2 Refe­rate der Innenstadtgruppe

Mit­glie­der­ver­samm­lung DKP Köln Innen­stadt 20. Sep­tem­ber 2016

Liebe Leser,

im Anhang bekommt Ihr zwei Refe­rate, die ges­tern auf der MV der Innen­stadt­gruppe gehal­ten wor­den sind: «Blau­pause Jugo­sla­wien» von Dirk, «Vor­be­rei­tung des Kriegs­falls, womög­lich des Staats­streichs» von mir. Außer­dem ein pas­sen­des Bild von der Bun­des­wehr auf der 70 Jahr-Feier des Lan­des NRW in Düs­sel­dorf am 27. August. Es ist von «Berndt Bellwinkel».

 

Vor­be­rei­tung des Kriegs­falls, Regeln für den Staatsstreich

Refe­rat über das Weiß­buch der Bun­des­wehr und die Kon­zep­tion Zivile Verteidigung.

Liebe Genos­sin­nen und Genossen,

der Krieg wird vorbereitet.

Dem dient die Ver­öf­fent­li­chung des neuen Bun­des­wehr­weiß­buchs im Juli und die „Kon­zep­tion Zivile Ver­tei­di­gung“ (KZV) im August.

Am 23. August schlag­zeilte die Köl­ni­sche Rund­schau: „Bund berei­tet Bevöl­ke­rung auf den Kriegs­fall vor“.

Das Weiß­buch (S. 28) klärt uns über Kriegs­ur­sa­chen auf. Die inter­na­tio­nale Ord­nung, wie sie nach Ende des Zwei­ten Welt­krie­ges geschaf­fen wor­den sei und noch heute mit ihren Orga­ni­sa­tio­nen und Insti­tu­tio­nen den Rah­men der inter­na­tio­na­len Poli­tik setze, sei im Umbruch. Die Trei­ber des Umbruchs: Glo­ba­li­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung. Sie hät­ten zu einer welt­wei­ten, alle gesell­schaft­li­chen Berei­che durch­drin­gen­den Ver­net­zung geführt. „Immer mehr Men­schen erhal­ten ver­bes­ser­ten Zugang zu Infor­ma­tion und Tech­no­lo­gie. Diese poli­ti­schen, öko­no­mi­schen und tech­no­lo­gi­schen Ver­flech­tun­gen zie­hen weit­rei­chende gesell­schaft­li­che und soziale Wand­lungs­pro­zesse nach sich. Der unsere Kom­mu­ni­ka­tion und unser Han­deln zuneh­mend domi­nie­rende Cyber- und Infor­ma­ti­ons­raum ist Aus­druck die­ser welt­um­span­nen­den Ver­flech­tung. Gleich­zei­tig beför­dert die Glo­ba­li­sie­rung auch die Ver­net­zung und Ver­brei­tung von Risi­ken und deren Fol­ge­wir­kun­gen. Dies reicht von Epi­de­mien über die Mög­lich­keit von Cyber­an­grif­fen und Infor­ma­ti­ons­ope­ra­tio­nen bis zum trans­na­tio­na­len Terrorismus.“

Als apo­ka­lyp­ti­sche Rei­ter der Sicher­heits­of­fen­ba­rung gel­ten im Weiß­buch: Anti­glo­ba­li­sie­rung, intro­ver­tier­ter bzw. radi­ka­ler Natio­na­lis­mus, Extre­mis­mus, reli­giö­ser Fana­tis­mus, Werte- und Nor­men­ver­fall, die demo­gra­phi­sche Ent­wick­lung und die Urba­ni­sie­rung. Das alles als zwin­gende Kon­se­quenz der unver­meid­li­chen Glo­ba­li­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung. (S. 29)

Das sind, woll­ten wir dem Weiß­buch fol­gen, die Kriegs­ur­sa­chen, nicht etwa der umfas­sende Herr­schafts­an­spruch, der sich aus dem prin­zi­pi­ell unstill­ba­ren Bedarf der impe­ria­lis­ti­schen Staa­ten an Roh­stof­fen und Ener­gie her­lei­tet und auf Seite 41 fol­gen­der­ma­ßen begrün­det wird. „Pro­spe­ri­tät unse­res Lan­des und Wohl­stand unse­rer Bür­ge­rin­nen und Bür­ger hän­gen auch künf­tig wesent­lich von der unge­hin­der­ten Nut­zung glo­ba­ler Informations‑, Kommunikations‑, Versorgungs‑, Trans­port- und Han­dels­li­nien sowie von einer gesi­cher­ten Roh­stoff- und Ener­gie­zu­fuhr ab. Eine Unter­bre­chung des Zugangs zu die­sen glo­ba­len öffent­li­chen Gütern zu Lande, zur See, in der Luft sowie im Cyber‑, Infor­ma­ti­ons- und Welt­raum birgt erheb­li­che Risi­ken für die Funk­ti­ons­fä­hig­keit unse­res Staa­tes und den Wohl­stand unse­rer Bevöl­ke­rung. Neben ter­ro­ris­ti­schen Anschlä­gen kom­men dabei Pira­te­rie, poli­ti­sche, wirt­schaft­li­che oder mili­tä­ri­sche Zwangs­maß­nah­men ebenso als mög­li­che Ursa­chen in Betracht wie Staats­zer­fall und regio­nale Kri­sen. Die wach­sen­den Inves­ti­tio­nen ver­schie­de­ner Staa­ten in Fähig­kei­ten, die Drit­ten den Zugang zu bestimm­ten Regio­nen ver­weh­ren sol­len, sind dabei von beson­de­rer Relevanz.“

Inter­es­sant ist, dass uns all die genann­ten Güter im inter­na­tio­na­len Ver­kehr als öffent­li­che prä­sen­tiert wer­den. Im Nor­mal­fall wer­den sie uns ja auf die pri­vate Rech­nung gesetzt und bei Zah­lungs­ver­zug verweigert.

Das Weiß­buch spricht von einer Ver­wi­schung der Gren­zen von Krieg und Frie­den. Wört­lich: „Das Merk­mal hybri­der Krieg­füh­rung, die Ver­wi­schung der Grenze zwi­schen Krieg und Frie­den, stellt dabei beson­dere Her­aus­for­de­run­gen an die Fest­stel­lung des Bünd­nis­falls nach Arti­kel 5 des NATO- Ver­trags.“ (S. 65)

Hybride Kriegs­füh­rung heißt die Tak­tik, mit der die durch den umfas­sen­den Herr­schafts­an­spruch begrün­de­ten stra­te­gi­schen Ziele umge­setzt wer­den sollen.

Dar­un­ter wird der Ein­satz mili­tä­ri­scher Mit­tel unter­halb der Schwelle eines kon­ven­tio­nel­len Krie­ges ver­stan­den. „Hybri­des Vor­ge­hen zielt dabei auf die sub­ver­sive Unter­mi­nie­rung eines ande­ren Staa­tes ab. Der Ansatz ver­bin­det ver­schie­denste zivile und mili­tä­ri­sche Mit­tel und Instru­mente in einer Weise, dass die eigent­li­chen aggres­si­ven und offen­si­ven Ziel­set­zun­gen erst in der Gesamt­schau der Ele­mente erkenn­bar wer­den.“ (S. 38)

Selbst­ver­ständ­lich haben damit andere ange­fan­gen. Und der Abwehr von hybri­den Bedro­hun­gen habe die effek­tive Ver­net­zung rele­van­ter Poli­tik­be­rei­che zu die­nen. Diese erhöhe „wesent­lich die Aus­sich­ten erfolg­rei­cher Resi­li­en­z­bil­dung zur Abwehr hybri­der Bedro­hun­gen. Hierzu gehö­ren auch ein bes­se­rer Schutz kri­ti­scher Infra­struk­tu­ren, der Abbau von Ver­wund­bar­kei­ten im Ener­gie­sek­tor, Fra­gen des Zivil- und des Kata­stro­phen­schut­zes, effi­zi­ente Grenz­kon­trol­len, eine poli­zei­lich garan­tierte innere Ord­nung und schnell ver­leg­bare, ein­satz­be­reite mili­tä­ri­sche Kräfte. Poli­tik, Medien und Gesell­schaft sind glei­cher­ma­ßen gefragt, wenn es darum geht, Pro­pa­ganda zu ent­lar­ven und ihr mit fak­ten­ba­sier­ter Kom­mu­ni­ka­tion ent­ge­gen­zu­tre­ten.“ (S. 39)

„Die mate­ri­elle Infra­struk­tur von Staat und Wirt­schaft ist ebenso Angriffs­ziel wie die öffent­li­che Mei­nung, die viel­fach Ver­su­chen exter­ner Ein­fluss­nahme aus­ge­setzt ist.“ (S. 60)

So wird bei­läu­fig die Aus­übung von Grund- und Bür­ger­rech­ten, in die­sem Fall (Arti­kel 5 GG) des Rechts, „seine Mei­nung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver­brei­ten und sich aus all­ge­mein zugäng­li­chen Quel­len unge­hin­dert zu unter­rich­ten“ zur feind­li­chen Handlung.

Der­ar­tig tota­li­tär ver­stan­dene Sicher­heits­vor­sorge dient als Vor­wand für eine durch­or­ga­ni­sierte Gesell­schaft, kon­trol­lierte Kom­mu­ni­ka­tion, Medien- und Innen­po­li­tik. Zitat: „Für die gesamt­staat­li­che Sicher­heits­vor­sorge ist die Stär­kung von Resi­li­enz und Robust­heit unse­res Lan­des gegen­über aktu­el­len und zukünf­ti­gen Gefähr­dun­gen von beson­de­rer Bedeu­tung. Dabei gilt es, die Zusam­men­ar­beit zwi­schen staat­li­chen Orga­nen, Bür­ge­rin­nen und Bür­gern sowie pri­va­ten Betrei­bern kri­ti­scher Infra­struk­tur, aber auch den Medien und Netz­be­trei­bern zu inten­si­vie­ren. Das Mit­ein­an­der aller in der gemein­sa­men Sicher­heits­vor­sorge muss selbst­ver­ständ­lich sein.“ (S. 48)

Wenn der Unter­schied von Krieg und Frie­den nicht mehr defi­nier­bar ist, braucht sich der beun­ru­higte Sicher­heits­po­li­ti­ker über einen Man­gel an Kriegs­ge­fahr keine Sor­gen mehr zu machen. Folg­lich erör­tert das Weiß­buch eine unend­li­che Fülle von Bedro­hun­gen, u.a. durch den inter­na­tio­na­len Ter­ro­ris­mus, durch Cyber­an­griffe, durch die Beein­flus­sung der öffent­li­chen Mei­nung mit­tels digi­ta­ler Kom­mu­ni­ka­tion, durch hybride Kriegs­füh­rung. Aller­dings gebe es auch eine Renais­sance klas­si­scher Macht­po­li­tik. Auf das Feind­bild „böser Russe“ wird nicht ver­zich­tet. „Durch seine auf der Krim und im Osten der Ukraine zutage getre­tene Bereit­schaft, die eige­nen Inter­es­sen auch gewalt­sam durch­zu­set­zen und völ­ker­recht­lich garan­tierte Gren­zen ein­sei­tig zu ver­schie­ben, stellt Russ­land die euro­päi­sche Frie­dens­ord­nung offen in Frage.“ (S. 31) „Ohne eine grund­le­gende Kurs­än­de­rung wird Russ­land somit auf abseh­bare Zeit eine Her­aus­for­de­rung für die Sicher­heit auf unse­rem Kon­ti­nent dar­stel­len.“ (S. 32)

Mit sol­chen Bedro­hungs­sze­na­rien belegt das Weiß­buch die These von der Auf­lö­sung der Grenze von Krieg und Frie­den. Vor allem recht­fer­tigt es impli­zit mili­tä­ri­sche Aktio­nen unter­halb der Schwelle des offe­nen Krie­ges, so wie wir sie von der Krieg­füh­rung der US-Armee in Afgha­ni­stan, Paki­stan, Irak, Libyen und Syrien ken­nen. Aller­dings ver­schweigt es die damit ver­bun­dene Gefahr des Über­gangs zum offe­nen Krieg.

Die Ver­wi­schung der Grenze zwi­schen Krieg und Frie­den ist mili­ta­ris­ti­sches Pro­gramm und Kern­aus­sage des Weiß­bu­ches. Damit wird der Über­griff des Mili­tä­ri­schen auf das Zivil­le­ben, die Mili­ta­ri­sie­rung wei­ter Berei­che des All­tags, ihre Unter­ord­nung unter mili­tä­ri­sche Ziele begründet.

In die­sem Sinne ergänzt die „Kon­zep­tion Zivile Ver­tei­di­gung“ die Ein­schät­zung umfas­sen­der Bedro­hung durch das Weiß­buch. Es sei Auf­gabe der Zivi­len Ver­tei­di­gung, sich auf die Abwehr der neuen Gefah­ren aus­zu­rich­ten, ohne dabei ihre Auf­ga­ben bei der klas­si­schen Lan­des- und Bünd­nis­ver­tei­di­gung zu ver­nach­läs­si­gen. Die wach­sende Ver­wund­bar­keit der moder­nen Infra­struk­tur und die Res­sour­cen­ab­hän­gig­keit moder­ner Gesell­schaf­ten böten viel­fäl­tige Angriffs­punkte. Die Ver­brei­tung von Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen und ihrer Trä­ger­sys­teme, Kon­flikt­füh­rung mit ter­ro­ris­ti­schen Mit­teln und Angriffe im Cyber­raum könn­ten zu einer direk­ten Bedro­hung Deutsch­lands und sei­ner Ver­bün­de­ten wer­den. Ins­ge­samt sei zu erwar­ten, dass die Wech­sel­wir­kun­gen von inne­rer und äuße­rer Sicher­heit wei­ter zuneh­men. (KZV S. 13)

Bei hybri­den Bedro­hun­gen seien fol­gende Beson­der­hei­ten zu berücksichtigen:

- Viel­falt offe­ner und ver­deck­ter Angriffe,

- Mischung kon­ven­tio­nel­ler und irre­gu­lä­rer Kräfte/Fähigkeiten,

- Mischung mili­tä­ri­scher und zivi­ler Wirkmittel,

- Fokus­sie­rung auf ver­wund­bare Struk­tu­ren als Angriffsziele,

- Unüber­sicht­lich­keit poten­zi­el­ler Schadensszenarien,

- Erschwerte Wahr­neh­mung und Zuordnung,

- kurze oder gänz­lich ent­fal­lende Vorwarnzeiten.

Wir haben es also mit Über­le­gun­gen und Stra­te­gien zu tun, die sich dem­ge­gen­über auf die fol­gen­den Ele­mente konzentrieren:

- Ver­bes­se­rung des Bewusst­seins für hybride Bedrohungen,

- Stär­kung der Resilienz,

- Stär­kung von Prä­ven­tion, Kri­sen­re­ak­tion und Wiederaufbau,

- Ver­bes­se­rung der Zusam­men­ar­beit mit der NATO bei der Abwehr hybrider

Bedro­hun­gen.

Mit einem Wort, die Abwehr durch­dringt jetzt eine Viel­zahl zivi­ler Berei­che. Wir bekom­men es mit der Mili­ta­ri­sie­rung des All­tags zu tun.

Das ist der Zweck der Kon­zep­tion Zivile Verteidigung.

Die KZV bezieht sich auf das Weiß­buch. Auf S. 13 heißt es: „Die KZV folgt des­halb der Bedro­hungs­ein­schät­zung der Bun­des­re­gie­rung, wie sie im ‹Weiß­buch 2016 zur Sicher­heits­po­li­tik und zur Zukunft der Bun­des­wehr› beschrie­ben ist. … Beson­de­res Augen­merk mit Blick auf die Lan­des­ver­tei­di­gung erhiel­ten dabei hybride Bedro­hun­gen sowohl durch staat­li­che als auch nicht­staat­li­che Akteure.“

„Eine pro­ak­tive Infor­ma­ti­ons­stra­te­gie des Bun­des und der Län­der soll die Bevöl­ke­rung, Inter­es­sen­ver­tre­ter, die Fach­öf­fent­lich­keit, die Medien, die Betrei­ber Kri­ti­scher Infra­struk­tu­ren sowie die poli­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­ger auf mög­li­che Kri­sen­fälle vor­be­rei­ten. Sie ver­folgt das Ziel, die genann­ten Ziel­grup­pen hin­sicht­lich mög­li­cher Gefah­ren und Bedro­hun­gen, ihrer mög­li­chen Kon­se­quen­zen für den Staat und die Bevöl­ke­rung sowie über die Pla­nun­gen von Gegen­maß­nah­men und Schutz­mög­lich­kei­ten auf­zu­klä­ren und zur Vor­sorge anzu­re­gen.“ (S. 16)

In der Öffent­lich­keit sind ins­be­son­dere die Maß­nah­men zur Vor­sorge erör­tert wor­den, wie bei­spiels­weise die Siche­rung bei Trink­was­ser, Ernäh­rung, Medi­zin, Kom­mu­ni­ka­tion, Daten­ver­ar­bei­tung, Bar­geld, Abwas­ser und Ener­gie. Häu­fig, ins­be­son­dere bei der füh­ren­den Blät­tern, wur­den diese Maß­nah­men ver­gli­chen mit denen der fünf­zi­ger Jahre und waren Anlass für Satire, etwa wenn die FAZ an meh­re­ren Tagen im August zur Illus­tra­tion der Infor­ma­tio­nen über die KZV das Bild eines Hams­ters wählte.

Und tat­säch­lich: „Die Bevöl­ke­rung soll durch geeig­nete Maß­nah­men ange­hal­ten wer­den, zur Eigen-/ Erst­ver­sor­gung bis zur Instal­la­tion staat­li­cher Ein­zel­maß­nah­men für einen Zeit­raum von fünf Tagen je zwei Liter Was­ser pro Per­son und Tag in nicht gesund­heits­schäd­li­cher Qua­li­tät vor­zu­hal­ten.“ (S. 46 f)

„Die Bevöl­ke­rung soll durch geeig­nete Maß­nah­men zur Über­brü­ckung kurz­fris­ti­ger Stromausfälle

befä­higt wer­den. Das Vor­be­rei­tungs­maß­nah­men wie ins­be­son­dere Vor­hal­tung war­mer Decken und Klei­dung, beinhal­tet ent­spre­chende Vor­rat an Kohle, Bri­ketts oder Holz für Kamin/Ofen, Vor­rat an Ker­zen und Taschen­lam­pen (Kurbel‑, Solar­leuch­ten) sowie Ersatz­leucht­mit­teln, Bat­te­rien, Streich­höl­zern, gela­dene Akkus an Com­pu­tern, Mobil­te­le­fo­nen, Tele­fo­nen, Vor­hal­tung solar­be­trie­be­ner Bat­te­rie­la­de­ge­räte, Vor­hal­tung netz­un­ab­hän­gi­ger Radio­ge­räte, Bar­geld­re­serve.“ (S. 5)

Zum Ein­satz der Bun­des­wehr im Inne­ren sagt schon das Weiß­buch: „Aus­drück­lich zuge­las­sen in Arti­kel 35 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 des Grund­ge­set­zes ist der Ein­satz der Streit­kräfte im Innern zur Hilfe bei Natur­ka­ta­stro­phen und beson­ders schwe­ren Unglücks­fäl­len (Kata­stro­phen­not­stand) auf Anfor­de­rung eines Lan­des oder auf Anord­nung der Bun­des­re­gie­rung. Das Vor­lie­gen eines

beson­ders schwe­ren Unglücks­falls kommt auch bei ter­ro­ris­ti­schen Groß­la­gen in Betracht. Durch das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt wurde dabei bestä­tigt, dass die Streit­kräfte zur Unter­stüt­zung der Poli­zei­kräfte bei der wirk­sa­men Bekämp­fung des Unglücks­falls unter engen Vor­aus­set­zun­gen auch hoheit­li­che Auf­ga­ben unter Inan­spruch­nahme von Ein­griffs- und Zwangs­be­fug­nis­sen wahr­neh­men kön­nen.“ (S. 110)

Es han­delt sich dabei um einen wei­te­ren Schritt der Aus­deh­nung der Einsatzfälle.

Klaus Stein, 20. Sep­tem­ber 2016

 Das Refe­rat als pdf

Blau­pause Jugoslawien

Am 11. März 2006 wurde Slo­bo­dan Milo­se­vic tot in sei­ner Zelle im Haa­ger Gefäng­nis auf­ge­fun­den. Es ist davon aus­zu­ge­hen, dass er ermor­det wurde, wahr­schein­lich durch die Ver­ab­rei­chung fal­scher Medi­ka­mente. Er wurde zu unbe­quem. Der Pro­zess gegen ihn vor dem soge­nann­ten „Tri­bu­nal zur Ver­fol­gung von Kriegs­ver­bre­chen im ehe­ma­li­gen Jugo­sla­wien (ICTY)“ sollte ein Schau­pro­zess wer­den. Ein­ge­rich­tet und finan­ziert wurde das „Tri­bu­nal“ von den USA und den übri­gen NATO-Staa­ten sowie ihrer Rüs­tungs- und Medi­en­kon­zerne. Milo­se­vic sollte als Haupt­ver­ant­wort­li­cher für den Bür­ger­krieg in Jugo­sla­wien vor­ge­führt und die völ­ker­rechts­wid­ri­gen Aggres­sio­nen der NATO nach­träg­lich legi­ti­miert wer­den. Aber der Pro­zess geriet nicht. Der Ange­klagte wurde zum Klä­ger, dem es gelang in bril­lan­ter Weise die Ver­ant­wort­li­chen für die Aus­lö­sung und Eska­la­tion des Bür­ger­kriegs in Kroa­tien, Bos­nien-Her­ze­go­wina und im Kosovo und die Kriegs­ver­bre­chen der NATO auf­zu­de­cken. Beson­ders hob er die Rolle Deutsch­lands bei der Zer­schla­gung Jugo­sla­wi­ens hervor.

Sofort nach dem Zusam­men­bruch der UdSSR und des sozia­lis­ti­schen Staa­ten­bun­des in Europa gin­gen die Sie­ger daran, die „neue Welt­ord­nung“ zu instal­lie­ren. Im Sie­ges­tau­mel spra­chen die Apo­lo­ge­ten des Neo­li­be­ra­lis­mus gar vom „Ende der Geschichte“. Die Schran­ken für den Expan­si­ons­drang des Kapi­tals waren ent­fal­len, die Rück­sicht­nahme aufs Völ­ker­recht erüb­rigte sich. Die NATO gab sich ein neues Kon­zept („Ver­tei­di­gungs­pol. Richt­li­nien“ der NATO 1992), das die Durch­set­zung „west­li­cher Werte“(sprich öko­no­mi­scher Inter­es­sen) und den Zugang zu frem­den Res­sour­cen als Gründe mili­tä­ri­scher Ein­sätze fest­ge­legte. Der Rück­fall zum Recht des Stärkeren.

Aller­dings galt es, die letz­ten sozia­lis­ti­schen Reste, die Sozia­lis­ti­sche Bun­des­re­pu­blik Jugo­sla­wien, zu besei­ti­gen. Jugo­sla­wien befand sich zu Beginn der 90er Jahre poli­tisch und öko­no­misch in einer tie­fen Krise. Das hing natür­lich mit dem Weg­fall der UdSSR und der übri­gen sozia­lis­ti­schen Län­der als wich­tigste Han­dels­part­ner zusam­men. Und auch Män­gel des jugo­sla­wi­schen Modells des Markt-sozia­lis­mus und poli­ti­sche Feh­ler tru­gen dazu bei, wie z.B. die Erwei­te­rung der Auto­no­mie­rechte 1974 und die damit ver­bun­dene Aus­höh­lung der Bun­des­kom­pe­ten­zen und För­de­rung von Abspal­tungs-ten­den­zen der Teil­re­pu­bli­ken. Die bestehen­den teil­weise beträcht­li­chen Ent­wick­lungs­un­ter­schiede zwi­schen die­sen wur­den dadurch verstärkt.

Aber vor allem war der Nie­der­gang Jugo­sla­wi­ens das Resul­tat west­li­cher Ein­mi­schung und Desta­bi­li­sie­rungs­po­li­tik. Zu nen­nen ist hier neben der Unter­stüt­zung sepa­ra­tis­ti­scher Kräfte und Schü­ren eth­ni­scher Kon­flikte durch west­li­che Geheim­dienste die Rolle des IWF und der Welt­bank. Seit Anfang der 80er Jahre geriet Jugo­sla­wien immer mehr in die Abhän­gig­keit west­li­cher Kredite.

Die Fol­gen der vom IWF und Welt­bank oktroy­ier­ten Schock­the­ra­pie, sog. „Struk­tur­an­pas­sungs-maß­nah­men“ waren für die jugo­sla­wi­sche Wirt­schaft ver­hee­rend. Das im Herbst 1989 zwi­schen dem jugo­sla­wi­schen Pre­mier­mi­nis­ter Ante Mar­ko­vic und George Bush (sen.) in Washing­ton abge­schlos­sene finan­zi­elle Hilfs­pa­ket sah im Gegen­zug umfas­sende Wirt­schafts­re­for­men vor, die u.a. die Auf­lö­sung des öffent­li­chen Sek­tors, die Besei­ti­gung der Arbei­ter­selbst­ver­wal­tung in den Betrie­ben, die Pri­va­ti­sie­rung der jugo­sla­wi­schen Wirt­schaft und die Auf­he­bung aus­län­di­scher Inves­ti­ti­ons-beschrän­kun­gen zum Ziel hat­ten. In der Folge bra­chen in den ers­ten sechs Mona­ten von 1990 die Real­löhne um 41% ein. Das Brut­to­in­lands­pro­dukt ging 1991 um wei­tere 15% zurück, die Indus­trie-pro­duk­tion fiel gar um 21%. Die jugo­sla­wi­sche Haus­halts­struk­tur brach zusam­men, die bun­des-staat­li­chen Insti­tu­tio­nen waren ange­sichts der Anhäu­fung der Aus­lands­schul­den so gut wie handlungsunfähig.

Das war der Nähr­bo­den für die Ver­schär­fung der schwe­len­den eth­ni­schen Span­nun­gen und sepa­ra­tis­ti­scher Ten­den­zen. „Die vom IWF aus­ge­löste Haus­halts­krise schuf somit voll­endete Tat­sa­chen: Sie führte de facto zur wirt­schaft­li­chen Spal­tung Jugo­sla­wi­ens und ebnete den Weg für Kroa­tien und Slo­we­ni­ens for­male Abspal­tung im Juni 1991“. (Michael Chos­su­dovsky, Glo­bal Bru­tal, S.285)

In den Wah­len zu den Repu­blik­spar­la­men­ten 1990 gewann die „Kroa­ti­sche Demo­kra­ti­sche Gemein­schaft“ Franjo Tudj­mans dank des unde­mo­kra­ti­schen Mehr­heits­wahl­sys­tems 62% der Stim­men. Sie trat ein für die Ein­füh­rung der Markt­wirt­schaft und einen eige­nen kroa­ti­schen Staat. In den übri­gen Repu­bli­ken gewan­nen eben­falls natio­na­lis­ti­sche Par­teien, die für die Abspal­tung von Jugo­sla­wien ein­tra­ten. In Slo­we­nien hieß der Sie­ger DEMOS (Demo­kra­ti­sche Union Slo­we­ni­ens), in Maze­do­nien die „Innere Maze­do­ni­sche Revo­lu­tio­näre Orga­ni­sa­tion“ und in Bos­nien-Her­ze­go­wina die radi­kal­is­la­mis­ti­sche „Mos­le­mi­sche Ver­ei­ni­gung für Demo­kra­ti­sche Aktion“ von Alija Izet­be­go­vic. Ein­zig in Ser­bien und Mon­te­ne­gro konnte sich die kom­mu­nis­ti­sche Par­tei („Der Bund der Kom­mu­nis­ten“), mitt­ler­weile in Sozia­lis­ti­sche Par­tei Ser­bi­ens umbe­nannt, behaup­ten und die Mehr­heit der Par­la­ments­sitze errin­gen. Fol­ge­rich­tig fand am 23.12.1990 in Slo­we­nien ein Refe­ren­dum über die Unab­hän­gig­keit statt, bei dem 85,5% der Teil­neh­mer dafür stimm­ten. Es folg­ten die Kroa­ten am 19.5.1991 mit über 90% Zustim­mung zu einer Abspal­tung und am 8.9. 1991 stimm­ten in Maze­do­nien 72% bei einem Refe­ren­dum für die Unab­hän­gig­keit. Die Abstim­mun­gen in Kroa­tien und Maze­do­nien wur­den von der ser­bi­schen Bevöl­ke­rungs­min­der­heit boykottiert.

Die über­eilte Aner­ken­nung Slo­we­ni­ens und Kroa­ti­ens am 23.12.1991 durch die deut­sche Regie­rung war der Fun­ken, der das Pul­ver­fass der inner­ju­go­sla­wi­schen eth­ni­schen und reli­giö­sen Span­nun­gen zur Explo­sion brachte. Damit trägt die deut­sche Regie­rung unter Kohl die Ver­ant­wor­tung für den Aus­bruch des Bür­ger­kriegs in Jugo­sla­wien. Die Bilanz: 200.000 Tote, Mil­lio­nen Flücht­linge und immense mate­ri­elle Schä­den (nach Schät­zun­gen zwi­schen 50 und 200 Mil­li­ar­den US-Dol­lar). Die Aner­ken­nung erfolgte gegen den Wil­len der USA und der übri­gen euro­päi­schen Staa­ten und unter Miss­ach­tung aller War­nun­gen unter ande­rem der UNO. Alle Bemü­hun­gen der EG und der UNO, den Bür­ger­krieg abzu­wen­den und zu einer fried­li­chen Lösung zu gelan­gen wurde von dem Vor­stoß Gen­schers kon­ter­ka­riert. So hat­ten am 20.6. 1991 die Außen­mi­nis­ter der KSZE-Staa­ten auf ihrer Tagung in Ber­lin eine Erklä­rung ver­ab­schie­det, in der sie sich für die Ein­heit Jugo­sla­wi­ens aus­spra­chen. Die Zustim­mung der übri­gen EG-Staa­ten wurde anschlie­ßend mit der Dro­hung, den zuvor am 10. Dezem­ber von den Regie­rungs­chefs rati­fi­zier­ten „Maas­tricht-Ver­trag“ und die darin ver­ein­barte gemein­same Außen­po­li­tik plat­zen zu las­sen, erpresst. Die EG-Außen­mi­nis­ter beschlie­ßen zum 15.1. 1992 die Aner­ken­nung der Unab­hän­gig­keit der jugo­sla­wi­schen Republiken.

Mit der Weg­fall der Sys­te­mal­ter­na­tive und der Ein­ver­lei­bung der DDR hat Deutsch­land an poli­ti­schen und öko­no­mi­schen Gewicht gewon­nen. Im „Zwei-plus-Vier-Ver­trag“, dem Ver­trag über die abschlie­ßende Rege­lung in Bezug auf Deutsch­land vom 12. Sept. 1990, musste sich Deutsch­land als Bedin­gung für die Eini­gung auf die Ein­hal­tung des Frie­dens­ge­bots und die Unter­las­sung von Hand­lun­gen, die geeig­net sind, das fried­li­che Zusam­men­le­ben der Völ­ker zu stö­ren, ver­pflich­ten. Ein Jahr spä­ter war davon nicht mehr die Rede. Nun war die Zeit der erzwun­ge­nen mili­tä­ri­schen Zurück­hal­tung vor­bei. Man wollte wie­der zur „Nor­ma­li­tät“ zurück­keh­ren und „Ver­ant­wor­tung“ über­neh­men. Die „Ver­tei­di­gungs­po­li­ti­schen Richt­li­nien“ von 1992 defi­nier­ten die Auf­recht­erhal­tung des freien Welt­han­dels und den unge­hin­der­ten Zugang zu Märk­ten und Roh­stof­fen in aller Welt als „vitale Sicher­heits­in­ter­es­sen“. Das Weiß­buch von ´94 spricht ebenso von einer „neuen Ver­ant­wor­tung“ und ver­langt den Ein­satz der Bun­des­wehr nach „deut­schen Wert­vor­stel­lun­gen“ (sprich: Inter­es­sen). Am deut­schen Wesen soll wie­der die Welt gene­sen! „Der Bür­ger­krieg in Jugo­sla­wien war der Hebel, mit dem die Ver­fas­sungs­be­schrän­kun­gen für den welt­wei­ten Ein­satz der Bun­des­wehr aus den Angeln geho­ben (…) wer­den sollte.“ (Hart­mann, Die ehr­li­chen Mak­ler, S.195)

Das rück­sichts­lose Vor­pre­schen Deutsch­lands bei der Aner­ken­nung Slo­we­ni­ens und Kroa­ti­ens war der erste Schritt zur Schaf­fung einer deut­schen Ein­fluß­sphäre in Mit­tel- und Ost­eu­ropa und Aus­druck des Stre­bens nach Macht, Ein­fluss und einer Füh­rungs­rolle in Europa. Und es ging nicht zuletzt darum, sich für zwei Nie­der­la­gen an Jugo­sla­wien zu revan­chie­ren und die Ziele der Bal­kan-Poli­tik des Kai­ser­reichs und des deut­schen Faschis­mus zu rea­li­sie­ren. Von der Kon­ti­nui­tät in den Ziel­set­zun­gen der deut­schen Außen­po­li­tik und dem Bewußt­sein der Herr­schen­den zeugt fol­gen­des Zitat von Klaus Kin­kel, der Gen­scher 1992 als Außen­mi­nis­ter ablöste: „Nach außen gibt es etwas zu voll­brin­gen, woran wir zwei­mal zuvor geschei­tert sind(…)“(FAZ 19.3.1993). Gemeint ist der in den bei­den Welt­krie­gen miss­lun­gene Ver­such, Jugo­sla­wien zu zer­schla­gen und die Hege­mo­nie in Europa zu erlan­gen. In Anleh­nung an die unter Wil­helm II. belieb­ten Losung „Ser­bien muss ster­bien!“ for­derte Kin­kel im Mai ’92: „Wir müs­sen die Ser­ben in die Knie zwin­gen!“ (Die Zeit, 2.9.94)

Früh kam der Ruf nach einer mili­tä­ri­schen Inter­ven­tion mit deut­scher Betei­li­gung. Im Novem­ber 1991 for­derte bei­spiels­weise Wolf­gang Schäuble, damals Innen­mi­nis­ter, „not­falls auch mili­tä­risch ein­zu­grei­fen, um das Blut­ver­gie­ßen zu been­den“. Eine Hetz­kam­pa­gne gegen die Ser­ben, Berichte über angeb­li­che ser­bi­sche Ver­ge­wal­ti­gungs­la­ger in Bos­nien etwa, sorg­ten für Empö­rung und eine breite Zustim­mung in der Bevöl­ke­rung. Für die Eska­la­tion der Gewalt wurde aus­schließ­lich Ser­bien und Mon­te­ne­gro, ab dem 27.4.1992 „Bun­des­re­pu­blik Jugo­sla­wien“, ver­ant­wort­lich gemacht. Über die Mas­sen­ver­trei­bung der Ser­ben aus der Kra­jina ver­mochte man sich indes nicht zu empö­ren. Es blieb bei einer fol­gen­lo­sen Kri­tik der UNO. Die anti­ser­bi­sche Hal­tung des Wes­tens musste natür­lich die sezes­sio­nis­ti­schen Kräfte ermun­tern den Bür­ger­krieg wei­ter zu eska­lie­ren, weil man davon aus­ge­hen konnte, dass für alles die Ser­ben ver­ant­wort­lich gemacht werden.

Deutsch­land tat sich beson­ders dabei her­vor, den Bür­ger­krieg wei­ter anzu­hei­zen. So setzte sich die Bun­des­re­gie­rung wie­der­holt für die Auf­he­bung des Waf­fen­em­bar­gos gegen­über den Mos­lems in Bos­nien-Her­ze­go­wina ein. Da man damit nicht durch­drang, ging man dazu über, mit Waf­fen­lie­fe­run­gen aus den Bestän­den der NVA das Embargo zu umge­hen. Waf­fen­lie­fe­run­gen aus dem Iran an die Mos­lems wur­den vom Wes­ten geduldet.

Auf die Schuld­zu­wei­sung an die ser­bi­sche Seite folg­ten Sank­tio­nen. Am 8. Novem­ber ’91 beschloss die EG Wirt­schafts­sank­tio­nen gegen Ser­bien und Mon­te­ne­gro, denen sich die USA anschlos­sen. Am 30. Mai ’92 beschloss der Sicher­heits­rat auf Betrei­ben Deutsch­lands die Ver­schär­fung der Sank­tio­nen, nach­dem ein Gra­na­ten­an­griff auf einem Markt in Sara­jevo, der 22 Tote for­derte, der ser­bi­schen Seite zuge­scho­ben wurde. Diese Sank­ti­ons­po­li­tik war das Vor­spiel zu den mili­tä­ri­schen Ein­sät­zen der NATO gegen die ser­bi­sche Seite.

Die NATO greift im Juli ’92 in den Kon­flikt ein, anfangs mit Ein­sät­zen zur vor­geb­li­chen Embar­go­über­wa­chung. Deut­sche Sol­da­ten waren an die­sen wie an wei­te­ren Aktio­nen der NATO betei­ligt. So an den AWACS-Ein­sät­zen, an der Bil­dung der Schnel­len Ein­greif­truppe der NATO im Juni ’95 und im Dezem­ber ’95 an den mili­tä­ri­schen Maß­nah­men zur Absi­che­rung des Day­ton-Abkom­mens. Die mili­tä­ri­sche Inter­ven­tion der NATO war natür­lich wenig geeig­net, eine Dees­ka­la­tion in Bos­nien-Her­ze­go­wina, wo der Bür­ger­krieg am blu­tigs­ten tobte, her­bei­zu­füh­ren. Ent­spre­chende Bemü­hun­gen der UNO wur­den regel­mä­ßig kon­ter­ka­riert. Die mili­tä­ri­sche Inter­ven­tion galt der Zurück­drän­gung der bos­ni­schen Ser­ben, die Ende ’92 rund 70% des Ter­ri­to­ri­ums von Bos­nien-Her­ze­go­wina kon­trol­lier­ten. Die­ses Ziel war auch mit der Bil­dung einer mos­le­misch-kroa­ti­schen Föde­ra­tion auf Druck Washing­tons im März ’93 ver­bun­den, de facto ein Kriegs­bünd­nis gegen die Ser­ben, mit der Folge des end­gül­ti­gen Schei­terns des Frie­dens­pla­nes der UNO und der EU.

Zu einem Ende kam der Bür­ger­krieg in Bos­nien-Her­ze­go­wina erst mit dem Frie­dens­ab­kom­men in Day­ton am 21.11.1995. Bos­nien-Her­ze­go­wina wurde in eine mos­le­misch-kroa­ti­sche Föde­ra­tion und die Ser­bi­sche Repu­blik (Repu­blik Srpska) auf­ge­teilt und unter mili­tä­ri­scher Besat­zung der NATO und unter west­li­cher Admi­nis­tra­tion gestellt. An der Spitze der Kolo­ni­al­ad­mi­nis­tra­tion stand zunächst der UN-Son­der­be­auf­tragte Carl Bildt, der die volle Exe­ku­tiv­ge­walt in allen Zivil­an­ge­le­gen­hei­ten erhielt. Die Herr­schaft über die Wirt­schafts­po­li­tik wurde dem IWF, der Welt­bank und der Ost­eu­ro­pa­bank (EBWE) über­tra­gen. Sofort nahm man die Umstruk­tu­rie­rung des öffent­li­chen Sek­tors und den Ver­kauf von Staats­un­ter­neh­men und Kol­lek­tiv­be­trie­ben in Angriff. (Chos­su­dovsky, Glo­bal Bru­tal, S.280 ff.)

Der letzte Akt der Zer­schla­gung Jugo­sla­wi­ens erfolgte mit dem völ­ker­rechts­wid­ri­gen Angriffs­krieg der NATO gegen die „Bun­des­re­pu­blik Jugo­sla­wien“ 1999 mit tat­kräf­ti­ger Betei­li­gung Deutsch­lands unter einer rot-grü­nen Regie­rung mit der Troika Schrö­der, Fischer und Schar­ping. Die Bom­bar­die­rung Jugo­sla­wi­ens mit mehr als 32000 Luft­ein­sät­zen dau­erte vom 24. März bis zum 11. Juni 1999, also 78 Tage. Mit Betei­li­gung deut­scher Tor­na­dos. Bom­bar­diert wur­den neben mili­tä­ri­schen Zie­len, vor allem Indus­trie­an­la­gen, Elek­tri­zi­täts­werke, aber auch Kran­ken­häu­ser, Schu­len und andere zivile Ein­rich­tun­gen. Tau­sende Men­schen kamen dabei ums Leben. Schrö­der am 24.März: „Wir füh­ren kei­nen Krieg, aber wir sind auf­ge­ru­fen, eine fried­li­che Lösung im Kosovo auch mit mili­tä­ri­schen Mit­teln durchzusetzen.“

Die fried­li­che Lösung im Kosovo hat­ten NATO und EU zuvor hin­ter­trie­ben, den Kon­flikt durch Unter­stüt­zung der ter­ro­ris­ti­schen UCK wei­ter ange­heizt. Dem NATO-Krieg vor­aus ging eine mediale Hetz­kam­pa­gne gegen die Ser­ben. Ein regel­rech­tes Lügen­ge­bäude wurde zur Recht­fer­ti­gung des Krie­ges errich­tet. Die Ser­ben wür­den im Kosovo einen Völ­ker­mord bege­hen, KZ errich­ten (Fischer), sys­te­ma­tisch ver­ge­wal­ti­gen, Föten gril­len und mit den Köp­fen der Ermor­de­ten Fuß­ball spie­len. Es gelte ein zwei­tes Aus­schwitz zu ver­hin­dern (Fischer). Der soge­nannte „Huf­ei­sen­plan“ (Plan zur sys­te­ma­ti­schen Ver­trei­bung der Kosovo-Alba­ner) war ein Pro­dukt west­li­cher Geheim­dienste. Im Novem­ber ’99 prä­sen­tierte der „Inter­na­tio­nale Gerichts­hof für die Kriegs­ver­bre­chen im ehe­ma­li­gen Jugo­sla­wien (ITCY)“ 200 angeb­li­che Mas­sen­grä­ber. Die Ergeb­nisse der Unter­su­chun­gen, um wen es sich bei den Toten han­delt, wur­den indes als geheim ein­ge­stuft. Die mas­sen­hafte Flucht­welle aus dem Kosovo hat erst nach den und infolge der NATO-Angriffe begon­nen. Das soge­nannte „Mas­sa­ker von Racak“, eine Insze­nie­rung der UCK mit Schüt­zen­hilfe der USA, lie­ferte den ersehn­ten Anlass zum Losschlagen.

Als die Pro­pa­gan­da­ma­schine auf Hoch­tou­ren lief, waren die Kriegs­pla­nun­gen längst abge­schlos­sen. Kriegs­pläne von Bun­des­wehr­theo­re­ti­kern gab es bereits Anfang der 90er Jahre. Schrö­der befür­wor­tete schon als Kanz­ler­kan­di­dat ein mili­tä­ri­sches Ein­grei­fen. Die Ver­hand­lun­gen in Ram­bouil­let, die vor­geb­li­chen Frie­dens­be­mü­hun­gen der NATO waren eine Farce. US-Beamte, die an den Ver­hand­lun­gen teil­nah­men, drück­ten es so aus: „Wir hän­gen die Latte bei den Ver­hand­lun­gen bewußt hoch, dass die Ser­ben sie nicht über­sprin­gen kön­nen.“ (s. Hart­mann, Die glor­rei­chen Sie­ger, S.95) Bereits im August ’98 waren die Pla­nun­gen für die NATO-Inter­ven­tion abge­schlos­sen. Schar­ping beschreibt sie in sei­nem „Kriegs­ta­ge­buch“: Phase 0: Vor­be­rei­tung der Luft­streit­kräfte. Phase 1: Luft­ope­ra­tio­nen zur Durch­set­zung einer Flug­ver­bots­zone zur Errin­gung der Luft­ho­heit über Jugo­sla­wien und dem Kosovo. Ein­sätze im Kosovo. Phase 2: Aus­wei­tung der Angriffe auf Ser­bien. Phase 3: Neben der Bom­bar­die­rung mili­tä­ri­scher Ziele auch die Bom­bar­die­rung u.a. von Elek­tri­zi­täts-wer­ken und Ölraffinerien.

Nach dem Ende der NATO- Bom­bar­die­rung wurde das Kosovo zu einer Art Mafia­pro­tek­to­rat, wo unter der pro­vi­so­ri­schen Regie­rung der UCK das kri­mi­nelle Ver­bre­chen und der Dro­gen­han­del blüh­ten. Unter den Augen der dort sta­tio­nier­ten KFOR-Trup­pen, an denen auch ein deut­sches Kon­tin­gent der soge­nann­ten „Kri­sen­re­ak­ti­ons­kräfte“ (KRK) betei­ligt war, fand die Mas­sen­ver­trei­bung der Ser­ben und Roma statt.

Davon unbe­rührt wurde sofort mit der Umstruk­tu­rie­rung der Wirt­schaft nach Prin­zi­pien des freien Mark­tes nach dem Vor­bild Bos­ni­ens begon­nen. Alle jugo­sla­wi­schen Staats­ban­ken wur­den geschlos­sen und die D‑Mark als Zah­lungs­mit­tel ein­ge­führt. Ser­bien geriet nach der Zer­stö­rung sei­ner Wirt­schaft noch stär­ker in die Abhän­gig­keit des Wes­tens und den Wür­ge­griff des IWF.

Die Sank­tio­nen gegen Jugo­sla­wien wur­den erst gelo­ckert, nach­dem sich Kos­tu­nica bei den Prä­si­dent-schafts­wah­len im Okto­ber 2000 als Kan­di­dat des oppo­si­tio­nel­len Wahl­bünd­nis DOS (Demo­kra­ti­sche Oppo­si­tion Ser­bi­ens) gegen Milo­se­vic als Kan­di­dat des Links­blocks durch­ge­setzt hatte. Nicht zuletzt dank umfang­rei­cher mate­ri­el­ler und finan­zi­el­ler Wahl­hilfe Deutschlands.

Der NATO-Krieg gegen Jugo­sla­wien lie­ferte das Mus­ter für alle fol­gen­den mili­tä­ri­schen Inter­ven­tio­nen des Wes­tens bzw. der NATO. Er schuf einen Prä­ze­denz­fall für die Miss­ach­tung des Gewalt­ver­bots des Völ­ker­rechts, des Selbst­be­stim­mungs­rechts und staat­li­cher Sou­ve­rä­ni­tät. Auch für Deutsch­land stellt Jugo­sla­wien eine Zäsur dar. Erst­mals nach Ende des 2. Welt­krie­ges ging von deut­schem Boden wie­der Krieg aus, aus­ge­rech­net gegen ein Land, das bereits in bei­den Welt­krie­gen von Deutsch­land mit Krieg über­zo­gen wor­den war.

Dirk Steh­ling, 20.9.2016