Bezahl­bare Mieten

Vor­tag auf der Kreis­mit­glie­der­ver­samm­lung der Düs­sel­dor­fer DKP – wir dokumentieren:

Kann der Woh­nungs­markt für
bezahl­bare Mie­ten sorgen?

Protestierende «Wohnraum für alle», Polizei.

Minis­ter­prä­si­dent Laschet ist ges­tern (13. Sep­tem­ber 2017) in sei­ner Regie­rungs­er­klä­rung kurz auf die For­de­rung nach bezahl­ba­rem Wohn­raum ein­ge­gan­gen. Er ver­spricht sozia­len Wohn­raum. Junge Fami­lien sol­len ihren Traum vom Eigen­heim ver­wirk­li­chen können.

Die Regie­rung habe eine Initia­tive in den Bun­des­rat ein­ge­bracht, um bei der Grund­er­werbs­steuer einen Frei­be­trag für selbst­ge­nutz­tes Wohn­ei­gen­tum ein­zu­füh­ren. Zudem will sie die Eigen­tums­för­de­rung bedarfs­ge­recht anhe­ben, Bau­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­ren beschleu­ni­gen, die Lan­des­bau­ord­nung über­ar­bei­ten und Hemm­nisse zur Aus­wei­sung von Wohn­bau­flä­chen aus dem Lan­des­ent­wick­lungs­plan ent­fer­nen. Auch im Koali­ti­ons­ver­trag wird bezahl­ba­rer Wohn­raum ver­spro­chen. CDU und FDP wol­len den Woh­nungs­bau durch die Schaf­fung von Eigen­tum ankur­beln. Zitate: «Die wirk­samste Maß­nahme, um den Miet­preis­an­stieg unter Kon­trolle zu brin­gen, sind Inves­ti­tio­nen in neue Wohn­raum­an­ge­bote. Des­halb wol­len wir die Rah­men­be­din­gun­gen für Inves­to­ren so ver­bes­sern, dass es wie­der attrak­tiv wird, in Nord­rhein-West­fa­len Wohn­raum zu schaffen.»

«Die Miet­preis­bremse hat in Nord­rhein-West­fa­len ihren Zweck nicht erfüllt. Sie hat nicht die Mie­ten gebremst, son­dern pri­vate Inves­ti­tio­nen in den Woh­nungs­bau. Um das Ange­bot auf dem Woh­nungs­markt zu ver­grö­ßern und für mehr bezahl­ba­ren Wohn­raum zu sor­gen, wol­len wir pri­vate Inves­ti­tio­nen wie­der attrak­ti­ver machen.»

«Das Bun­des­recht ent­hält bereits einen weit­rei­chen­den Mie­ter­schutz. Dar­über hin­aus­ge­hende lan­des­ei­gene Rege­lun­gen sind daher nicht erfor­der­lich. Die Kün­di­gungs­sperr­frist­ver­ord­nung, die Zweck­ent­frem­dungs­ver­ord­nung, die Umwand­lungs­ver­ord­nung wer­den wir auf­he­ben, das Woh­nungs­auf­sichts­ge­setz überprüfen.»

Auch das Wahl­pro­gramm von CDU und CSU zur Bun­des­tags­wahl ver­spricht unter dem Titel «Eigen­tum und Wohn­raum für alle» aus­rei­chen­den und bezahl­ba­ren Wohn­raum. Ziel sei der Neu­bau von 1,5 Mil­lio­nen Woh­nun­gen im Zeit­raum von 2017 – 2021. Woh­nungs­bau sei der beste Mie­ter­schutz und das beste Mit­tel gegen aus­ufernde Miet­preise. Die CDU/CSU leh­nen eine «über­bor­dende Regu­lie­rung» ab. Neu­bau von Miet­wo­hun­gen soll steu­er­lich geför­dert wer­den. Sie pla­nen eine degres­sive AfA, also die Mög­lich­keit, Wert­min­de­rung durch Abnut­zung steu­er­lich gel­tend zu machen. Das Wohn­geld wol­len sie refor­mie­ren. Steu­er­lich begüns­tigt wer­den soll außer­dem die Umwand­lung von land­wirt­schaft­li­chen Flä­chen in Bau­land und die Reinves­ti­tion der dabei erziel­ten Ein­nah­men in den Miet­woh­nungs­bau. Grund­stü­cke des Bun­des sol­len bil­lig an Städte und Gemein­den abge­ge­ben wer­den. Aus­drück­lich wol­len sie in die­sen Fäl­len vom Wirt­schaft­lich­keits­prin­zip abwei­chen. Für Inves­to­ren sol­len mit­tels Abschaf­fung über­flüs­si­ger Vor­schrif­ten Kos­ten­sen­kungs­po­ten­ziale erschlos­sen wer­den. Steu­er­lich för­dern wol­len sie die ener­ge­ti­sche Gebäu­de­sa­nie­rung – wohl­wis­send, dass wir es bei den fol­gen­den Miet­auf­schlä­gen mit einem der wirk­sams­ten Hebel der Gen­tri­fi­zie­rung zu tun haben. Zwangs­räu­mun­gen und Obdach­lo­sig­keit wer­den sich mehren.

Auch das Bau­kin­der­geld soll Woh­nungs­neu­bau befördern.

Kurz gesagt: CDU und CSU wol­len ebenso wie schon die Lan­des­re­gie­rung auf dem Woh­nungs­markt die Markt­kräfte ent­fes­seln. Dabei liegt es auf der Hand, dass just die­ser Markt die Woh­nungs­not schafft und braucht. Im Sinne der Inves­to­ren funk­tio­niert er schon ganz wunderbar.

In der anhal­ten­den Über­pro­duk­ti­ons­krise suchen die Anle­ger aus Furcht vor Ent­wer­tung ver­zwei­felt nach loh­nen­den Inves­ti­ti­ons­ob­jek­ten. Und fin­den sie ins­be­son­dere auf dem Gebiet der Immobilien.

Das Han­dels­blatt schwärmte am 26. April: gekauft werde, was das Zeug hält. Der inter­na­tio­nale Immo­bi­li­en­dienst­leis­ter Cush­man & Wake­field stellte fest, dass die Kauf­wut noch mal zulege. In die­sem Jahr allein für 1,4 Bil­lio­nen Dol­lar. Die gewal­tige Zahl komme zustande, weil Ver­si­che­rer und Pen­si­ons­fonds Monat für Monat Mil­li­ar­den­bei­träge ein­neh­men – und nicht wis­sen, wohin damit, schreibt das Handelsblatt.

Die Märkte seien heiß gelau­fen, Aktien ent­spre­chend teuer. Außer­dem bräch­ten sie Unruhe ins Port­fo­lio, weil ihre Kurse schwan­ken. Anlei­hen wären das Mit­tel der Wahl, doch zumin­dest erst­klas­sige Staats­an­lei­hen brin­gen kaum noch Ren­dite (die der zehn­jäh­ri­gen Bun­des­an­leihe bewegt sich seit Mona­ten nahe Null). Da kom­men Immo­bi­lien als Anla­ge­form gele­gen, vor allem, wenn sie regel­mä­ßige Miet­über­schüsse erwar­ten lassen.

Das Pro­blem: Die welt­weite Nach­frage nach Immo­bi­lien über­steige das Ange­bot. Deutsch­land zählte bereits im ver­gan­ge­nen Jahr zu den drei wich­tigs­ten Inves­ti­ti­ons­zie­len aus­län­di­scher Käu­fer. Sie erwar­ben hier­zu­lande Gebäude für 27 Mil­li­ar­den Dol­lar. Mehr Geld aus dem Aus­land zogen ledig­lich die USA mit 63 Mil­li­ar­den Dol­lar und Groß­bri­tan­nien mit 31 Mil­li­ar­den Dol­lar an.

Yvo Post­leb, Deutsch­land­chef von Cush­man & Wake­field, ist über­zeugt: «Deutsch­land ist der füh­rende Immo­bi­li­en­markt Euro­pas, ins­be­son­dere die Haupt­stadt­re­gion Ber­lin liegt wei­ter­hin im Fokus inter­na­tio­na­ler Inves­to­ren. Cush­man & Wake­field sieht hier des­halb wei­te­res Wachs­tums­po­ten­zial; auch wenn der Objekt­man­gel in Ber­lin das Geschäft für die Käu­fer erschwert.» Objekt­man­gel ist für die gro­ßen Mak­ler­häu­ser das Stich­wort: Vor allem im ver­gan­ge­nen Jahr klag­ten sie, sie könn­ten viel mehr ver­kau­fen, wenn sie nur Ver­käu­fer fän­den. In die­sem Jahr hat sich das zumin­dest etwas gebes­sert. In kei­nem ers­ten Quar­tal wurde auf dem Gewer­be­im­mo­bi­li­en­markt mehr umge­setzt als im vergangenen.

In den fünf wich­tigs­ten deut­schen Städ­ten Ber­lin, Düs­sel­dorf, Frank­furt, Ham­burg und Mün­chen zählte das Ana­ly­se­haus CBRE im ers­ten Quar­tal Kauf­ver­träge über 15,8 Mil­li­ar­den Euro – Woh­nungs­port­fo­lios ein­ge­rech­net. Das ist ein sat­tes Plus von rund 50 Pro­zent gegen­über dem Vorjahr.

Da wun­dert es nicht, dass die Markt­kräfte dafür sorg­ten, dass bei­spiels­weise in Köln in den ver­gan­ge­nen 5 Jah­ren die Kalt­mie­ten bei Neu­ver­mie­tun­gen um 36 Pro­zent gestie­gen sind – von durch­schnitt­lich 9,12 € pro Qua­drat­me­ter auf 12,39 Euro. Das berich­tete der wdr am 16. August in der Sen­dung «Woh­nung ver­zwei­felt gesucht – Warum die Mie­ten explo­die­ren». Eine Kon­se­quenz sei, dass Berufs­tä­tige im Alter zwi­schen 30 und 60 Jah­ren und Fami­lien ins Umland zie­hen und die täg­li­chen Pend­ler­ströme vergrößern.

Ende Mai legte im Auf­trag des Ver­bän­de­bünd­nis­ses Woh­nungs­bau, dem neben den Ver­bän­den der Bau­wirt­schaft der DMB und die IG BAU ange­hö­ren, die Pro­g­nos AG eine Stu­die vor, die noch sehr zurück­hal­tend ein Ungleich­ge­wicht von Ange­bots- und Nach­fra­ge­ent­wick­lung kon­sta­tiert. Sie stel­len aber vor allem bei den bezahl­ba­ren Woh­nun­gen den Man­gel fest. «Im Zuge der erheb­lich gestie­ge­nen Grund­stücks­preise und Bau­kos­ten fin­det der Woh­nungs­neu­bau gerade in den Bal­lungs­zen­tren zum über­wie­gen­den Teil im hoch­prei­si­gen Seg­ment statt. Eine wach­sende Lücke zeich­net sich dage­gen beim sozia­len Woh­nungs­bau bzw. im nied­ri­gen und mitt­le­ren Preis­seg­ment ab. In die­sen Seg­men­ten ist die Bau­tä­tig­keit ver­gleichs­weise gering und im Ver­gleich zum Bedarf weit unter­durch­schnitt­lich, wäh­rend die Nach­frage nach bezahl­ba­rem Wohn­raum anhal­tend hoch ist bzw. steigt. Mit ande­ren Wor­ten: Es wird nicht nur zu wenig gebaut, son­dern auch zu teuer.»

Mit Bezug auf eine Pestel-Stu­die aus dem Jahr 2015 stellt Pro­g­nos für den Zeit­raum 2009 bis 2015 ein Wohn­raum­de­fi­zit von 800.000 Woh­nun­gen fest, nach­dem in den Jah­ren 2012 bis 2014 rund 200.000 Woh­nun­gen pro Jahr und 2015 260.000 Woh­nun­gen fer­tig gestellt wor­den seien. In den Jah­ren 2009–2016 wur­den in Deutsch­land ins­ge­samt 1 Mil­lion Woh­nun­gen zu wenig gebaut. Um das aus­zu­glei­chen, müss­ten im Zeit­raum 2016 bis 2020 pro Jahr 400.000 Woh­nun­gen neu errich­tet wer­den. Die Neu­bau­tä­tig­keit deckt aber allen­falls die Hälfte des fak­ti­schen Bedarfs. Und just im Miet­woh­nungs­bau sei das Defi­zit signi­fi­kant. Hier klaffe eine Lücke von 140.000 neu zu bau­en­den Miet­woh­nun­gen, davon allein 80.000 Sozi­al­woh­nun­gen. Der Bestand an Sozi­al­woh­nun­gen geht ohne­hin zurück. Im Zeit­raum 2002 bis 2013 sank er von 2,5 Mil­lio­nen auf unter 1,3 Mil­lio­nen Woh­nun­gen, von 12 auf 7% des Geschoss­woh­nungs­be­stands. Und im Zeit­raum 2016 bis 2020 fal­len wei­tere 190.000 Woh­nun­gen aus der Belegungsbindung.

Auch 2016 wur­den nur 278.000 Woh­nun­gen fer­tig, also 69 % des Bedarfs von 400.000 Wohnungen.

Die Stu­die kon­sta­tiert noch die regio­na­len Unter­schiede. Danach habe in Ber­lin, Mün­chen, Ham­burg, Düs­sel­dorf, Köln, Frank­furt und Stutt­gart die Bevöl­ke­rung sehr stark zuge­nom­men, aber die nur durch­schnitt­li­che Ange­bots­ent­wick­lung einen extre­men Nach­fra­ge­über­hang bewirkt. Das führe zu einem über­pro­por­tio­na­len Anstieg von Immo­bi­li­en­prei­sen und Mie­ten. Seit 2011 hät­ten die Ein­kom­men ledig­lich um 7,7 % zuge­legt, wäh­rend im glei­chen Zeit­raum die Mie­ten in den genann­ten Städ­ten um mehr als 17 % zuge­nom­men hät­ten. In Düs­sel­dorf sind die Miet­preise bei Erst- und Wie­der­ver­mie­tung pro Qua­drat­me­ter von 8,03 Euro auf 9,92 Euro, also jähr­lich um 4,3% gestie­gen, und wenn man den Blick auf die Erst­ver­mie­tung rich­tet, sogar von 8,62 Euro auf 12,55 Euro, also um 7,8% im Jahr.
(Köln: 8,20 auf 9,94 Euro, also 3,9% bzw. 9,12 auf 12,39 Euro, also 6,3%)

Die Kölner Gruppe «Recht auf Stadt» protestiert mit Plakat «Gegen Mietenwahnsinn, Luxussanierung und Verdrängung».

Ich kann hier nur einen knap­pen Blick auf die Erschei­nun­gen der Woh­nungs­not wer­fen. Sie ist mitt­ler­weile das soziale Pro­blem Nr. 1. Merk­wür­di­ger­weise hat es im Bun­des­tags­wahl­kampf kei­nen Platz. Die vier Jour­na­lis­ten, zwei von öffent­lich-recht­li­chen Sen­dern und zwei von Pri­va­ten, die am 3. Sep­tem­ber Mer­kel und Schulz befrag­ten, woll­ten über Mie­ten und Woh­nungs­pro­bleme nichts wis­sen. Sie inter­es­sier­ten ohne­hin kaum für soziale Pro­bleme, statt­des­sen mehr für Fra­gen von Sicher­heit und Ord­nung, der Ver­wei­ge­rung von Asyl, für Ober­gren­zen und Abschie­bungs­mög­lich­kei­ten – The­men, zu denen AfD und Nazis gern ihre Hetze verbreiten.

Bevor ich mich zu den For­de­run­gen und Initia­ti­ven äußere, die von uns aus­ge­hen könn­ten, kommt noch ein Hin­weis auf die Akti­vi­tä­ten der neuen Lan­des­re­gie­rung. Ich habe es schon, als die Infor­ma­tion noch ganz frisch war, in Solin­gen erzählt:

Der neue Finanz­mi­nis­ter heißt Lutz Lie­nen­käm­per. Er ist Mit­glied der CDU. Am 25. Juli ließ er mit­tei­len, dass Mar­cus Her­mes am 1. Sep­tem­ber, den Pos­ten des Geschäfts­füh­rers des Bau- und Lie­gen­schafts­be­trie­bes (BLB) NRW antre­ten wird. «Es ist uns gelun­gen, in Mar­cus Her­mes einen aus­ge­wie­se­nen Fach­mann zu finden».

Die­selbe Pres­se­er­klä­rung sagt auch: «Der BLB NRW ist Eigen­tü­mer und Ver­mie­ter fast aller Immo­bi­lien des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len. Mit mehr als 4.100 Gebäu­den, einer Miet­flä­che von etwa 10,2 Mil­lio­nen Qua­drat­me­tern und jähr­li­chen Miet­erlö­sen von rund 1,3 Mil­li­ar­den Euro ver­wal­tet der BLB NRW eines der größ­ten und anspruchs­volls­ten Immo­bi­li­en­port­fo­lios Euro­pas.» Anders gesagt, der BLB NRW ist der zweit­größte euro­päi­sche Immo­bi­li­en­kon­zern. Er gehört dem Land NRW. Seine Rechts­form ist noch nicht sehr alt. Das Bau- und Lie­gen­schafts­be­triebs­ge­setz – BLBG – ist am 12. Dezem­ber 2000 ver­ab­schie­det wor­den, wenige Monate, nach­dem Wolf­gang Cle­ment als Minis­ter­prä­si­dent, damals noch SPD, wie­der­ge­wählt wor­den war. Nach die­sem Gesetz hat der BLB «die Auf­gabe, Grund­stü­cke und grund­stücks­glei­che Rechte für Zwe­cke des Lan­des nach kauf­män­ni­schen Grund­sät­zen zu erwer­ben, zu bewirt­schaf­ten, zu ent­wi­ckeln und zu ver­wer­ten und dabei die bau­po­li­ti­schen Ziele des Lan­des zu beach­ten.» (§ 2,1 BLBG).

Der BLB ist nach Rechts­form und Inhalt auf Pri­va­ti­sie­rung aus­ge­rich­tet. Die For­de­rung nach Beach­tung bau­po­li­ti­scher Ziele des Lan­des hat allen­falls die Funk­tion eines Fei­gen­blatts. Zwangs­läu­fig müs­sen die Akti­vi­tä­ten des BLB zu Wirt­schaft­lich­keit und Spar­sam­keit der Haus­halts­füh­rung in Wider­spruch gera­ten. Und so kam es und das fiel auch auf.

Denn es kam zu zahl­rei­chen Kor­rup­ti­ons­af­fä­ren. Am 13. Februar 2017 ist der ehe­ma­lige Geschäfts­füh­rer Tig­ge­mann wegen Bestech­lich­keit zu einer mehr­jäh­ri­gen Haft­strafe ver­ur­teilt wor­den, just in einem der Gebäude, die Gegen­stand sei­ner Geschäfte gewe­sen sind, und zwei Tage spä­ter wurde der Schluss­be­richt des BLB-Unter­su­chungs­aus­schuss des Land­ta­ges ver­öf­fent­licht. Drei­stel­lige Mil­lio­nen­be­träge sind dem Land ver­lo­ren gegan­gen. Schon im August 2014 waren die Affä­ren Gegen­stand öffent­li­cher Debatten.

Die FDP sei­ner­zeit: «Bloße kos­me­ti­sche Ver­än­de­run­gen inner­halb des BLB NRW reich­ten daher nicht aus, um die hor­rende Ver­schwen­dung von Steu­er­gel­dern zu stop­pen. Es bedürfe viel­mehr einer Über­füh­rung des BLB NRW in grund­le­gend neue Struk­tu­ren und einer Neu­kon­zep­tion der Immo­bi­li­en­be­wirt­schaf­tung des Lan­des. Die FDP for­dert ein Kom­pe­tenz­zen­trum, das die Anfor­de­run­gen an die Bereit­stel­lung von Lie­gen­schaf­ten durch opti­male Aus­schrei­bun­gen am Markt und wett­be­werb­li­che Ver­ga­ben an Dritte umsetze. Das ope­ra­tive Geschäft sei extern zu orga­ni­sie­ren und durchzuführen.»

Auch die CDU ver­langte in ihrem Antrag vom 1. April 2014 neue Struk­tu­ren beim Bau- und Lie­gen­schafts­be­trieb. Wie die FDP bezeich­nete sie die Vor­gänge als skan­da­lös und for­derte, dass der BLB zu einer Anstalt des öffent­li­chen Rechts wei­ter­ent­wi­ckelt und der bis­he­rige Ver­wal­tungs­rat in einen par­la­men­ta­ri­schen Bei­rat umge­wan­delt werde. Ein Auf­sichts­rat, ange­rei­chert mit «immo­bi­li­en­wirt­schaft­li­chen Fach­leu­ten», soll den BLB len­ken. Denn auch die CDU hielt die Gele­gen­heit güns­tig zur For­cie­rung des Pri­va­ti­sie­rungs­kur­ses, sie will den Teu­fel mit dem Beelz­bub austreiben.

Über Mar­cus Her­mes teilte das Finanz­mi­nis­te­rium in der erwähn­ten Pres­se­er­klä­rung vom Juli mit, dass er seit über 18 Jah­ren in der Bau- und Immo­bi­li­en­wirt­schaft tätig gewe­sen sei. Wört­lich: «Mit sei­ner Exper­tise und Erfah­rung wird er ins­be­son­dere die kauf­män­ni­sche Aus­rich­tung des BLB NRW wei­ter stär­ken. Zwi­schen 2003 und 2013 arbei­tete der Öko­nom als Geschäfts­füh­rer und Finanz­chef für ver­schie­dene Gesell­schaf­ten im Hoch­tief-Kon­zern.» Die Hoch­tief Akti­en­ge­sell­schaft hat ihren Sitz in Essen wie RWE. RWE war bis 2004 Mehr­heits­ak­tio­när. Seit 2011 gehört er zur spa­ni­schen ACS-Gruppe.

Ich hatte oben schon von der Über­pro­duk­ti­ons­krise gespro­chen, die zu einem Man­gel an seriö­sen und pro­fi­ta­blen Anla­ge­mög­lich­kei­ten führt. Im Bereich der Immo­bi­lien deu­tet sich eine Finanz­blase an, also eine Über­be­wer­tung, die die Gefahr plötz­li­cher Wert­ver­luste birgt. Wir müs­sen davon aus­ge­hen, dass die neue Lan­des­re­gie­rung sol­chen Inves­to­ren, die ihr Geld in Immo­bi­lien anle­gen, mit ihrer Per­so­nal­ent­schei­dung beim BLB die Wei­chen für neue Anla­ge­mög­lich­kei­ten stel­len will. Es kün­di­gen sich neue Orgien der Pri­va­ti­sie­rung an. Zumal im Fall des BLB allen­falls die kor­rum­pier­ten Geschäfts­füh­rer belangt wer­den. Die mil­lio­nen­schwe­ren Kor­rum­peure und Nutz­nie­ßer die­ser Geschäfte zu Las­ten des Lan­des­haus­halts lau­fen frei herum und machen wei­ter mit der Folge, dass aus öffent­li­chen Gebäu­den und Grund­stü­cken teure pri­vate wer­den, die zu kost­bar sind, um dar­auf bezahl­bare Woh­nun­gen zu errichten.

Was hilft? Stadt und Land müs­sen selbst bauen – auf Gelände, das ihnen gehört. Des­we­gen müs­sen sie es behal­ten und nicht nach kauf­män­ni­schen Grund­sät­zen ver­wer­ten. Und beim Woh­nungs­bau ist es ein­fach nicht zweck­dient­lich, pri­vate Gewinne zu sub­ven­tio­nie­ren, noch dazu mit Sum­men, die an die Bau­kos­ten her­an­rei­chen. Wir wol­len preis­wer­ten öffent­li­chen Wohnungsbau.

Was ist zu tun?

In der UZ von mor­gen fin­det Ihr auf der Seite 5 einen Arti­kel über eine Aktion in Nürn­berg, dem ein Kas­ten mit For­de­run­gen des Nürn­ber­ger Sozi­al­fo­rums bei­gesellt ist. Diese For­de­run­gen ent­spre­chen dem gegen­wär­ti­gen Niveau der Aus­ein­an­der­set­zun­gen und sind vernünftig

1. Neue Wohnungsgemeinnützigkeit

Wir for­dern die Ein­füh­rung einer neuen Woh­nungs­ge­mein­nüt­zig­keit als Alter­na­tive zur ren­di­te­ori­en­tier­ten Wohnungswirtschaft

2. Mie­ten­an­stieg stoppen

Wir for­dern eine wirk­same, flä­chen­de­ckende Begren­zung des Mie­ten­an­stiegs durch recht­lich ver­bind­li­che Miet­spie­gel, die das tat­säch­li­che Mie­ten­ni­veau aller Woh­nun­gen abbilden

3. Keine Ver­drän­gung durch Modernisierung

Die Umlage der Moder­ni­sie­rungs­kos­ten auf die Miete (§ 559 BGB) muss abge­schafft werden

4. Zwangs­räu­mun­gen ver­hin­dern – Kün­di­gungs­schutz verbessern

Wir for­den einen wirk­sa­men Kün­di­gungs- und Räu­mungs­schutz für Mie­ter und Mieterinnen

5. Leer­stände beenden

Wir for­den, dass die Ver­mie­tung von spe­ku­la­ti­vem Leer­stand erzwun­gen wer­den kann. Instand­be­set­zun­gen müs­sen lega­li­siert werden

6. Neu­aus­rich­tung der Bodenpolitik

Wir for­dern, dass der Aus­ver­kauf öffent­li­cher Lie­gen­schaf­ten und Woh­nungs­be­stände gestoppt und umge­kehrt wird

7. Woh­nungs­un­ter­neh­men demo­kra­ti­sie­ren – Kol­lek­tive Rechte schaffen

Wir for­dern kol­lek­tive Mie­te­rIn­nen­recht in allen Woh­nungs­un­ter­neh­men und echte Mit­be­stim­mung im öffent­li­chen und gemein­nüt­zi­gen Wohnungssektor

Ich möchte auf die erste For­de­rung näher ein­ge­hen, weil sie häu­fig ver­ges­sen wird. Es han­delt sich um die For­de­rung nach einer Neuen Wohnungsgemeinnützigkeit.

Der eine oder andere wird sich sicher an die Neue Hei­mat und ihre Nach­fol­ge­rin, die LEG, erin­nern, die sei­ner­zeit von Rütt­gers und sei­ner Regie­rung für sehr bil­li­ges Geld ver­schleu­dert wor­den ist. Auch in Düs­sel­dorf wur­den dage­gen Unter­schrif­ten gesammelt.

Die Neue Hei­mat hat bis in die acht­zi­ger Jah­ren hin­ein etwa 200.000 Woh­nun­gen als gemein­nüt­zi­ges Unter­neh­men bewirt­schaf­tet. Aber im Februar 1982 kam her­aus, dass sich meh­rere Vor­stands­mit­glie­der per­sön­lich berei­chert hat­ten. Der Skan­dal wurde durch einen par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schuss des Bun­des­tags auf­ge­ar­bei­tet. In der Folge ver­lor die Idee der Woh­nungs­ge­mein­nüt­zig­keit an öffent­li­cher Zustim­mung. Was ist die Idee der Gemein­nüt­zig­keit? Gemein­nüt­zige Unter­neh­men ver­zich­ten weit­ge­hend auf Gewinn, erfül­len soziale Auf­ga­ben und wer­den des­we­gen steu­er­lich frei gestellt.

Tat­säch­lich hatte der dama­lige Unter­su­chungs­aus­schuss in sei­nem Schluss­be­richt am 7. Januar 1987 for­mu­liert, dass sich die Woh­nungs­ge­mein­nüt­zig­keit als bewähr­tes und schüt­zens­wer­tes Prin­zip erwie­sen habe, das auch in Zukunft im Inter­esse der Woh­nungs­su­chen­den und der Woh­nungs­po­li­tik ins­be­son­dere in den Bedarfs­schwer­punk­ten unver­zicht­bar sei.

Aber die inter­es­sierte Woh­nungs­wirt­schaft und ent­spre­chende Kapi­tal­grup­pen nutz­ten die Gele­gen­heit zur Dif­fa­mie­rung der Idee der Gemein­nüt­zig­keit. Das erleich­terte die Auf­he­bung des Woh­nungs­ge­mein­nüt­zig­keits­rechts durch das Steu­er­re­form­ge­setz vom 3. August 1988. Es trat am 1. Januar 1990 in Kraft. Stol­ten­berg ver­sprach als Finanz­mi­nis­ter einen Gewinn von 100 Mil­lio­nen DM an zusätz­li­chen Steu­ern für den Fis­kus. Denn die Steu­er­pri­vi­le­gien der gemein­nüt­zi­gen Unter­neh­men der Woh­nungs­wirt­schaft wur­den abge­schafft. Steu­er­be­frei­ung sei zur Schaf­fung gesun­der und preis­wer­ter Woh­nun­gen für breite Schich­ten der Bevöl­ke­rung weder erfor­der­lich noch geeig­net. Für eine beson­dere gemein­nüt­zig­keits­recht­li­che Miet­preis­bin­dung gäbe es keine Recht­fer­ti­gung mehr.

Bestehende Miet­preis­bin­dun­gen und Woh­nungs­be­le­gungs­rechte wur­den in der Folge abge­baut. Wohn­geld­re­ge­lun­gen und sozi­al­hil­fe­recht­li­che Vor­schrif­ten tra­ten an ihre Stelle.

Womög­lich fiel die Abschaf­fung der Woh­nungs­ge­mein­nüt­zig­keit im Januar 1990 nicht ganz zufäl­lig mit der Abschaf­fung der DDR zusam­men. In der DDR-Ver­fas­sung von 1968 heißt es: «Jeder Bür­ger der Deut­schen Demo­kra­ti­schen Repu­blik hat das Recht auf Wohn­raum für sich und seine Fami­lie ent­spre­chend den volks­wirt­schaft­li­chen Mög­lich­kei­ten und ört­li­chen Bedin­gun­gen. Der Staat ist ver­pflich­tet, die­ses Recht durch die För­de­rung des Woh­nungs­baus, die Wert­erhal­tung vor­han­de­nen Wohn­raums und die öffent­li­che Kon­trolle über die gerechte Ver­tei­lung des Wohn­raums zu ver­wirk­li­chen.» Die­ses Recht hat kei­nes­weg auto­ma­tisch auch Wohn­raum ver­schafft, aber das in der Ver­fas­sung nie­der­ge­legte Grund­recht auf Woh­nung ver­pflich­tete die Woh­nungs­wirt­schaft der DDR auf ein Gemein­nüt­zig­keits­mo­dell. Das war jetzt aber schnell Ver­gan­gen­heit. Und so ent­fiel der Druck der Sys­tem­kon­kur­renz, der auch in ande­ren Fra­gen als drit­ter Tarif­part­ner gewirkt hat.

Mit der Abschaf­fung der Gemein­nüt­zig­keit wur­den kom­mu­nale Bestände, Werks­woh­nun­gen und Genos­sen­schaf­ten auf den Finanz­markt gewor­fen. Hier hat­ten sie Ren­dite zu erwirt­schaf­ten. Mitt­ler­weile beherr­schen große Hedge­fonds und andere Kapi­tal­grup­pen den Wohnungsmarkt.

Sehr spät setzte die Dis­kus­sion über eine neue Gemein­nüt­zig­keit ein. Sie mün­dete im ver­gan­ge­nen Jahr in Vor­schläge von Grü­nen und Links­par­tei. Die jewei­li­gen Gut­ach­ten stam­men von Jan Kuh­nert, bzw. Andrej Holm. Das Kon­zept ist so über­zeu­gend, dass sich auch der Deut­sche Mie­ter­bund (DMB) dazu ver­hal­ten musste. Er instal­lierte eine Kom­mis­sion zu die­sem Thema und drängt auf ein Gesetz für eine Neue Woh­nungs­ge­mein­nüt­zig­keit. Bezüg­lich der Aus­ge­stal­tung der For­de­run­gen stützt er sich auf Kuh­nert und Holm. Im Kern geht es bei den gegen­wär­ti­gen Dis­kus­sio­nen um die Regeln und sozia­len Bedin­gun­gen, die gewahrt sein müs­sen, damit ein Woh­nungs­un­ter­neh­men als gemein­nüt­zig gel­ten und von Steu­ern befreit wer­den kann.

Anläss­lich von Mie­ter­ak­tio­nen in ver­schie­de­nen Städ­ten am ver­gan­ge­nen Wochen­ende hat sich Patrik mit einer Erklä­rung an die Presse gewandt:

Am Ende heißt es «Immo­bi­li­en­kon­zerne müs­sen ver­ge­sell­schaf­tet wer­den. Erst dann kön­nen Städte end­lich wirk­sam gegen stei­gende Mie­ten vor­ge­hen und müs­sen sich nicht mehr hin­ter einer unbrauch­ba­ren Miet­preis­bremse ver­ste­cken. Wei­ter­hin braucht es ein Ver­bot, unbe­baute Grund­stü­cke als Spe­ku­la­ti­ons­flä­che leer­ste­hen zu las­sen. Auch Ent­mie­tun­gen zum Zwe­cke der gewinn­brin­gen­den Wei­ter­ver­mark­tun­gen gehö­ren verboten.

Die Poli­tik muss Woh­nen end­lich wie­der als Grund­recht ver­ste­hen. Mie­ten­wahn­sinn und Ver­drän­gung sind keine Natur­ge­setze. Die DKP for­dert einen neuen kom­mu­na­len Woh­nungs­bau. Das Leer­stands-Zweck­ent­frem­dungs­ver­bot muss kon­se­quent umge­setzt wer­den. Wir sind zugleich gegen Bör­sen­spe­ku­la­tion mit Wohn­raum und für das Ver­bot von kapi­ta­lis­ti­schen Immobilien-Großkonzernen.»

In der Tat benö­ti­gen wir am Gemein­wohl ori­en­tierte kom­mu­nale Woh­nungs­un­ter­neh­men, die ihre Woh­nun­gen dau­er­haft hal­ten und nicht gewinn­brin­gend bewirt­schaf­ten. Öffent­li­che Grund­stü­cke dür­fen nicht ver­kauft wer­den. Und wir wol­len die Neue Woh­nungs­ge­mein­nüt­zig­keit. Mit sol­chen For­de­run­gen kön­nen wir Mie­ter orga­ni­sie­ren, die sich gegen Gen­tri­fi­zie­rung, Zwangs­räu­mun­gen und Miet­erhö­hun­gen wehren.

Klaus Stein, Düs­sel­dorf, 14. Sep­tem­ber 2017