Stel­lung­nahme des Kreis­vor­stands Köln zum Ent­wurf des neuen NRW-Polizeigesetzes

Der Ver­däch­tige ist schul­dig
Das Poli­zei­ge­setz über­dehnt den Ter­ro­ris­mus­be­griff in Erdo­gan­sche Dimensionen

Zwei handgemalte Schilder. «Braunkohle killt das Klima, Laschet findet's prima», «Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht».

Die sehr weite Fas­sung des­sen, was alles ter­ro­ris­tisch sein soll, macht deut­lich, dass das Poli­zei­ge­setz die gegen­wär­tige Eigen­tums­ord­nung der Repu­blik beto­nie­ren soll und sich auf diese Weise bei­läu­fig gegen das Grund­ge­setz, nament­lich gegen den All­ge­mein­wohl­vor­be­halt des Eigen­tums (Arti­kel 14), die Mög­lich­keit der Sozia­li­sie­rung (Arti­kel 15) sowie alle­mal gegen die Lan­des­ver­fas­sung rich­tet. So kön­nen Streiks oder Aktio­nen zivi­len Unge­hor­sams nicht nur ein­fach zu kri­mi­nel­len, son­dern sogar zu ter­ro­ris­ti­schen Aktio­nen juris­tisch umge­deu­tet wer­den, ohne dass Rechts­mit­tel dage­gen ein­ge­legt wer­den kön­nen. Das ist keine Klei­nig­keit, son­dern muss alar­mie­ren, lei­der tauchte die­ser Aspekt in bis­he­ri­gen Stel­lung­nah­men noch nicht auf.

Die Stel­lung­nahme im Wortlaut

Nach­dem der erste Ent­wurf zum neuen NRW-Poli­zei­ge­setz ange­sichts weit­rei­chen­der Pro­teste zurück­ge­zo­gen wer­den musste, wol­len CDU und FDP in ihrer Novelle, die sie am 9. Okto­ber 2018 vor­stell­ten, nun­mehr auf die Begriffe «dro­hende Gefahr» und «dro­hende ter­ro­ris­ti­sche Gefahr» ver­zich­ten. Statt­des­sen sol­len Straf­ta­ten wie die unten auf­ge­führ­ten als ter­ro­ris­tisch gel­ten, «wenn und soweit sie dazu bestimmt sind, die Bevöl­ke­rung auf erheb­li­che Weise ein­zu­schüch­tern, eine Behörde oder eine inter­na­tio­nale Orga­ni­sa­tion rechts­wid­rig mit Gewalt oder durch Dro­hung mit Gewalt zu nöti­gen oder die poli­ti­schen, ver­fas­sungs­recht­li­chen, wirt­schaft­li­chen oder sozia­len Grund­struk­tu­ren eines Staa­tes oder einer inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tion zu besei­ti­gen oder erheb­lich zu beein­träch­ti­gen, und sie durch die Art ihrer Bege­hung oder ihre Aus­wir­kun­gen einen Staat oder eine inter­na­tio­nale Orga­ni­sa­tion erheb­lich schä­di­gen kön­nen.» (§ 8, Absatz 4)

Durch die Straf­bar­keit einer Reihe von Tat­be­stän­den ist die Abwehr ter­ro­ris­ti­scher Gefah­ren ohne­dies im Straf­ge­setz­buch kodi­fi­ziert. Aber der Kata­log wird durch die vor­ge­se­hene Neu­fas­sung des Poli­zei­ge­set­zes erwei­tert. Sie eröff­net die Mög­lich­keit, bei­spiels­weise die Beschä­di­gung von Arbeits­mit­teln ebenso wie einen Ein­griff in den Ver­kehr künf­tig mit der Bezeich­nung ter­ro­ris­tisch zu ver­se­hen, um die mut­maß­li­chen Täter schon vor der Tat zu ver­fol­gen. Ebenso könnte eine Aktion des zivi­len Unge­hor­sams oder ein Streik als ter­ro­ris­tisch gel­ten, mit die­ser Begrün­dung unter­bun­den und die Betei­lig­ten als Ter­ro­ris­ten ver­folgt wer­den, wenn durch die Poli­zei unter­stellt wird, dass die­ses Ereig­nis «wirt­schaft­li­che und soziale Grund­struk­tu­ren eines Staa­tes oder einer inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tion erheb­lich zu beein­träch­ti­gen» geeig­net sei. Erst recht, wenn es womög­lich darum ginge, Groß­be­triebe der Grund­stoff­in­dus­trie und Unter­neh­men, die wegen ihrer mono­pol­ar­ti­gen Stel­lung beson­dere Bedeu­tung haben, in Gemein­ei­gen­tum zu über­füh­ren, wie es Arti­kel 27 der Lan­des­ver­fas­sung NRW for­dert. Schon Spa­zier­gänge im Ham­ba­cher Forst lie­ßen sich, wenn es nach dem CDU-FDP-Ent­wurf ginge, als ter­ro­ris­ti­sche Aktio­nen unterbinden.

Und die Poli­zei dürfte die Tele­kom­mu­ni­ka­tion von Per­so­nen, «deren indi­vi­du­el­les Ver­hal­ten die kon­krete Wahr­schein­lich­keit begrün­det, dass sie inner­halb eines über­seh­ba­ren Zeit­raums auf eine zumin­dest ihrer Art nach kon­kre­ti­sierte Weise eine ter­ro­ris­ti­sche Straf­tat bege­hen wird» (§ 20c, Satz 1 Num­mer 2) über­wa­chen und auf­zeich­nen. Dem mar­kier­ten Gefähr­der wären fall­weise der Auf­ent­halt­ort vor­zu­ge­ben, Kon­takte zu unter­bin­den und elek­tro­ni­sche Fuß­fes­seln anzu­le­gen. Die Dauer des Unter­bin­dungs­ge­wahr­sams dürfte von aktu­ell zwei Tagen auf zwei Wochen aus­ge­dehnt und noch­mals ver­län­gert werden.

Der CDU-FDP-Ent­wurf des Poli­zei­ge­set­zes gestat­tet der Poli­zei, Streiks oder Aktio­nen zivi­len Unge­hor­sams zu ter­ro­ris­ti­schen Aktio­nen umzudeuten.

Er ver­legt die Kri­mi­na­li­täts- und Ter­ro­ris­mus­be­kämp­fung in den rechts­staat­lich schwer zu über­prü­fen­den Bereich der Prä­ven­tion auf der Grund­lage von Mut­ma­ßun­gen, genannt «kon­krete Wahr­schein­lich­keit», deren Gewicht poli­zei­li­cher Deu­tung über­las­sen bleibt. Die Unschulds­ver­mu­tung wird ausgehebelt.

Die aus­ufernde Deh­nung des Ter­ro­ris­mus­be­griffs lässt zudem erken­nen, dass CDU und FDP mit ihrem Gesetz­ent­wurf sogar die Garan­tie der vor­ge­fun­de­nen Eigen­tums­ord­nung mit ihrem über­wie­gend pri­va­ten Eigen­tum an Pro­duk­ti­ons­mit­teln anstre­ben. Eine grund­ge­setz­lich vor­ge­se­hene Ein­schrän­kung des Eigen­tums durch den All­ge­mein­wohl­vor­be­halt (Arti­kel 14) oder gar im Wege der Sozia­li­sie­rung (Arti­kel 15) könnte die Poli­zei schon im Vor­feld unterbinden.

Das neue Poli­zei­ge­setz ist auch in der Fas­sung, die jetzt von CDU und FDP vor­ge­legt wor­den ist, unver­ein­bar mit den demo­kra­ti­schen Grund­rech­ten.
Brei­ter demo­kra­ti­scher Wider­stand ist nötig.
Die DKP Köln wird sich daran beteiligen.

 

Im neuen Ent­wurf von CDU und FDP kön­nen fol­gende Straf­ta­ten das Merk­mal ter­ro­ris­tisch erhalten:

1.
§ 89a des Straf­ge­setz­buchs, Vor­be­rei­tung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Gewalt­tat
§ 89b Auf­nahme von Bezie­hun­gen zur Bege­hung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Gewalt­tat
§ 89c Ter­ro­ris­mus­fi­nan­zie­rung
§ 129a Bil­dung ter­ro­ris­ti­scher Ver­ei­ni­gun­gen
§ 129b in Ver­bin­dung mit § 129a, Kri­mi­nelle und ter­ro­ris­ti­sche Ver­ei­ni­gun­gen im Aus­land; Erwei­ter­ter Ver­fall und Ein­zie­hung
§ 211 Mord
§ 212 Tot­schlag
§ 224 Gefähr­li­che Kör­per­ver­let­zung
§ 226 Schwere Kör­per­ver­let­zung
§ 227 Kör­per­ver­let­zung mit Todes­folge
§ 239a Erpres­se­ri­scher Men­schen­raub
§ 239b Gei­sel­nahme
§ 303b Com­pu­ter­sa­bo­tage
§ 305 Zer­stö­rung von Bau­wer­ken
§ 305a Zer­stö­rung wich­ti­ger Arbeits­mit­tel
§§ 306 bis 306c Brand­stif­tung, Schwere Brand­stif­tung, Beson­ders schwere Brand­stif­tung, Brand­stif­tung mit Todes­folge
§ 307 Absatz 1 bis 3 Her­bei­füh­ren einer Explo­sion durch Kern­ener­gie
§ 308 Absatz 1 bis 4 Her­bei­füh­ren einer Spreng­stoff­ex­plo­sion
§ 309 Absatz 1 bis 5 Miss­brauch ioni­sie­ren­der Strah­len
§ 310 Absatz 1 oder 2 Vor­be­rei­tung eines Explo­si­ons- oder Strah­lungs­ver­bre­chens
§ 313 Her­bei­füh­ren einer Über­schwem­mung
§ 314 Gemein­ge­fähr­li­che Ver­gif­tung
§ 315 Absatz 1, 3 oder 4 Gefähr­li­che Ein­griffe in den Bahn‑, Schiffs- und Luft­ver­kehr
§ 316b Absatz 1 oder 3 Stö­rung öffent­li­cher Betriebe
§ 316c Absatz 1 bis 3 Angriffe auf den Luft- und See­ver­kehr
§ 317 Absatz 1 Stö­rung von Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­la­gen
§ 328 Absatz 1 oder 2 Uner­laub­ter Umgang mit radio­ak­ti­ven Stof­fen und ande­ren gefähr­li­chen Stof­fen und Gütern
§ 330 Absatz 1 oder 2 Beson­ders schwe­rer Fall einer Umwelt­straf­tat oder
§ 330a Absatz 1 bis 3 Schwere Gefähr­dung durch Frei­set­zen von Giften

2.
die §§ 6 bis 12 des Völ­ker­straf­ge­setz­buchs (§ 6 Völ­ker­mord, § 7 Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit, § 8 Kriegs­ver­bre­chen gegen Per­so­nen, § 9 Kriegs­ver­bre­chen gegen Eigen­tum und sons­tige Rechte, 10 Kriegs­ver­bre­chen gegen huma­ni­täre Ope­ra­tio­nen und Embleme, § 11 Kriegs­ver­bre­chen des Ein­sat­zes ver­bo­te­ner Metho­den der Kriegs­füh­rung, § 12 Kriegs­ver­bre­chen des Ein­sat­zes ver­bo­te­ner Mit­tel der Kriegsführung)

3.
§ 19 Absatz 1 bis 3 des Kriegs­waf­fen­kon­troll­ge­set­zes (Straf­vor­schrif­ten gegen Atom­waf­fen)
§ 20 Absatz 1 oder 2 (Straf­vor­schrif­ten gegen bio­lo­gi­sche und che­mi­sche Waf­fen)
§ 20 a Absatz 1 bis 3 (Straf­vor­schrif­ten gegen Anti­per­so­nen­mi­nen und Streu­mu­ni­tion)
§ 19 Absatz 2 Num­mer 2 (bestraft wird, wer Atom­waf­fen ent­wi­ckelt, her­stellt, mit ihnen Han­del treibt, von einem ande­ren erwirbt oder einem ande­ren über­läßt, ein­führt, aus­führt, durch das Bun­des­ge­biet durch­führt oder sonst in das Bun­des­ge­biet oder aus dem Bun­des­ge­biet ver­bringt oder sonst die tat­säch­li­che Gewalt über sie aus­übt, einen ande­ren zu einer sol­chen Hand­lung ver­lei­tet und damit a) die Sicher­heit der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, b) das fried­li­che Zusam­men­le­ben der Völ­ker oder c) die aus­wär­ti­gen Bezie­hun­gen der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land erheb­lich gefähr­det.)
§ 20 Absatz 1 oder 2 (ent­spre­chende Straf­vor­schrif­ten gegen bio­lo­gi­sche und che­mi­sche Waf­fen)
§ 20 a Absatz 1 bis 3 (ent­spre­chende Straf­vor­schrif­ten gegen Anti­per­so­nen­mi­nen oder Streu­mu­ni­tion) jeweils auch in Ver­bin­dung mit
§ 21 (Taten außer­halb des Gel­tungs­be­reichs die­ses Geset­zes), oder
§ 22 a Absatz 1 bis 3 des Geset­zes über die Kon­trolle von Kriegs­waf­fen ( bestraft wird, wer Kriegs­waf­fen ohne Geneh­mi­gung her­stellt, 2. die tat­säch­li­che Gewalt über Kriegs­waf­fen ohne Geneh­mi­gung von einem ande­ren erwirbt oder einem ande­ren über­läßt, 3. im Bun­des­ge­biet außer­halb eines abge­schlos­se­nen Gelän­des Kriegs­waf­fen ohne Geneh­mi­gung beför­dern läßt oder selbst beför­dert; dies gilt nicht für Selbst­be­för­de­run­gen sowie für Inha­ber einer Waf­fen­be­sitz­karte für Kriegs­waf­fen im Rah­men von Umzugs­hand­lun­gen durch den Inha­ber der Erlaubnis).

4.
§ 51 Absatz 1 bis 3 des Waf­fen­ge­set­zes (wer ohne Erlaub­nis eine Schuss­waffe zum Ver­schie­ßen von Patro­nen­mu­ni­tion erwirbt, besitzt, über­lässt, führt, ver­bringt, mit­nimmt, her­stellt, bear­bei­tet, instand setzt oder damit Han­del treibt. Ein beson­ders schwe­rer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbs­mä­ßig oder als Mit­glied einer Bande, die sich zur fort­ge­setz­ten Bege­hung sol­cher Straf­ta­ten ver­bun­den hat, unter Mit­wir­kung eines ande­ren Ban­den­mit­glie­des handelt.)

Außer­dem soll die Poli­zei zur Abwehr einer Gefahr für die sexu­elle Selbst­be­stim­mung §§ 174 bis 178, 182 und bei Stal­king nach § 238 mit den genann­ten Metho­den prä­ven­tiv vor­ge­hen können.

Kreis­vor­stand Köln, 14. Okto­ber 2018