Ras­si­mus – behörd­lich betreut

Demonstrant mit VVN-Fahne.

1000 Poli­zis­ten sichern 55 Rassisten

Köln, Sams­tag, 7. Januar 2017, 14.00 Uhr: Ester Seitz, unter­stützt von Pro NRW, hatte einen Marsch unter dem Motto «Ein Jahr nach dem Köl­ner Sex-Pogrom: Kein Ver­ge­ben, kein Ver­ges­sen!» ange­kün­digt. 400 Teil­neh­mer waren avi­siert, 55 kamen.

Das Bünd­nis «Köln gegen Rechts» rief zu Pro­tes­ten auf, ebenso wie «Köln stellt sich quer» und andere anti­fa­schis­ti­sche Gruppen.

Vor dem Haupt­bahn­hof ver­sam­meln sich 500 Men­schen zur Gegen­kund­ge­bung. Grüne und rote Fah­nen. Der dem­ago­gi­sche Cha­rak­ter der Pro NRW-Aktion ist Thema: Frauen seien über­all sexu­el­ler Gewalt aus­ge­setzt. In Deutsch­land werde alle drei Minu­ten eine Frau ver­ge­wal­tigt, meist im häus­li­chen Umfeld. «Ver­ge­wal­ti­ger sind Ver­ge­wal­ti­ger, egal woher sie kommen.»

Auch Peter Tri­no­gga von der VVN Köln macht klar, dass die Pro NRW-Leute mit der Würde und kör­per­li­chen Unver­sehrt­heit von Men­schen nichts, aber auch gar nichts am Hut hät­ten. «Zu die­ser Bande gehö­ren Leute, die vor knapp 24 Jah­ren, damals noch als Funk­tio­näre der Deut­schen Liga für Volk und Hei­mat, einer Vor­läu­fer­or­ga­ni­sa­tion von Pro Köln und Pro NRW, Pla­kate kleb­ten, auf denen ein Kopf­geld auf eine ille­gal lebende Roma­frau aus­ge­setzt wurde – in dem Fall galt die Würde die­ser Frau über­haupt nichts – sie war ja keine Deut­sche, gehörte in den Augen der Ras­sis­ten nicht zum ‹Her­ren­volk›.»

Mat­thias Birk­wald, Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter der Links­par­tei, stellt den Zusam­men­hang mit der sozia­len Lage im Lande her: «Anti­ras­sis­ti­sche Poli­tik muss berech­tigte Sicher­heits­in­ter­es­sen der Men­schen ernst neh­men und braucht Ant­wor­ten auf die ste­tige Dro­hung sozia­ler Aus­gren­zung auch inner­halb der Mehr­heits­ge­sell­schaft.» Selbst­ver­ständ­lich sei Ras­sis­mus ver­bo­ten. Er sei unver­ein­bar mit dem Grund­ge­setz, Arti­kel 1: «Die Würde des Men­schen ist unantastbar.»

Bri­gitta von Bülow von «Köln stellt sich quer» for­dert dazu auf, rech­ter Pro­pa­ganda ins­be­son­dere im Wahl­jahr entgegenzutreten.

Den Weg der 55 Ras­sis­ten zum Neu­markt sichern 1000 Poli­zis­ten. Deren Auf­gabe ist es, die Gegen­de­mons­tran­ten auf Abstand zu hal­ten. Den­noch kommt es häu­fi­ger zu Kon­fron­ta­tio­nen und Stö­run­gen. Die Betreu­ung der 55 wird aber von der Poli­zei sehr ernst genom­men. Die rufen: «Mer­kel nach Sibi­rien, Putin nach Ber­lin!» Auf einem Pla­kat wird die Bun­des­kanz­le­rin abge­bil­det: «Rat­ten­füh­re­rin aus Ber­lin.» Zu sehen sind Rat­ten, die aus Afrika kom­men. Bei St. Apos­teln, dort, wo Apos­teln­straße und Ger­tru­den­straße auf­ein­an­der sto­ßen und Kon­rad Ade­nauer ein Denk­mal gesetzt wurde, gelingt es den Gegen­de­mons­tran­ten den Platz zu beset­zen, den Ester Seitz gerne für eine Zwi­schen­kund­ge­bung genutzt hätte. Da wird also nichts draus. Für die Poli­zei ein Straf­tat­be­stand und zwar «Teil­nahme an einer unan­ge­mel­de­ten Ver­samm­lung». Sie bean­wor­tet ihn mit der Ein­kes­se­lung von 200 Demons­tran­ten. Sechs berit­tene Poli­zis­ten behel­li­gen sie und rei­ten sinn­los in die Menge hin­ein. Irgend­wann wer­den Dixi-Klos her­an­ge­schafft. Offen­bar ist die Poli­zei dar­auf vor­be­rei­tet, die Demons­tran­ten einige Stun­den fest­zu­hal­ten. In der Tat ver­ge­hen Stun­den, bis die Per­so­na­lien der Frie­ren­den auf­ge­nom­men sind. Die Apos­teln­straße, ebenso wie der Zugang zur Mit­tel­straße, ist der­weil mit zahl­rei­chen Poli­zei­wan­nen voll­ge­stellt. Pas­san­ten müs­sen Umwege gehen. Mitt­ler­weile sind wegen des Eis­re­gens die Wege gefähr­lich glatt. Abends um 19.30 Uhr sind die letz­ten Anti­fa­schis­ten abge­fer­tigt. Sie hät­ten, so lau­tet die Aus­kunft, ein Ver­fah­ren wegen Ver­sto­ßes gegen das Ver­samm­lungs­ge­setz zu gewärtigen.

Um 21.00 Uhr schickt «Köln gegen Rechts» eine Pres­se­mit­tei­lung herum, in der die Vor­fälle geschil­dert wer­den, zuletzt heißt es: «Nach­dem die Köl­ner Poli­zei am Sil­ves­ter­abend hun­derte von Men­schen auf­grund ihres Aus­se­hens ein­ge­kes­selt hat, lan­de­ten dies­mal gegen Nazis pro­tes­tie­rende Anti­fa­schis­tIn­nen im Kes­sel. Das Ein­kes­seln hun­der­ter Men­schen ohne Straf­tat­be­stand scheint neuer Stan­dard der Köl­ner Poli­zei zu sein.»

Der­ar­tige Stan­dards mar­kie­ren indes, das ist zu befürch­ten, die Maß­ga­ben einer Rechts­ent­wick­lung, nach der die Gewäh­rung von Grund­rech­ten pas­sende Haut­farbe und genehme poli­ti­sche Ein­stel­lung voraussetzt.

Text und Foto: Klaus Stein


Foto­ga­le­rien von Klaus Müller: