Soli­da­ri­tät mit Rai­ner Kippe!

Das Straf­ver­fah­ren ist einzustellen!

Rainer Kippe

Foto: Kalle Gerigk

Mon­ta­nus­straße 49, Köln-Mül­heim. Die Fami­lie von Daniel L. samt 3jähriger Toch­ter und 9 Monate altem Sohn sollte am Diens­tag, den 7. April, 11.00 Uhr, auf die Straße gesetzt werden.

Das sprach sich herum. Folg­lich waren an die­sem Vor­mit­tag Rai­ner Kippe von der Sozia­lis­ti­schen Selbst­hilfe Mül­heim (SSM) und Kalle Gerigk von «Recht auf Stadt» mit eini­gen Freun­den der Fami­lie vor Ort. Außer­dem Pres­se­ver­tre­ter, denn Rai­ner Kippe hatte sie am Vor­abend über den Skan­dal benachrichtigt.

Der EXPRESS schrieb: Der Köl­ner Mie­ter Daniel L. sah sich in einer aus­weg­lo­sen Situa­tion. Der Lüf­tungs­bauer habe drei Gehäl­ter nicht bekom­men und konnte somit drei Monats­mie­ten nicht zah­len. Er lebt mit sei­ner Frau und zwei Kin­dern in Mül­heim. «Ent­we­der hätte ich die Miete gezahlt oder meine Fami­lie ernährt», sagt er. Zudem habe ihm sein Arbeit­ge­ber gekün­digt, da auch er von der Corona-Krise betrof­fen sei.

Der Pro­test wirkte. Wenige Minu­ten vor dem ange­kün­dig­ten Ter­min infor­mierte das Woh­nungs­amt, dass die Räu­mung bis auf wei­te­res aus­ge­setzt werde.

Vier­zehn Tage spä­ter bekommt Rai­ner Kippe Post von der Poli­zei. Er soll sich als Beschul­dig­ter schrift­lich zum Vor­wurf äußern, nach den Para­gra­fen 21 bis 28 des Ver­samm­lungs­ge­set­zes eine Straf­tat began­gen zu haben. «Sie führ­ten am 7.4.20 eine Ver­samm­lung durch, ohne diese zuvor ange­mel­det zu haben.»

Wir gehen davon aus, dass der genannte Vor­wurf zurück­ge­wie­sen wird. Das Ver­fah­ren gegen Rai­ner Kippe ist einzustellen!

Aber der Fall ver­weist auf den Grund­rechts­ab­bau, der mit dem Kampf gegen die Coro­naseu­che gerecht­fer­tigt wird. Unter dem Schirm des erst am 27. März neu gefaß­ten Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes (IfSG § 28, 1) wird die Kon­struk­tion eines Straf­tat­be­stan­des erkenn­bar, mit dem soziale Pro­teste kri­mi­na­li­siert wer­den – ganz unab­hän­gig von der tat­säch­li­chen Gesund­heits­ge­fahr, vor der uns das Gesetz zu schüt­zen vor­gibt. Im Falle von Zwangs­räu­mun­gen wird laut Rich­ter Dr. Mat­thias Nord­meyer (EXPRESS 8.4.20) den Gerichts­voll­zie­hern in Abstim­mung mit dem Minis­te­rium der Jus­tiz des Lan­des NRW und den Ober­lan­des­ge­rich­ten Hamm und Düs­sel­dorf die Ver­mei­dung zwi­schen­mensch­li­cher Kon­takte im Inter­esse des Gesund­heits- und Infek­ti­ons­schut­zes im Falle von Zwangs­räu­mun­gen zuge­traut, nicht aber den Men­schen, die gegen der­ar­tige Maß­nah­men protestieren.

Wort­laut des § 28 (Schuzt­maß­nah­men) des Geset­zes zur Ver­hü­tung und Bekämp­fung von Infek­ti­ons­krank­hei­ten beim Men­schen (Infek­ti­ons­schutz­ge­setz – IfSG): (1) Wer­den Kranke, Krank­heits­ver­däch­tige, Anste­ckungs­ver­däch­tige oder Aus­schei­der fest­ge­stellt oder ergibt sich, dass ein Ver­stor­be­ner krank, krank­heits­ver­däch­tig oder Aus­schei­der war, so trifft die zustän­dige Behörde die not­wen­di­gen Schutz­maß­nah­men, ins­be­son­dere die in den §§ 29 bis 31 genann­ten, soweit und solange es zur Ver­hin­de­rung der Ver­brei­tung über­trag­ba­rer Krank­hei­ten erfor­der­lich ist; sie kann ins­be­son­dere Per­so­nen ver­pflich­ten, den Ort, an dem sie sich befin­den, nicht oder nur unter bestimm­ten Bedin­gun­gen zu ver­las­sen oder von ihr bestimmte Orte oder öffent­li­che Orte nicht oder nur unter bestimm­ten Bedin­gun­gen zu betre­ten. Unter den Vor­aus­set­zun­gen von Satz 1 kann die zustän­dige Behörde Ver­an­stal­tun­gen oder sons­tige Ansamm­lun­gen von Men­schen beschrän­ken oder ver­bie­ten und Bade­an­stal­ten oder in § 33 genannte Gemein­schafts­ein­rich­tun­gen oder Teile davon schlie­ßen. Eine Heil­be­hand­lung darf nicht ange­ord­net wer­den. Die Grund­rechte der Frei­heit der Per­son (Arti­kel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grund­ge­set­zes), der Ver­samm­lungs­frei­heit (Arti­kel 8 des Grund­ge­set­zes), der Frei­zü­gig­keit (Arti­kel 11 Absatz 1 des Grund­ge­set­zes) und der Unver­letz­lich­keit der Woh­nung (Arti­kel 13 Absatz 1 des Grund­ge­set­zes) wer­den inso­weit eingeschränkt.


Mon­ta­nus­str. 49 am 07.04.20 Räu­mung ver­ei­telt (wei­tere Fotos)