Land­tags­wahl in Thüringen

Grafik, farbiges Diagramm. Text: «Sitzverteilung im neuen Landtag. Insgesamt 90 Sitze. Linke: 29, SPD: 8, Grüne: 5, FDP: 5, CDU: 21, AfD: 22». 

Zur Aus­wer­tung der Land­tags­wahl
in Thü­rin­gen am 27. Okto­ber 2019.

Kurze Ein­schät­zung

vor­ge­tra­gen im Kreisvorstand

Die rela­ti­ven Zah­len sind mitt­ler­weile geläu­fig. Die CDU (2014: 33,5%, 2019: 21,7%) und die SPD (2014: 12,4%, 2019: 8,2%) haben große Ver­luste zu ver­zeich­nen. Es fällt nicht schwer, dafür die Poli­tik der Bun­des­re­gie­rung ver­ant­wort­lich zu machen. Denn diese Ver­luste lie­gen durch­aus auf der Linie des repu­blik­wei­ten Zustim­mungs­schwun­des für die Groko. Keine Über­ra­schung. Keine wirk­li­che Über­ra­schung sind auch die Zustim­mungs­werte für die Höcke-AfD: 23,4% (2014: 10,6%). Offen­bar sind die Ent­täu­schun­gen der CDU- und SPD-Wäh­ler bei der AfD als Hoff­nung depo­niert wor­den. Allen­falls sind die Zustim­mungs­ge­winne für die Links­par­tei in Höhe von 31% (2014: 28,2%) unge­wöhn­lich und erklä­rungs­be­dürf­tig. Auch die Tat­sa­che, daß die Grü­nen einen hal­ben Pro­zent­punkt ver­lo­ren haben (2014: 5,7%; 2019 5,2%), scheint dem Trend nicht zu fol­gen. Die FDP hat nur knapp die Fünf­pro­zent­hürde über­sprin­gen kön­nen. Am 7. Novem­ber teilte der Lan­des­wahl­lei­ter mit, daß die Libe­ra­len im Ver­gleich zum vor­läu­fi­gen Ergeb­nis ins­ge­samt 68 Stim­men mehr ver­zeich­nen kön­nen. Vor der neu­er­li­chen Aus­zäh­lung waren es zunächst mikro­sko­pi­sche fünf Stim­men gewe­sen, die den Aus­schlag gaben. Das Ergeb­nis von 5,0% ist knapp genug, aber immer­hin 2,5% mehr als 2014.

Die Pro­zent-Ergeb­nisse las­sen zunächst ein­mal die Fest­stel­lung zu, daß das rechte Par­tei­en­la­ger mit 50,1% gegen­über 2014 gewon­nen hat, und zwar um 3,5%. Vor fünf Jah­ren kamen CDU, FDP, AfD auf zusam­men 46,6%. Die Koali­tion von SPD, Grü­nen und Lin­ken, die noch 2014 mit zusam­men 46,3% der Wäh­ler­stim­men die Regie­rung hatte bil­den konn­ten, hat in die­sem Jahr zusam­men nur 44,4% (= – 1,9%) erreicht.

Es gibt aber noch wei­tere Kenn­zif­fern, die zur Beur­tei­lung des Wahl­er­geb­nis­ses von Belang sind. Da ist zunächst ein­mal die Wahl­be­tei­li­gung. Sie ist von 52,7 auf 64,9 gestie­gen, in abso­lu­ten Zah­len: von 954.927 auf 1.121.948 Wäh­ler – neben­her: die Zahl der Wahl­be­rech­ti­gen hat sich in die­sen fünf Jah­ren um 4,6% gemin­dert, um 85.000 auf 1,73 Mio. Wenn sich diese Ten­denz nicht wen­det, ist Thü­rin­gen in etwa 20 Jah­ren entvölkert.

Es las­sen sich also aus der Ana­lyse der abso­lu­ten Zah­len wei­tere Erkennt­nisse erhof­fen. Neh­men wir als Refe­renz die Bun­des­tags­wah­len vom 24. Sep­tem­ber 2017. Hier war die Wahl­be­tei­li­gung mit 74,3% ( = 1.312.052) am höchs­ten. Die CDU konnte in Thü­rin­gen noch 28,8% der Wäh­ler (= 372.258) über­zeu­gen und die SPD 13,2 (= 171.032). Beide zusam­men kamen auf 543.290 (= 42%) Wäh­ler. Die AfD erreichte 2017 schon 294.069 Stim­men (= 22,7%), die FDP 101.129 (= 7,8%) und die Grü­nen 53.340 (= 4,1%). Die Linke kam vor zwei Jah­ren mit 218.212 Stim­men auf 16,9%.

Die Euro­pa­wahl mit einer Wahl­be­tei­li­gung von 61,5% (= 1.071.240) zeigte im Mai 2019 ein ganz ande­res Bild. Die CDU rutschte mit 259.817 Stim­men auf 24,7%, die SPD mit 115.583 Stim­men auf 11,0 %. Die Zustim­mung zu den Groko-Par­teien lag also nur noch bei 35,7%, das sind 6,3% weni­ger als bei der Bun­des­tags­wahl. Unter Berück­sich­ti­gung der abso­lu­ten Zah­len sind es sogar 31% weni­ger Wäh­ler (minus 167.890 von 543.290) als 20 Monate zuvor. Die FDP blieb mit 45.715 Stim­men bei 4,4% hän­gen, sicher ein Lind­ner-Effekt. Die Ver­luste der eta­blier­ten Par­teien hat aber die Höcke-Par­tei nicht als Gewinn ver­bu­chen kön­nen. Sie kam im Mai 2019 – es sind selbst­ver­stän­dich immer noch zu viele – auf 236.579 Stim­men (= 22,5%), aber 57.490 weni­ger (= 19,5%) als zur Bundestagswahl.

Wir wer­den uns erin­nern, strah­len­der Sie­ger des Mai waren die Grü­nen ange­sichts des Höhe­punkts der Kli­ma­de­batte. Die Grü­nen in Thü­rin­gen konn­ten mit 90.409 Stim­men (= 8,6%) von die­sem Trend in einem gewis­sen Maße pro­fi­tie­ren. Aber sie haben das Niveau der Zustim­mung zu ihrer Kli­ma­po­li­tik nicht hal­ten kön­nen. Im Ver­hält­nis zum Mai ver­lo­ren sie im Okto­ber 32.924 Stim­men = 36,4% weniger.

Und bei­läu­fig: Ihre 57.485 Stim­men haben zwar nur 5,2% gebracht, tat­säch­lich aber waren es in abso­lu­ten Zah­len mehr Stim­men als 2014. Die dama­lige Zahl von 53.407 Stim­men schlug mit 5,7% zu Buche.

Und die AfD ist aus ihrer Delle nicht so recht her­aus­ge­kom­men. Sie blieb am 27. Okto­ber bei 259.359 Stim­men = 23,4%. Das ergibt beim Blick auf die abso­lu­ten Zah­len der Bun­des­tags­wah­len immer­hin eine um 34.710 = 11,8% gerin­gere Summe (294.069 = 22,7%).

Ein sol­ches Ergeb­nis für die AfD soll uns nicht beru­hi­gen, kann aber deut­lich machen, daß soziale und demo­kra­ti­sche Bewe­gun­gen imstande sind, die Rechts­ent­wick­lung zu stop­pen und zurückzudrängen.

Im übri­gen: die Wäh­ler­wan­de­rung ist erheb­lich. Die Zustim­mung fragil.

Beim Blick auf die abso­lu­ten Zah­len erschei­nen auch die Zuwächse der Links­par­tei ein­drucks­vol­ler. Bei den Bun­des­tags­wah­len konnte sie 218.212 Stim­men = 16,9% auf sich ver­ei­ni­gen, im Mai 2019 ver­lor sie davon 33,6% bzw. 73.346 Stim­men. Aber im Ver­hält­nis zu den Land­tags­wah­len 2014 konnte sie ihre Stim­men­zahl 2019 wie­der um 78.308, also um 29,5%, das ist fast wie­der ein Drit­tel im Ver­hält­nis zu den abso­lu­ten Zah­len von 2014, erhöhen.

Die Gründe dafür erschlie­ßen sich nicht ohne wei­te­res, zumal wir häu­fi­ger vom Oppor­tu­nis­mus der Thü­rin­ger Lin­ken erfah­ren, Thema Ver­fas­sungs­schutz, Aus­sa­gen über die DDR als Unrechs­staat u.ä. Was sie zum Thema Woh­nun­gen, Ver­kehr, Bil­dung, Kul­tur und in der Sozi­al­po­li­tik etc. machen, erfah­ren wir weni­ger. So teilt auch nie­mand mit, warum die Links­par­tei mehr Zustim­mung in Thü­rin­gen erhält als in ande­ren Län­dern auf dem Gebiet der DDR. An die gän­gi­gen Mys­ti­fi­ka­tio­nen möchte ich mich nicht hal­ten. Den exklu­si­ven Effekt eines Per­sön­lich­keits­zau­bers von Rame­low dür­fen wir wohl ausschließen.

Zuletzt noch einige Bemer­kun­gen zur Situa­tion im Land­tag. 2014 sind dort 91 Sitze ange­fal­len, eine Mehr­heit benö­tigte folg­lich 46 Sitze. Die brachte die Koali­tion von Lin­ken (28), SPD (12) und Grü­nen (6) zustande. 2019 sind es 90 Sitze, auch damit ist eine Mehr­heit nur mit 46 Sit­zen mög­lich. Die Linke hat 29 (+1), die SPD 8 (-4), die Grü­nen 5 (-1), zusam­men sind das 42 Sitze. CDU kommt auf 21 (-1), die AfD auf 22 (+1), gemein­sam ver­fü­gen sie über 43 Sitze, die FDP in ihrem Glück könnte noch fünf Sitze bei­steu­ern. Das ist die Situa­tion, in der Phan­ta­sien gedei­hen von einer rech­ten Koali­tion oder gar von einer mit CDU und Lin­ken, die allein auf 50 Sitze käme. Bodo Rame­low indes träumt wohl von einer Min­der­heits­re­gie­rung an der kur­zen Leine der CDU.

Unsere Par­tei hat zur Land­tags­wahl nicht kan­di­diert. Bei den Euro­pa­wah­len im Mai erzielte sie in Thü­rin­gen 1143 Stim­men = 0,1%.

Klaus, 12. Novem­ber 2019
Gra­fik: Wikipedia