Ausch­witz-Gedenk­tag 2024 Aso­ziale NS-Sozialpolitik

27. Januar – Gedenk­stunde für die Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus in der Antoniterkirche

«Nie­mand wurde zu Recht in einem Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger inhaf­tiert, gequält oder ermordet.» 

Mit die­sen Wor­ten erkannte der Bun­des­tag am 13. Februar 2020, also 75 Jahre nach Ende der NS-Dik­ta­tur, Tau­sende von Men­schen als NS-Opfer an, die bis dahin als soge­nannte «Aso­ziale» und «Berufs­ver­bre­cher» gegol­ten hat­ten. Für den Antrag auf Aner­ken­nung als Opfer stimm­ten die Regie­rungs­par­teien und die Oppo­si­ti­ons­frak­tio­nen, nur die AfD-Frak­tion ent­hielt sich.
Die Betrof­fe­nen wur­den in der Nach­kriegs­zeit über Jahr­zehnte aus der Ent­schä­di­gung und dem Geden­ken aus­ge­grenzt. Sie bekom­men bis heute nur sel­ten einen Stol­per­stein gesetzt. Für die meis­ten kommt jede Aner­ken­nung zu spät.

Bereits im Kai­ser­reich hat­ten Ämter und Poli­zei vie­len Men­schen, die spä­ter als «Aso­ziale» oder «Berufs­ver­bre­cher» ver­folgt wur­den, ein selbst­be­stimm­tes Leben ver­wehrt. Es kur­sier­ten schon «ras­sen­hy­gie­ni­sche» und kri­mi­nal­bio­lo­gi­sche Theo­rien wie die des «gebo­re­nen Ver­bre­chers». Ab 1933 bil­de­ten diese Vor­stel­lun­gen die Grund­lage der Arbeit der Wohl­fahrts­stel­len, des Gesund­heits­we­sens und der Kri­mi­na­lis­tik. Die fort­schritt­li­che Sozi­al­ar­beit, die in Köln z.B. die Lei­te­rin des Wohl­fahrts­am­tes Dr. Her­tha Kraus in der Wei­ma­rer Zeit ein­ge­führt hatte, wurde zunichtegemacht. 

Im Sep­tem­ber 1933 durch­kämm­ten Poli­zei und SA tage­lang Knei­pen, Nacht­asyle, öffent­li­che Orte wie den Haupt­bahn­hof und ver­haf­te­ten Per­so­nen ohne fes­ten Wohn­sitz. Beson­ders die Woh­nungs­lo­sen waren den Raz­zien schutz­los aus­ge­lie­fert. Eine beglei­tende Pres­se­kam­pa­gne zeich­nete das Zerr­bild «berufs­mä­ßi­ger Bett­ler», die nicht wirk­lich bedürf­tig seien, son­dern sich an Almo­sen berei­chern wür­den. Sie seien «Schäd­linge», von denen die «Volks­ge­mein­schaft» befreit wer­den müsse. Reichs­weit wur­den rund 10.000 Bettler*innen und Woh­nungs­lose verhaftet.

Ab 1937 sys­te­ma­ti­sier­ten Staat und Par­tei die Ver­fol­gung von armen oder unan­ge­pass­ten Men­schen, die nicht den Vor­stel­lun­gen der «deut­schen Volks­ge­mein­schaft» ent­spra­chen. Unter­halts­säu­mige, Woh­nungs­lose, Wan­der­ge­wer­be­trei­bende, Sucht­kranke, Frauen, die als Pro­sti­tu­ierte arbei­te­ten oder von den Behör­den für sol­che gehal­ten wur­den, konn­ten ohne Gerichts­ver­fah­ren durch die Kri­mi­nal­po­li­zei in Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger depor­tiert wer­den. Nach Mas­sen­ver­haf­tun­gen im Juni 1938 bil­de­ten die Fest­ge­nom­me­nen kurz­zei­tig die größte Häft­lings­gruppe in den KZ – erkenn­bar am schwar­zen («aso­zial») oder grü­nen (kri­mi­nell) Win­kel an der Häftlingskleidung.

Ein Bei­spiel für die «Säu­be­rungs­po­li­tik» der Nazis ist die Sanie­rung des Mar­tins­vier­tels, das zu einer geho­be­nen Wohn- und Geschäfts­ge­gend umge­stal­tet wer­den sollte, – 140 Kleinst­woh­nun­gen gin­gen dabei ver­lo­ren. Die ver­trie­be­nen Men­schen wur­den am Stadt­rand in Armen­sied­lun­gen unter­ge­bracht und poli­zei­lich überwacht.

In der NS-Zeit konnte die Zuschrei­bung «aso­zial» zum Todes­ur­teil wer­den. Doch auch heute noch dient der her­ab­wür­di­gende Begriff dazu, Men­schen aus­zu­gren­zen: unter Armut Lei­dende, Obdach­lose oder Men­schen, die angeb­lich nichts leis­ten – als wäre all dies kein über­wie­gend gesell­schaft­li­ches, son­dern ihr pri­va­tes Pro­blem. An die Opfer zu erin­nern heißt, auch heute deut­lich gegen die Dis­kri­mi­nie­rung und Aus­gren­zung die­ser Men­schen einzutreten.

Der Schwur der Über­le­ben­den des KZ Buchen­wald vom April 1945 ist immer noch aktuell: 

«Die Ver­nich­tung des Nazis­mus mit sei­nen Wur­zeln ist unsere Losung, der Auf­bau einer neuen Welt des Frie­dens und der Frei­heit ist unser Ziel.»


Auf­ruf zur Auschwitz-Gedenkstunde