri­ka­ni­sche Beschäf­tigte am Ende pro Jahr zwar durch­schnitt­lich 5,3 Pro­zent mehr als deut­sche. Aller­dings müs­sen sie auch deut­lich mehr arbei­ten und kom­men im Schnitt auf jähr­lich 1811 Arbeits­stun­den, wäh­rend es hier­zu­lande 1341 sind. Als Gründe dafür nennt die Stu­die unter ande­rem mehr Urlaubs­an­spruch, aber auch die höhere Teil­zeit­quote in Deutsch­land. Allein bei den Wohn­ver­hält­nis­sen und bei Bil­dung und Erzie­hung schei­nen die USA leicht im Vor­teil zu sein. Aller­dings sind laut Priewe die Daten nicht ganz ein­deu­tig. Vor allem ver­mei­det die Stu­die nicht immer die Falle, in die gerät, wer aus­ein­an­der­klaf­fende Erschei­nun­gen sta­tis­tisch über einen Kamm schert und dadurch beschö­nigt. Etwa wenn die deut­lich grö­ßere Wohn­flä­che je Ein­woh­ner in den USA zum bun­des­deut­schen Wohn­flä­chen­durch­schnitt ins Ver­hält­nis gesetzt wird, ohne Rück­sicht auf die Ver­tei­lung. Auch in den USA leben arme Leute in beeng­ten Ver­hält­nis­sen.
Dazu sind auch die Wohn­ver­hält­nisse in Trai­ler­parks zu zäh­len. Nach Anga­ben ihrer Inter­es­sen­ver­tre­tung leben von den 335 Mil­lio­nen Ein­woh­nern der USA 17 Mil­lio­nen Men­schen in Wohn­wa­gen­sied­lun­gen. Schät­zun­gen der Zen­sus­be­hörde gehen sogar von über 20 Mil­lio­nen aus. Sie ver­tei­len sich auf 6,8 Mil­lio­nen Wohn­wa­gen und Mobil­heime. Die Welt­spie­gel-Schät­zung (ARD, 7. April 2024), dass 6 Pro­zent in Trai­ler­parks woh­nen, ist also rea­lis­tisch.
Die Obdach­lo­sig­keit scheint gerin­ger als in Deutsch­land, trotz der wesent­lich höhe­ren Armuts­ra­ten in den USA. Laut Sta­tista vom 2. April 2024 beträgt die Armuts­quote in den USA im Jahr 2022 rund 11,5 Pro­zent. Ein Jahr zuvor seien es noch rund 11,6 Pro­zent gewe­sen.
Des­mond zählt im Vor­wort sei­nes Buches 38 Mil­lio­nen Men­schen, die ihre Grund­be­dürf­nisse nicht befrie­di­gen kön­nen.
In der Bun­des­re­pu­blik wird indes nicht die Armut gemes­sen, son­dern die soge­nannte Armuts­ge­fähr­dung. Nach dem von der EU gesetz­ten Stan­dard liegt deren Grenze bei 60 Pro­zent des mitt­le­ren bedarfs­ge­wich­te­ten Ein­kom­mens der Bevöl­ke­rung in Pri­vat­haus­hal­ten. Für einen Ein­per­so­nen­haus­halt waren das im Jahr 2022 1.189 Euro. Die Quote der deut­schen Armuts­ge­fähr­dung liegt laut Sta­tista bei 14,4 Pro­zent. Das sind die regie­rungs­amt­li­chen Zahlen.

In der Priewe-Stu­die kom­men einige für die USA vor­teil­hafte The­men­fel­der vor. Sie bezie­hen sich in der Regel auf das wohl­ha­bende Fünf­tel der Haus­halte. Das macht den ent­schei­den­den Unter­schied im Ver­hält­nis zu Deutsch­land aus, gilt aber auch noch für das nächste Fünf­tel. Umso schlech­ter sind die bedürf­ti­gen letz­ten drei Fünf­tel ver­sorgt. Mehr Details gibt die Pres­se­mit­tei­lung zur Stu­die nicht her, aber sie reicht für die Fest­stell­tung, dass in den USA die Unter­schiede deut­li­cher sind, die Lohn­ab­hän­gig­keit frag­men­tier­ter. Die Ein­kom­mens­schere klafft wei­ter aus­ein­an­der.
Unter­des­sen schärft ein wei­te­rer Befund die­ses Bild. Ich ent­nehme ihn der FAZ vom ver­gan­ge­nen Frei­tag (23. August, Autor Winand von Peters­dorff). „Auf­wärts­mo­bi­li­tät, Wohl­stand, Gefäng­nis­stra­fen und die Wahr­schein­lich­keit, einen Ehe­part­ner zu fin­den, hän­gen davon ab, ob der Bür­ger einen Hoch­schul­ab­schluss erlangt oder ob er ver­sucht, direkt nach der Schule ins Arbeits­le­ben ein­zu­mün­den. In bru­ta­ler Deut­lich­keit zeigt die Kluft zwi­schen Schul­ab­gän­gern und Hoch­schul­ab­sol­ven­ten sich in der Sterb­lich­keit: Men­schen mit Col­lege­ab­schluss konn­ten zuletzt erwar­ten, 8,5 Jahre län­ger zu leben als jene zwei Drit­tel der ame­ri­ka­ni­schen Erwach­se­nen ohne Hoch­schul­ab­schluss.“ Eine wei­tere Stu­die zeige, dass dra­ma­tisch viele weiße Män­ner und Frauen an Selbst­mord, einer Dro­gen­über­do­sis oder an den Fol­gen von Alko­hol­miss­brauch ster­ben. Die hohe Arbeits­lo­sig­keit in den alten Indus­trie­re­vie­ren im Rost­gür­tel („rust belt“) gelte als eine wich­tige Ursache.

Der Volcker-Schock
Unter den bedürf­ti­gen drei Fünf­teln der Bevöl­ke­rung ver­brei­tet sich die Armut. Das ist haupt­säch­lich ein Resul­tat von Arbeits­lo­sig­keit, der Durch­set­zung pre­kä­rer Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisse und der Schwä­chung der Gewerk­schaf­ten. Zu Beginn der acht­zi­ger Jahre wur­den neo­li­be­rale Pro­gramme zunächst im Finanz­be­reich durch­ge­setzt.
Paul Volcker wurde 1979 Chef der Noten­bank der USA (FED). Er hob ange­sichts hoher Infla­tion die Zin­sen an. Der Hypo­the­kar­zins, für die meis­ten Ame­ri­ka­ner der wich­tigste Satz, klet­terte auf über 18 Pro­zent. Die Geschäfts­ban­ken gaben die erhöh­ten Zin­sen an die Indus­trie wei­ter. Danach gin­gen zahl­rei­che Betriebe bank­rott. Je höher ihre Schul­den, desto schnel­ler. Das führte prompt zu zwei auf­ein­an­der fol­gen­den ein­schnei­den­den Rezes­sio­nen. Mas­sen­ar­beits­lo­sig­keit lähmte die Gewerk­schaf­ten und ihre Fähig­keit, gegen die sta­gnie­ren­den Real­löhne zu kämp­fen.
Des­mond nennt Bei­spiele: 1981 erklär­ten 13.000 gewerk­schaft­lich orga­ni­sierte Flug­lot­sen die Ver­hand­lun­gen mit der Luft­fahrt­be­hörde für geschei­tert und leg­ten die Arbeit nie­der. Zitat:

„Prä­si­dent Rea­gan reagierte post­wen­dend und ent­ließ sie alle. In der Öffent­lich­keit regte sich kaum Pro­test, und die Unter­neh­men sahen, dass sie kom­pro­miss­los gegen Gewerk­schaf­ten vor­ge­hen konn­ten, ohne allzu gro­ßen Wider­stand befürch­ten zu müs­sen.
Im Jahr 1985 drückte der Lebens­mit­tel­kon­zern Hor­mel Foods die Stun­den­löhne sei­ner Fabrik­ar­bei­ter in Min­ne­sota von 10,69 auf 8,25 Dol­lar, sperrte die Strei­ken­den aus und stellte neue Arbei­ter ein. ‹Wenn der Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten Strei­kende ent­las­sen kann, dann muss das wohl salon­fä­hig sein›, meinte ein Kom­men­tar. Eine Bran­che nach der ande­ren folgte. Als die Glo­ba­li­sie­rung um sich griff und immer mehr Fabri­ken geschlos­sen wur­den, bra­chen die Gewerk­schaf­ten zusam­men, und die Arbeit­ge­ber sorg­ten dafür, dass sie sich nicht wie­der erhol­ten.“ (Des­mond, S. 59 f.)

Heute sind nur noch 10 Pro­zent aller Lohn­ar­bei­ten­den gewerk­schaft­lich orga­ni­siert. Das betrifft vor allem Feu­er­wehr­leute, Pfle­ge­kräfte, Poli­zei­be­amte und andere Mit­ar­bei­ter des Öffent­li­chen Diens­tes. In der Pri­vat­wirt­schaft ist die große Mehr­heit, näm­lich 94 Prozt­ent, nicht orga­ni­siert, auch wenn die Hälfte der dort Arbei­ten­den angibt, sie wür­den sich einer Gewerk­schaft anschlie­ßen, wenn sie die Mög­lich­keit hät­ten. Den Unter­neh­mern steht indes ein gan­zes Arse­nal von lega­len Metho­den zur Ver­fü­gung, kol­lek­tive Tarif­ver­hand­lun­gen zu unter­bin­den, Gewerk­schaf­ten zu spren­gen und Mit­ar­bei­ter unter Druck zu set­zen. Aber sie wen­den auch ille­gale Metho­den an, zum Bei­spiel wenn sie Mit­ar­bei­ter bestra­fen, die sich orga­ni­sie­ren wol­len, oder mit Schlie­ßung dro­hen. Laut Natio­na­ler Arbeits­be­hörde NLRB ver­stie­ßen in den Jah­ren 2016 und 2017 rund 42 Pro­zent der Arbeit­ge­ber wäh­rend der Kam­pa­gnen zur Gewerk­schafts­grün­dung gegen gel­ten­des Recht. In einem Drit­tel der Fälle ent­lie­ßen sie Arbeit­neh­mer, weil sie sich orga­ni­sie­ren woll­ten.
Aber in die­sem Früh­jahr, am 19. April, stimm­ten trotz der­ar­tig wid­ri­ger Bedin­gun­gen die Beschäf­tig­ten von Volks­wa­gen in Chattanooga/Tennessee mit über­wäl­ti­gen­der Mehr­heit für den Bei­tritt zur United Auto Workers (UAW). Ein Erfolg, der die Auto­ge­werk­schaft in ihren Bemü­hun­gen ermu­ti­gen dürfte, wei­ter Schritt für Schritt die Fabri­ken im Land zu organisieren.

Der Neo­li­be­ra­lis­mus pflügte die poli­ti­sche Land­schaft um, Arme wur­den ärmer und Wohl­ha­bende rei­cher. Die Spe­ku­la­tion blühte auf. Staat­li­ches Spa­ren wurde zur Regel, Welle auf Welle wurde pri­va­ti­siert, was zuvor öffent­li­che Dienst­leis­tung war. Wei­tere gesell­schaft­li­che Berei­che wur­den der Mehr­wert­pro­duk­tion unter­wor­fen. Gleich­zei­tig stie­gen die Schul­den im glo­ba­len Süden. Ange­sichts der Über­ak­ku­mu­la­tion schwärt die Über­pro­duk­ti­ons­krise wei­ter. Was sagen Marx und Engels? „wodurch über­win­det die Bour­geoi­sie die Kri­sen? Dadurch, dass sie all­sei­ti­gere und gewal­ti­gere Kri­sen vor­be­rei­tet und die Mit­tel, den Kri­sen vor­zu­beu­gen, ver­min­dert.“ (Kom­mu­nis­ti­sches Mani­fest, MEW 4, 468)

Gesund­heit
Über das US-ame­ri­ka­ni­sche Gesund­heits­we­sen haben wir uns vor eini­gen Jah­ren durch den Film Sicko von Michael Moore infor­miert. Das war sehr ein­drucks­voll. Moo­res Methode ist der Ver­gleich. Lei­der kom­men dabei die Gesund­heits­sys­teme in Kanada, Groß­bri­tan­nien und Frank­reich zu gut weg. Aber die Lage in den USA wird zutref­fend geschil­dert.
Michael Moore hatte sich vor den Dreh­ar­bei­ten per­sön­li­che Hor­ror­ge­schich­ten erbe­ten. Davon erhält er reich­lich, näm­lich 25.000 Mails. Er erfährt von Pati­en­ten, denen die not­wen­dige medi­zi­ni­sche Behand­lung ver­wei­gert wird, weil die Ver­si­che­rung die Bezah­lung ablehnt. Ver­si­che­rungs­an­ge­stellte berich­ten, dass sie ver­an­lasst wor­den sind, in den Anträ­gen nach unge­nann­ten Vor­er­kran­kun­gen zu suchen, um die Bezah­lung ver­wei­gern zu kön­nen. Im Film kom­men einige Bei­spiele vor. Die Ver­si­che­rung will nach einer Ope­ra­tion nicht bezah­len, weil eine Frau auf ihrem Antrags­for­mu­lar nicht ange­ge­ben hat, dass sie frü­her ein­mal eine Pilz­in­fek­tion hatte. Auch der skan­da­löse Raus­wurf von obdach­lo­sen Pati­en­ten aus Kran­ken­häu­sern in Los Ange­les ist Thema.
Moore unter­sucht den Ein­fluss von Lob­by­grup­pen. Hil­lary Clin­ton war die zweit­größte Emp­fän­ge­rin von Wahl­kampf­spen­den der Gesund­heits­in­dus­trie.
Er zeigt, wie frei­wil­li­gen Feu­er­wehr­leu­ten und ande­ren Ret­tungs­kräf­ten, die am 11. Sep­tem­ber 2001 im Staub des World Trade Cen­ters ihre Arbeit gemacht hat­ten und in der Folge an den Atem­we­gen erkrank­ten, von der Regie­rung die Erstat­tung der Behand­lungs­kos­ten ver­wei­gert wird. Grund: Sie waren ja nur als Frei­wil­lige an den Auf­räu­mungs­ar­bei­ten betei­ligt. Mit eini­gen von ihnen fährt Michael Moore nach Kuba. Dort wer­den die erkrank­ten Feu­er­wehr­leute kos­ten­los behan­delt. Eine Kol­le­gin bricht in Trä­nen aus, als sie den Asthma-Spray, für den sie in den USA 120 Dol­lar bezah­len muss, in einer Apo­theke in Havanna zum Preis von 5 Cent erhält.
Für das Gesund­heits­sys­tem der USA wer­den laut Wiki­pe­dia etwa 1,8 Bil­lio­nen US-Dol­lar im Jahr auf­ge­wandt. Dies sind immer­hin 17 Pro­zent der gesam­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Wirt­schafts­leis­tung und im Ver­gleich zu Deutsch­land nahezu das Dop­pelte pro Kopf. Aber rund 47 Mil­lio­nen Ame­ri­ka­ner, etwa 16 % der Gesamt­be­völ­ke­rung, sind nicht kran­ken­ver­si­chert. Hinzu kommt eine hohe Dun­kel­zif­fer von Migran­ten ohne Kran­ken­ver­si­che­rung. Für die Ver­si­cher­ten sind üblich: Papier­kriege, lange War­te­zei­ten, Ein­schrän­kun­gen bei der Arzt­aus­wahl und Zuzahlungen.

Die ZEIT berich­tete am 31. August 2022, dass die durch­schnitt­li­che Lebens­er­war­tung in den USA nach Anga­ben des Natio­na­len Zen­trums für Gesund­heits­sta­tis­tik in den Jah­ren zuvor so stark gesun­ken sei wie seit fast 100 Jah­ren nicht mehr. Wäh­rend US-Ame­ri­ka­ne­rin­nen und ‑Ame­ri­ka­ner 2019 durch­schnitt­lich 79 Jahre alt wur­den, waren es 2021 nur noch 76 Jahre. Allein im Jahr zuvor, also 2021, sank die Lebens­er­war­tung laut Berech­nung der Gesund­heits­be­hör­den CDC um elf Monate. Offen­bar zei­gen sich hier neben den Wir­kun­gen von Covid 19 die Män­gel des US-Gesund­heits­sys­tems. Laut Wiki­pe­dia lag die Lebens­er­war­tung 2022 wie­der bei 80,6 Jah­ren, damit aber welt­weit nur auf Platz 46. Als Gründe wer­den feh­lende Kran­ken­ver­si­che­run­gen und Adi­po­si­tas genannt. Die Lebens­er­war­tung der schwar­zen Bevöl­ke­rung liegt bei 73,3 Jahren.

Fen­ta­nyl
Bis zum Abzug der US-Armee aus Afgha­ni­stan im August 2021 wur­den dort jedes Jahr bis zu 10.000 Ton­nen Opium her­ge­stellt und aus­ge­führt. Danach brach die Pro­duk­tion von Opium dras­tisch ein. Das geht aus einem vom Büro der Ver­ein­ten Natio­nen für Dro­gen- und Ver­bre­chens­be­kämp­fung (UNODC) ver­öf­fent­lich­ten Bericht her­vor. Dem­nach ging die her­ge­stellte Menge des Schlaf­mohns seit dem im April 2022 ver­häng­ten Ver­bot um 95 Pro­zent zurück – von 6.200 auf 333 Ton­nen.
Indes­sen konnte Opium-Man­gel die Opioid-Krise in den USA nicht been­den. Denn an die Stelle von Oycon­tin trat Fen­ta­nyl. Es wird gänz­lich syn­the­tisch her­ge­stellt. Das starke Schmerz­mit­tel erhal­ten unter ande­rem Krebs­pa­ti­en­ten, wird aber auch ille­gal gehan­delt. Das syn­the­ti­sche Opioid wirkt 50 Mal stär­ker als Heroin.
Bis 2017 ver­diente das Phar­ma­un­ter­neh­men Pur­due mit dem Schmerz­mit­tel Oxy­con­tin laut US-Wirt­schafts­ma­ga­zin For­bes 35 Mil­li­ar­den US-Dol­lar. Der Ver­kaufs­er­folg hatte aber toxi­sche Wir­kun­gen. Bereits zwi­schen 1999 und 2008 stie­gen die Zahl der Todes­fälle durch Über­do­sen stark an. Waren es im Jahr 1999 etwa 4.000, stei­gerte sich die Zahl der Todes­fälle bis in das Jahr 2010 auf 16.000. 2017 gab es schon mehr als 28.000 Todes­op­fer. Bis 2020 sind 588.000 Men­schen in den USA an einer Über­do­sis von Opio­iden gestor­ben (= 70% von 841.000 Über­do­sis­op­fern, laut Daten der Cen­ters for Desease Con­trol and Pre­ven­tion – CDC – vom 25. März 2021). Unter­des­sen dürf­ten sich die Opioid-Todes­op­fer aktu­ell auf eine Mil­lion Men­schen sum­mie­ren.
Die Hälfte aller ame­ri­ka­ni­schen Män­ner im arbeits­fä­hi­gen Alter nimmt täg­lich Schmerz­mit­tel, bei zwei Drit­teln von ihnen sind es ver­schrei­bungs­pflich­tige Opio­ide. Des­mond berich­tet, dass die Firma Ama­zon in ihren Ver­sand­la­gern Auto­ma­ten auf­ge­stellt habe, aus denen sich die Mit­ar­bei­ter kos­ten­los Schmerz­ta­blet­ten zie­hen kön­nen (a.a.O. S. 22). Viele Abhän­gige wei­chen ange­sichts der hohen Preise für Oxy­con­tin auf Heroin oder Fen­ta­nyl aus. Seit 2016 liegt Fen­ta­nyl an der Spitze der Rang­liste. Es tötet unter­des­sen noch mehr Men­schen als Heroin oder rezept­pflich­tige Schmerz­kil­ler.
In man­chen Städ­ten ist ein Vier­tel der Bevöl­ke­rung abhän­gig und damit auch unfä­hig, zu arbei­ten oder sich um die Fami­lie zu küm­mern. Die Krise betrifft nach einem Bericht der Phar­ma­zeu­ti­schen Zei­tung (PZ) vom 2. Sep­tem­ber 2019 alle Alters­grup­pen und sozia­len Schich­ten.
Vor allem in China wer­den die Grund­stoffe her­ge­stellt. Dar­aus wird Fen­ta­nyl pro­du­ziert, häu­fig in Mexiko. Von dort kommt es auf Schmug­gel­we­gen in die USA. Das Ärz­te­blatt (7. August 2024) geht davon aus, dass jähr­lich 75.000 Men­schen in den USA an einer Fen­ta­nyl-Über­do­sis ster­ben.
Bei einem Besuch im Wei­ßen Haus in Washing­ton (Novem­ber 2023) ver­sprach Chi­nas Prä­si­dent Xi Jin­ping sei­nem Gast­ge­ber Joe Biden, gegen den ille­ga­len Fen­ta­nyl-Han­del vor­zu­ge­hen. China wird die Pro­duk­tion von Roh­stoffen für Fen­ta­nyl stär­ker kon­trol­lie­ren. Es wür­den drei wei­tere che­mi­sche Pro­dukte auf die Liste der bei Pro­duk­tion und Ver­kauf zu über­wa­chen­den Sub­stan­zen auf­ge­nom­men, teilte das Minis­te­rium für öffent­li­che Ord­nung mit. Für den Trans­port der Sub­stan­zen, die auf der Liste ste­hen, muss nun im Vor­feld eine Geneh­migung ein­ge­holt wer­den. Zudem wird der Ver­kauf ebenso wie zuvor schon die Pro­duk­tion streng kon­trol­liert. Die neuen Regeln sol­len am 1. Sep­tem­ber in Kraft tre­ten (Quelle: Ärzteblatt).

Kamala Har­ris im Wahl­kampf
Ange­sichts der explo­die­ren­den Armut macht Kamala Har­ris die Lebens­hal­tungs­kos­ten zum Kern­thema ihres Wahl­kampfs und ver­spricht die Sen­kung der Infla­tion. Zugleich cha­rak­te­ri­siert sie Donald Trump als Advo­kat der Mil­lio­näre. Sie will ein Bun­des­ge­setz gegen Preis­trei­be­rei in Super­märk­ten durch­set­zen.
Tat­säch­lich befür­wor­ten in einer Umfrage 81 Pro­zent der Befrag­ten die straf­recht­li­che Ver­fol­gung der Preis­trei­be­rei, das wol­len vor allem unab­hän­gige Wäh­ler, junge Wäh­ler und schwarze Wäh­ler. Sehr hohe Zustim­mung gibt es auch für Maß­nah­men, die den Haus­kauf bil­li­ger machen, ein­schließ­lich Steu­er­erleich­te­run­gen und Woh­nungs­bau­pro­gram­men. Har­ris› Ant­wort auf die Woh­nungs­not ist ein 3‑Mil­lio­nen-Woh­nun­gen-Pro­gramm. Sie stellt Fami­lien, die zum ers­ten Mal ein Haus kau­fen, 25.000 Dol­lar in Aus­sicht, damit sie den Eigen­an­teil beim Haus­kauf auf­brin­gen kön­nen. Größte Zustim­mung fin­det in der Umfrage der Hin­weis, dass die Regie­rung die Kos­ten für Insu­lin auf 35 Dol­lar im Monat und die Medi­ka­men­ten­kos­ten für Rent­ner in der staat­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung Medi­care gene­rell auf 2000 Dol­lar im Jahr limi­tiert hat. Dazu kom­men noch Preis­sen­kun­gen von zehn gän­gi­gen Medi­ka­men­ten, die 2026 für Rent­ner in Kraft tre­ten. Die Pro­gramme sol­len aus­ge­wei­tet wer­den, damit nicht nur Rent­ner pro­fi­tie­ren. (FAZ 19. August 2024)
Eigen­tums­fra­gen wer­den von Kamala Har­ris aber ver­mie­den. In der Außen­po­li­tik bleibt sie auf Bidens Linie. Von der Kür­zung der Rüs­tungs­aus­ga­ben, immer­hin geht die Hälfte des Bun­des­haus­halts ans Mili­tär, ist nicht die Rede.
Vor eini­gen Tagen (jW 17. August 2024) berich­tete die Presse, dass die United Auto Workers (UAW), mit rund 400.000 Mit­glie­dern größte Gewerk­schaft der USA, mit einer Kam­pa­gne die Kan­di­da­tur von Kamala Har­ris und Timo­thy Walz unter­stüt­zen werden.

Klaus, MV der DKP-Gruppe Innen­stadt
Köln, 26. August 2024

Refe­rat über Armut in den USA als PDF