«Wir kön­nen Köln…verarschen»

Köl­ner Klüngelkartell

Bör­schel zeigt uns den Bür­zel. Es folgt ein Sturz, kein Stürzel.

Am frü­hen Abend des 18. April über­ra­schen die Stadt­werke Köln (SWK) mit der Nach­richt, dass der Stän­dige Aus­schuss des SWK-Auf­sichts­rats den bis­he­ri­gen SWK-Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­den Mar­tin Bör­schel zum 1. Okto­ber als haupt­amt­li­chen Geschäfts­füh­rer der SWK vor­schlägt. Schon neun Tage spä­ter heißt es klein­laut: Der Aus­schuss wird dem Auf­sichts­rat in sei­ner nächs­ten Sit­zung ein struk­tu­rier­tes Ver­fah­ren für die anste­hen­den Per­so­nal­ent­schei­dun­gen für die SWK-Geschäfts­füh­rung vor­schla­gen. Schließ­lich hören wir am 30. April, der Auf­sichts­rat beab­sich­tige, einen unab­hän­gi­gen exter­nen Gut­ach­ter mit einer Orga­ni­sa­ti­ons­un­ter­su­chung zu beauf­tra­gen, ob eine Neu­struk­tu­rie­rung der Geschäfts­füh­rung der Stadt­werke Köln GmbH und Erwei­te­rung um eine haupt­amt­li­che Geschäfts­füh­rung unter unter­neh­me­ri­schen Gesichts­punk­ten gebo­ten ist.

Inner­halb einer Frist von 12 Tagen eine Kehrt­wende um 180 Grad. Alles wie­der auf Null.

An dem geschei­ter­ten Deal war CDU-Par­tei- und Frak­ti­ons­chef Bernd Petel­kau betei­ligt. Er gehört neben den Betriebs­rats­chefs von Rhein­ener­gie und KVB, Wolf­gang Nol­den und Harald Kraus, sowie dem Grü­nen-Frak­ti­ons­ge­schäfts­füh­rer Jörg Frank dem soge­nann­ten Vie­rer­aus­schuss des Stadt­werke-Auf­sichts­rats an, in dem die­ser Vor­schlag aus­ge­kun­gelt wor­den ist. Bis­her ist unbe­kannt, was sonst noch Gegen­stand des Deals ist. In der Köl­ni­schen Rund­schau (KR) wurde schon gemut­maßt, dass die Dezer­nen­tin Blome, CDU, KVB-Che­fin wer­den soll. Das gesamte Tableau ist zudem an OB Reker vor­bei geplant wor­den. Sie zieht denn auch sogleich die Not­bremse und ver­weist per Mail auf einen Form­feh­ler, ohne schrift­li­che Vor­lage könne es keine Abstim­mung geben.
Als ers­ter hatte aus­ge­rech­net Kon­rad Ade­nauer, der Enkel, mit öffent­li­chem Ekel und der Dro­hung, aus der CDU aus­zu­tre­ten, reagiert. Der Vor­gang glei­che einem Coup aus der Unter­welt. Er kenne Bei­spiele (woher auch immer!) „wie Poli­ti­ker aus den Frak­tio­nen her­aus­ge­kauft wor­den sind; ent­we­der weil man sie auf ein ande­res Gleis schie­ben oder schlicht­weg los­wer­den oder ein­fach beloh­nen wollte“. Ade­nauer spielte noch auf die Wahl zum Vor­sitz der SPD-Land­tags­frak­tion an.

Denn Bör­schel wäre gerne Frak­ti­ons­chef gewor­den, wird aber von der SPD-Füh­rung dem Regio­nal­pro­porz geop­fert. Bör­schel reagiert genervt, kri­ti­siert Hin­ter­zim­mer­deals und for­dert Trans­pa­renz. Er teilt mit, er werde sich auf „Auf­ga­ben in Köln kon­zen­trie­ren“. Statt­des­sen aber ver­kün­det er, seine poli­ti­schen Ämter nie­der­le­gen zu wol­len, um Geschäfts­füh­rer der Köl­ner Stadt­werke zu wer­den. Ein Job, der mit einer hal­ben Mil­lion Euro im Jahr zu ver­gü­ten wäre.
Die KR spe­ku­lierte am 26. April: „Warum will Schwarz-Grün Bör­schel, den Geg­ner schlecht­hin, zu einem Ver­trag in Mil­lio­nen­höhe ver­hel­fen? Klar, Bör­schel per gol­de­nen Hand­schlag aus dem Rat zu kegeln, ist quasi der Knock­out für die SPD. Aber, so der Tenor: Das reicht nicht. Bekommt die CDU doch den KVB-Chef­pos­ten, wenn Fenske Ende 2018 abtritt? Stimmt die SPD der von Schwarz-Grün ange­dach­ten Abwahl von Kul­tur­de­zer­nen­tin Susanne Laug­witz-Aul­bach zu? Wird Petel­kau Chef des Ver­wal­tungs­ra­tes der Spar­kasse Köln Bonn? Und was bekom­men die Grü­nen? Mög­li­cher­weise das Ver­kehrs­de­zer­nat, falls Dezer­nen­tin Andrea Blome zur KVB wechselt?“

Die FAZ nennt es Klün­gel­kar­tell. Es ist auf­ge­flo­gen. Die Stelle wird wohl nicht ent­ste­hen und Bör­schel wird sie nicht bekom­men. Poli­tisch ist nicht nur er weg vom Fens­ter. Jörg Frank wird allen­falls bis zu den Som­mer­fe­rien im Amt blei­ben. Petel­kau ist eben­falls poli­tisch ange­schla­gen. Immer­hin haben wir in zwei Jah­ren Kom­mu­nal­wah­len. Was bedeu­tet die­ser Unfall für die Kom­mu­nal­po­li­tik in Köln? Was bedeu­tet er für die Stadtwerke?

Die Stadt Köln beschäf­tigt gegen­wär­tig knapp 18 000 Men­schen, der Stadt­wer­ke­kon­zern 12 000. Seine Bilanz­summe liegt über 5 Mrd Euro, das Eigen­ka­pi­tal bei 1,5 Mrd Euro. Zum Kon­zern gehö­ren die Stadt­werke, die Rhein­Ener­gie, die KVB, AWB, Häfen und Güter­ver­kehr AB, Köln­Bä­der, Net­co­lo­gne sowie wei­tere Fir­men und Unter­fir­men, zu zuletzt noch die Woh­nungs­ge­sell­schaft der Stadt­werke. Wir dür­fen ver­mu­ten, daß diese Betriebe Begehr­lich­kei­ten wecken. Ein öffent­li­ches Unter­neh­men ist für Kapi­tal, das nach pro­fi­ta­blen Anla­ge­mög­lich­kei­ten sucht, eine Pro­vo­ka­tion, die nach Pri­va­ti­sie­rung schreit.

Zunächst wird es einen recht indi­vi­du­el­len Ein­schnitt in der Bio­gra­fie von Bör­schel geben. Man fragt sich, was hat ihn zu die­sem jähen Wech­sel bewo­gen? Hat er resi­gniert, sieht er für die SPD noch eine Zukunft? Nun, es gibt auch andere, die sich aus der Poli­tik zuguns­ten eines gut dotier­ten Lebens­abends zurück­zie­hen. Aber Bör­schel mit 45 Jah­ren? Vor 16 Jah­ren haben er und Jochen Ott die Köl­ner SPD nach dem Trie­nekens-Skan­dal wie­der auf­ge­rich­tet. Wie soll das jetzt gesche­hen? Wer soll das machen? Und es sieht ja nicht nur in Köln schlecht für die SPD aus. Die Köl­ner SPD-Stadt­rats­frak­tion spricht in einer Erklä­rung dazu (Home­page, 9. Mai) von einer bedau­er­li­chen Ver­trau­ens­krise der Köl­ner Kom­mu­nal­po­li­tik.
Sie beteu­ert aber: „Unser Ziel ist und bleibt eine starke öffent­li­che Daseins­vor­sorge.“ „Unsere Gesell­schaft ist dar­auf ange­wie­sen, dass es starke kom­mu­nale Unter­neh­men gibt, die Lebens­qua­li­tät bie­ten und die nicht zwangs­läu­fig finan­zi­ell ren­ta­bel sein müs­sen.“
„Mobi­li­tät für alle ist für uns ein Grund­recht! Zukunfts­ge­rich­tete und umwelt­freund­li­che Ener­gie, sau­be­res Was­ser – all das darf nicht der Moti­va­tion der Pro­fit­ma­xi­mie­rung unter­lie­gen.“
„Dies bedeu­tet für uns auch, dass die berech­tigte Kri­tik am ursprüng­li­chen Ver­fah­ren nicht dazu füh­ren darf, dass sich die Neu­struk­tu­rie­rung der Stadt­werke-Spitze aus­schließ­lich an gewinn­ma­xi­mie­ren­den Gesichts­punk­ten orientiert.“

Jörg Det­jen von der Links­par­tei ist erstaun­lich milde in der Rats­dis­kus­sion am 3. Mai. Er fragt: „Wie wol­len Sie Ver­trauen in die Poli­tik her­stel­len, wenn Com­pli­ance-Grund­sätze und Trans­pa­renz-Regeln nicht glaub­haft und ernst­haft befolgt wer­den?
Wie gesagt, das Pro­blem sind nicht die zu schwa­chen Regeln, das Pro­blem ist, dass SPD, CDU und Grüne sich nicht an die Regeln hal­ten!
Den­noch ist auch DIE LINKE der Ansicht, dass der Kodex ver­bes­sert wer­den kann und ver­bes­sert wer­den sollte. Ein Bei­spiel:
Der Trans­pa­renz-Kodex emp­fiehlt, höchs­tens fünf Auf­sichts­rats­man­date wahr­zu­neh­men.
Bis­lang saß aber Herr Petel­kau in acht Auf­sichts­rä­ten, jetzt noch in sie­ben. Auch Herr Frank lie­gen über der Quote.
For­mal ist das nicht zu bean­stan­den, denn im Köl­ner Kodex steht ‹Man­date in kon­zern­be­herrsch­ten Ein­zel­ge­sell­schaf­ten gel­ten als eines.‹
Meine Damen und Her­ren, diese For­mu­lie­rung muss drin­gend gestri­chen wer­den! Es gibt ein Dut­zend Ein­zel­ge­sell­schaf­ten im Stadt­werke-Kon­zern.
Wir kön­nen doch nicht ein Dut­zend Auf­sichts­rats­man­date so behan­deln, als wäre es nur eines!
Ich fände es aus­ge­spro­chen kon­struk­tiv, wenn die Betei­li­gungs­ver­wal­tung prüft, warum die bestehen­den Rege­lun­gen ver­sagt haben und was ver­bes­sert wer­den muss. Die Betei­li­gungs­ver­wal­tung sollte auch die Dis­kus­sion um die Ver­bes­se­rung von Trans­pa­renz-Rege­lun­gen, die unter dem Stich­wort ‹Com­pli­ance 2.0› bun­des­weit geführt wird, in den Rat tra­gen.
Wir hal­ten es z.B. für wich­tig, eine Karenz­zeit fest­zu­schrei­ben, wenn Rats­mit­glie­der in eine geho­bene Funk­tion in ein städ­ti­sches Betei­li­gungs­un­ter­neh­men wechseln.“

Die FAZ hat ges­tern (14. Mai) OB Reker inter­viewt und sie nach der Moti­va­tion der Spit­zen von SPD, CDU und Grü­nen bei die­ser „Viel­far­ben-Klün­ge­lei“ befragt. Ant­wort: „den größ­ten unmit­tel­ba­ren und per­sön­li­chen Pro­fit hätte unmit­tel­bar natür­lich die eine Per­son gehabt, die den Pos­ten bekom­men sollte.“
FAZ: Und ihre Unter­stüt­zer CDU und Grüne, die den SPD-Rats­frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Bör­schel noch vor kur­zem als Ober­klüng­ler bezeich­net hat­ten, wel­chen Gewinn haben sie sich ver­spro­chen?
Reker: „Das müs­sen Sie die­je­ni­gen fra­gen, die sich das aus­ge­dacht haben. Ich kann nur Ver­mu­tun­gen anstel­len. Viel­leicht woll­ten sie den star­ken Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den der SPD damit aus dem Rat heben. Die Stadt­werke sind aber zur Daseins­vor­sorge für die Bür­ger der Stadt Köln da, nicht für die Ver­sor­gung von Poli­ti­kern mit lukra­ti­ven Jobs und auch nicht für poli­ti­sche Spielchen.“

Tat­säch­lich wird uns in Köln mal wie­der vor­ge­führt, was Kor­rup­tion heißt. Die Kor­rum­pier­ten gera­ten schon mal ins Licht, die Kor­rum­peure blei­ben in der Regel im Dunkeln.

Klaus Stein, 15. Mai 2018