Crash- und Kriegsgefahren

Fal­lende Bör­sen­werte,
stei­gende Rüstungsprofite

 Im Som­mer 2014 wurde nicht sel­ten pro Liter Die­sel 1,38 Euro bezahlt. Aber kürz­lich war er schon für weni­ger als 90 Cent zu bekom­men. Was für den Kon­su­men­ten erfreu­lich und für das Klima schäd­lich, wirkt wie ein Kon­junk­tur­pro­gramm auf die deut­sche Volks­wirt­schaft, reißt ölpro­du­zie­rende Län­der aber in die Tiefe.
Der Han­del ori­en­tiert sich am Preis für ein Fass Rohöl (mit 159 Litern) der Sorte Brent. Im Laufe der Finanz­krise 2008 fiel der Preis und geriet unter die Marke von 40 Dol­lar pro Fass. Mit Beginn des Jah­res 2010 sta­bi­li­sierte er sich auf einem Niveau zwi­schen 70 und 80. Am 23. Juni 2014 lag er bei 113 Dol­lar und sank danach kon­ti­nu­ier­lich in den Kel­ler. Vor zwei Wochen, am 21. Januar 2016, geriet er unter die 28 Dol­lar-Marke. Das war der vor­läu­fige Tief­punkt. Denn mitt­ler­weile hält er sich labil bei etwas über 30 Dol­lar.
Im Jahre 1972 sah die Welt noch anders aus. Damals bezahlte man noch 3 Dol­lar. Aber im Zuge des Ölboy­kotts der OPEC ver­vier­fachte sich 1973 der Preis auf 12 Dol­lar. Das war ein Schock, Strafe für den Jom-Kip­pur-Krieg. Ölkrise. Von 1974 bis 1978 wur­den die Ölpreise meist halb­jähr­lich um fünf bis zehn Pro­zent erhöht.

Die OPEC ent­schei­det über die Preise. Die­ses Kar­tell der erd­öl­ex­por­tie­ren­den Län­der ist am 14. Sep­tem­ber 1960 gegrün­det wor­den und ver­fügt mitt­ler­weile über 75% der welt­wei­ten Erd­öl­re­ser­ven.
Noch vor eini­gen Jah­ren war von Peak Oil die Rede, davon, daß diese Res­source ebenso end­lich sei wie am Ende unend­lich teuer werde. Gegen­wär­tig aber wird über eine Schwemme geklagt. Nach der Auf­he­bung der Sank­tio­nen gegen den Iran spru­delt ira­ni­sches Öl auf den Markt. Auch Russ­land sucht durch erhöhte Men­gen den Preis­ver­fall zu kom­pen­sie­ren. Das ist so markt­kon­form wie kurz­sich­tig. Selbst­ver­ständ­lich hat der Preis­ver­fall poli­ti­sche Gründe. Der Ölpreis ist ein poli­ti­sches Kampf­mit­tel. Offen­bar ist Sau­di­ara­bien der Akteur. Über die Absich­ten kann man nur spe­ku­lie­ren, Die Sau­dis äußern sich nicht. Sie selbst sind weni­ger betrof­fen, weil etli­che Öl-Mil­li­ar­den in west­li­che Indus­trien geflos­sen sind und von bil­li­gem Öl pro­fi­tie­ren. Die Sau­dis freuen sich womög­lich über die Wirt­schafts­pro­bleme in Vene­zuela und Bra­si­lien. Erst recht passt ein Ölkrieg gegen Russ­land in das syri­sche Kriegs­sze­na­rio, wo Sau­dis und Rus­sen Geg­ner sind.

Aber der Ölpreis­ver­fall trifft auch Ölkon­zerne wie Shell, BP und Total. Sie ver­bu­chen Gewinn­ein­brü­che, strei­chen ebenso wie Ölför­der­fir­men Inves­ti­tio­nen und ent­las­sen Hun­dert­tau­sende Mit­ar­bei­ter, schreibt die FAZ am ver­gan­ge­nen Diens­tag (26. Januar). Akti­en­kurse wie von Royal Dutch Shell sind bin­nen eines Jah­res um 40 Pro­zent gefal­len, an den Bör­sen ver­lor die Bran­che seit Mitte 2014 mehr als 1000 Mil­li­ar­den Dol­lar. Rating­agen­tu­ren wie Moody’s dro­hen mit Her­ab­stu­fun­gen, weil sie erheb­li­che finan­zi­elle Risi­ken auf die Ener­gie­un­ter­neh­men zukom­men sehen. Tat­säch­lich sind die Ren­di­ten von Hochz­ins­an­lei­hen ame­ri­ka­ni­scher Unter­neh­men, ins­be­son­dere der Ölbran­che, von 6,5 auf fast zehn Pro­zent gestie­gen, weil Kre­dit­aus­fälle dro­hen. Rund drei Dut­zend För­der­un­ter­neh­men hat es in den ver­gan­ge­nen zwölf Mona­ten schon erwischt. Ame­ri­ka­ni­sche Ban­ken haben der Ölin­dus­trie ins­ge­samt 220 Mil­li­ar­den Dol­lar gelie­hen. Ins­be­son­dere Unter­neh­men, die sich beim Frack­ing enga­gie­ren, benö­ti­gen einen Ölpreis von min­des­tens 70 Dol­lar. Dass Finanz­in­sti­tute wegen der dro­hen­den Kre­dit­aus­fälle wie Domi­no­steine nach­ein­an­der fal­len könn­ten, bestrei­tet Jörg Krä­mer. Der Chef­volks­wirt der Com­merz­bank glaubt, dass der Ölbe­reich zu klein sei, um eine Desta­bi­li­sie­rung wie 2008 aus­zu­lö­sen. Die Lage sei mit den dama­li­gen Pro­ble­men am Hypo­the­ken­markt nicht zu ver­glei­chen.
Aber wir haben es hier nur mit einer von meh­re­ren Kri­sen­er­schei­nun­gen zu tun. Auf der einen Seite sind die Ölla­ger voll­ge­pumpt. Es gibt ein Über­an­ge­bot. Auf der ande­ren Seite sinkt der Ver­brauch. Just in den Schwel­len­län­dern, nament­lich in China, wird der Ölver­brauch gedros­selt. In die BRICS-Staa­ten sind noch im Jahr 2013 Inves­ti­tio­nen von 339 Mil­li­ar­den geströmt. Jetzt fließt Kapi­tal ab: 735 Mil­li­ar­den im Jahr 2015, sie­ben Mal so viel wie schon 2014. Mal hört man, Hedge­fonds wür­den gegen Chi­nas Wäh­rung spe­ku­lie­ren, ein ande­res Mal, dass China im Aus­land inves­tiere. Wie auch immer, unter dem Strich schwin­det Kapi­tal. Die scheue Reh flüch­tet aus den BRICS-Län­dern. Wohin geht es? Wel­che Inves­ti­tio­nen sind noch profitabel?

Nach­dem am Frei­tag (29. Januar) auch die japa­ni­sche Zen­tral­bank Straf­zin­sen ange­kün­digt hat, sta­bi­li­sier­ten sich Akti­en­kurse zeit­weise. Aber ins­ge­samt ist in den ers­ten Wochen des neuen Jah­res viel Kapi­tal ent­wer­tet wor­den. Die 30 Dax-Unter­neh­men haben allein in den ers­ten zwei Wochen des neuen Jah­res 100 Mil­li­ar­den Euro an Bör­sen­wert ver­lo­ren. Offen­bar funk­tio­niert die Geld­schwemme durch die EZB nicht mehr wunsch­ge­mäß. Bla­sen, nicht nur bei den Immo­bi­lien, ent­ste­hen. Bevor sie plat­zen, explo­die­ren schon mal die Mie­ten. Die Kon­junk­tur indes will und will nicht ansprin­gen. Ver­zwei­felt, getrie­ben von der Angst vor der fäl­li­gen Ent­wer­tung, sucht das Kapi­tal nach pro­fi­ta­blen Anlagemöglichkeiten.

Die schlichte Erkennt­nis „„Rhein­me­tall pro­fi­tiert vom Krieg“ fin­det sich als Schlag­zeile in der FAZ vom 6. Novem­ber, aller­dings ziem­lich ver­steckt hin­ten im Wirt­schafts­teil, den mir meine Frau meist unge­le­sen über­lässt. 14 Tage und sie­ben Pari­ser Ter­ror­an­schläge spä­ter teilt die Zei­tung mit, daß das Bran­chen­ba­ro­me­ter, der Dow Jones US Defense Index, nach den Atten­ta­ten von Paris mit zwei Pro­zent plus deut­lich stär­ker als der Markt­durch­schnitt mit 0,4 Pro­zent ange­stie­gen war. Über­haupt legte der US-Defense in 2015 bis zu die­sem Zeit­punkt schon um 16 Pro­zent zu, der breit­ge­fasste Akti­en­markt­in­dex S&P 500 im glei­chen Zeit­raum nur um ein Pro­zent (FAZ 20.11.15). Drei Tage nach Paris rati­fi­zierte das US-Außen­mi­nis­te­rium den Ver­kauf von com­pu­ter­ge­steu­er­ten Bom­ben und ande­ren Waf­fen an Saudi-Ara­bien. Deutsch­land geneh­migte bereits vor Wochen den Export von Kampf­pan­zern und Pan­zer­hau­bit­zen an Katar. Heck­ler & Koch wurde vom Bun­des­si­cher­heits­rat ein Mil­lio­nen­deal zur Aus­fuhr von Klein­waf­fen in den ara­bi­schen Raum geneh­migt.
Mög­li­cher­weise bahnt sich unter­des­sen beim Ölpreis eine Wende an. Am Don­ners­tag­nach­mit­tag (28. Januar) teilte der rus­si­sche Ener­gie­mi­nis­ter Alex­an­der Nowak in Sankt Peters­burg mit, Saudi-Ara­bien schlage die Dros­se­lung sei­ner Ölpro­duk­tion um 5 Pro­zent vor und Russ­land sei bereit, dar­über zu dis­ku­tie­ren. Der Ölmarkt reagierte sogleich, der Preis stieg zunächst um 8 Pro­zent. Es wird aber wohl noch eine Weile dau­ern, bis es zu tat­säch­li­chen Abspra­chen kommt. Jeden­falls sind heute wie­der Ölpreis und Bör­sen­werte gefal­len, im Gleich­schritt. Es dröhnt.
Ich erin­nere an das Inter­view, das der Nobel­preis­trä­ger Prof. Robert J. Shil­ler zur Lage der Welt­wirt­schaft dem Han­dels­blatt gab. Das war im Sep­tem­ber 2014. Shil­ler sagte: „Wir ste­cken fest. Die Frage ist: Wie kom­men wir da raus?“ Han­dels­blatt: „Und Ihre Ant­wort?“ Shil­ler: „Die berei­tet mir viel­leicht die größ­ten Sor­gen: Ein Krieg.“
Die Zeit drängt. Crash und Krieg sind durch Schul­den­schnitte, Schul­den­er­lasse oder Weg­steu­ern aso­zia­len Reich­tums zu ver­hin­dern.
Klaus, 2. Februar 2016