«Bitte um Arbeit»

Wer hat Hasen­cle­vers
«Bitte um Arbeit» versteckt?

Bild wird im Text beschrieben.

Wer nach Düs­sel­dorf kommt, um sich einen Ein­druck von der Samm­lung im Kunst­mu­seum zu ver­schaf­fen, wird ent­täuscht wer­den. Die städ­ti­sche Kunst­samm­lung ist 1998 in die Stif­tung «Museum Kunst­pa­last» ein­ge­bracht wor­den. Das ist ein PPP-Pro­jekt (Pri­vate-Public-Part­ner­ship) haupt­säch­lich des Ener­gie­kon­zerns E.on mit der Stadt Düs­sel­dorf. Der Kon­zern hat sich die Mehr­heit im Vor­stand sowie den Vor­sitz gesi­chert und ent­schei­det letzt­lich dar­über, wel­che Kunst­werke aus dem Eigen­tum der Stadt, wann und wie gezeigt werden.

Ange­sichts der Ver­luste des Kon­zerns hat E.on das Kunst­in­sti­tut auf Spar­kurs gesetzt. Der zweite Stock des Kunst­mu­se­ums ist bis auf wei­te­res geschlos­sen, die Kunst­werke des 19. und 20. Jahr­hun­derts sind aus­ge­la­gert und auf einer mini­ma­len Aus­stel­lungs­flä­che gegen­über im Kunst­pa­last, 2. Stock, zu besich­ti­gen. Die Aus­wahl wech­selt will­kür­lich, alle­mal ist Ent­wick­lung und Bedeu­tung der Düs­sel­dor­fer Maler­schule nicht mehr nach­voll­zieh­bar. Wich­tige Werke sind dem Publi­kum ent­zo­gen. Prak­tisch han­delt es sich um Dieb­stahl an öffent­li­chem Eigen­tum. Beson­ders schmerz­haft ist er bei dem fol­gen­den Bild.

Johann Peter Hasen­cle­ver (1810−1853)
Düs­sel­dor­fer Arbei­ter vor dem Magis­trat
oder: Bitte um Arbeit, 184950
Eine Aktion des Düs­sel­dor­fer Volks­clubs im Okto­ber des Jah­res 1848

Das Bild «Arbei­ter vor dem Magis­trat» von Hasen­cle­ver hieß ursprüng­lich «Bitte um Arbeit», ebenso wie die Aktion des Düs­sel­dor­fer Volks­clubs. Es ist 154,5 cm mal 224,5 cm groß, und damit das größte Bild des Malers. Sicher­lich aber das wich­tigste. Es gehört seit 1976 zum Bestand des Kunst­mu­se­ums Düs­sel­dorf. Das auf die­sem Bild geschil­derte Ereig­nis hat sich am 9. Okto­ber 1848 in und vor dem Düs­sel­dor­fer Rat­haus zuge­tra­gen. Düs­sel­dorf hatte zu die­ser Zeit etwa 30 000 Einwohner.

Am 8. Okto­ber fand, vom Volks­klub orga­ni­siert, eine große Demons­tra­tion («ein Volks­zug mit Volks­ver­samm­lung») in Ger­res­heim statt. Bei Her­chen­bach («Düs­sel­dorf und seine Umge­bung in den Revo­lu­ti­ons­jah­ren 1848÷49», Düs­sel­dorf 1882) ist nach­zu­le­sen, dass sich etwa 2300 Men­schen mit­tags um 13.00 Uhr auf dem Käl­ber­markt, dem heu­ti­gen Scha­dow­platz, tra­fen. Sie zogen dann «von einer rothen und einer deut­schen Fahne geführt» über den (Flin­ge­rer) Stein­weg, heute (seit 1851) Scha­dow­straße, Wehr­hahn und Gra­fen­ber­ger Allee nach Ger­res­heim. Auf dem Kirch­hof, dem heu­ti­gen Ger­ri­cus­platz, war die Menge auf 5000 ange­wach­sen. Es waren viele Hand­werks­ge­sel­len, Stadt­ar­bei­ter und Tage­löh­ner vertreten.

Was bewegte die Leute?

Selbst­ver­ständ­lich die Empö­rung gegen die feu­da­len Miss­stände, gegen die sich schon die März­re­vo­lu­tion die­ses Jah­res gewandt hatte. Auch die Düs­sel­dor­fer woll­ten wie die Köl­ner bür­ger­li­che Freiheiten:

  1. Gesetz­ge­bung und Ver­wal­tung durch das Volk. All­ge­mei­nes Wahl­recht und all­ge­meine Wähl­bar­keit in Gemeinde und Staat.
  2. Unbe­dingte Frei­heit der Rede und Presse.
  3. Auf­he­bung des ste­hen­den Hee­res und Ein­füh­rung einer all­ge­mei­nen Volks­be­waff­nung mit vom Volke gewähl­ten Führern.
  4. Freies Ver­samm­lungs­recht.
  5. Schutz der Arbeit und Sicher­stel­lung der mensch­li­chen Bedürf­nisse für alle.
  6. Voll­stän­dige Erzie­hung aller Kin­der auf öffent­li­che Kosten.

Indes machte sie aktu­ell noch eine städ­ti­sche Maß­nahme beson­ders zornig:

Laut Pro­to­koll des Düs­sel­dor­fer Stadt­rats vom 11. April 1848 war mit finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung durch die preu­ßi­sche Regie­rung ein Beschäf­ti­gungs­pro­gramm auf­ge­legt wor­den. Es ging um Arbei­ten auf der Golz­hei­mer Insel, wo ein toter Rhein­arm auf­ge­schüt­tet wer­den sollte. Es han­delt sich dabei um die ers­ten Arbei­ten für den heu­ti­gen Rhein­park. Im Mai hatte man noch ein­mal 4000 Taler aus dem «König­li­chen Bau­fonds» locker gemacht. Diese Gel­der reich­ten dann aus, die Arbei­ter bis in den Sep­tem­ber hin­ein zu beschäftigen.

Aber am 7. Okto­ber wurde beschlos­sen, «wegen end­gül­tig erschöpf­ter Etat­mit­tel» die Arbei­ten auf der Golz­hei­mer Insel ein­zu­stel­len. (Rats­pro­to­koll vom 7. Okto­ber 1848)

Die­ser Stadt­rats­be­schluss wurde in Ger­res­heim ver­le­sen. Es erho­ben sich Pro­test­stürme. Sie gip­fel­ten in dem Ruf nach der «rothen Repu­blik», der nach dem Ende der Ver­an­stal­tung auch die Losung für den Rück­marsch von 1200 Demons­tran­ten wurde.

Ein Husar trug eine rote Fahne voran.

Es mar­schier­ten einige Pro­mi­nente mit.

Der Dich­ter Fer­di­nand Frei­li­grath (1810−76) hatte sich nach sei­ner Rück­kehr aus Lon­don am 14. Mai 1848 dem Düs­sel­dor­fer Volks­klub ange­schlos­sen und führte als Vor­stands­mit­glied des­sen Kasse. Auf einer Ver­samm­lung des Volks­clubs las er erst­mals am 1. August sein Gedicht «Die Toten an die Leben­den». Die­ses Gedicht wurde in einer Auf­lage von 9000 Stück als Blatt gedruckt, das für einen Sil­ber­gro­schen «weg wie warme Sem­meln» ging. Vier Tage nach sei­nem Tri­umph wurde er aber dem Düs­sel­dor­fer Ober­pro­ku­ra­tor Schn­aase vor­ge­führt, der die Blät­ter hatte beschlag­nah­men las­sen. Vier Wochen spä­ter, am 28. August, kam er vor den Unter­su­chungs­rich­ter und wurde auf der Stelle wegen offe­nen Appells zum Umsturz ver­haf­tet. Über einen Monat blieb er in Haft. In der Anklage vor dem Geschwo­re­nen­ge­richt heißt es: «Zunächst lässt der Dich­ter die auf den Bar­ri­ka­den in Ber­lin Gefal­le­nen vor dem könig­li­chen Schlosse dem Anbli­cke des Königs erschei­nen, den er schmäht, ver­höhnt und ver­flucht. Sodann spricht er sei­nen Tadel dar­über aus, das feig ver­scherzt wor­den, was die Gefal­le­nen trot­zig errun­gen hät­ten, und for­dert direct zum Kriege und zum Umsturz der Ver­fas­sung auf.»

Das Geschwo­re­nen­ge­richt indes­sen sprach ihn am 4. Okto­ber frei. Es gab stür­mi­schen Bei­fall für den Frei­spruch schon im Gerichts­saal, eine große Menge von Men­schen beglei­tete den Dich­ter zu sei­ner Woh­nung. Abends wurde ein Fackel­zug ver­an­stal­tet. Frei­li­graths Por­trät, seine Gedichte und die Pro­zess­ge­schichte waren bald in allen Buch­hand­lun­gen zu haben. Wenige Tage nach die­sen Ereig­nis­sen betei­ligte sich der Dich­ter als Redak­teur an Karl Marx’ Neuer Rhei­ni­schen Zei­tung bis zu ihrem Ver­bot am 19. Mai 1849.

In einem Brief vom 5. April 1850 kün­digte Frei­li­grath sei­nem Freund Koes­ter einen Besuch in Düs­sel­dorf an, bei dem er Gott­fried Kel­ler, das «male­ri­sche und roman­ti­sche Düs­sel­dorf (nament­lich Dich, Haas» – die im Freun­des­kreis gän­gige Kurz­form für Hasen­cle­ver – «Lessing’s Huß usw.) zu prä­sen­tie­ren» wünschte. Die Freund­schaft zwi­schen Hasen­cle­ver und Frei­li­grath führt zu einem sehens­wer­ten Por­trät des Dich­ters im Jahre 1851, noch kurz bevor er Asyl in Eng­land sucht.

Vier Tage nach Frei­li­graths tri­um­pha­lem Frei­spruch fand die Demons­tra­tion des Volks­clubs statt.

Auch Fer­di­nand Lass­alle (1825−64) war gerade aus dem Gefäng­nis ent­las­sen wor­den. Lass­alle hatte sich als Rechts­an­walt der Grä­fin Hatz­feld, die damals noch das Schloss Kal­kum bewohnte, in ihrem Schei­dungs­pro­zess zur Ver­fü­gung gestellt. Lass­alle war der Anstif­tung zum Dieb­stahl ange­klagt wor­den, weil er zwei Freunde (Oppen­heim und den Arzt Arnold Men­dels­sohn, Vet­ter von Felix Men­dels­sohn Bar­tholdy) ver­an­lasst hatte, eine Kas­sette mit Doku­men­ten des Gra­fen Hatz­feld zu ent­wen­den. Lass­alle spielte zu die­ser Zeit im Volks­klub eine füh­rende Rolle. Wie Frei­li­grath war er akti­ves Mit­glied im Bund der Kom­mu­nis­ten, hatte engen Kon­takt zu Karl Marx, übri­gens auch zu Hein­rich Heine. 15 Jahre spä­ter, im Mai 1863 grün­dete er den ADAV, Vor­läu­fer der SPD.

Am 11. August 1848 kam Lass­alle frei. So hatte auch er Gele­gen­heit zur Teil­nahme an der Demonstration.

Auch die Droschke mit der Grä­fin von Hatz­feld beglei­tete zeit­weise den Zug.

In Düs­sel­dorf ange­kom­men, ver­an­lass­ten drei Stadt­ar­bei­ter, die dem Volks­klub ange­hör­ten, Wey­ers, Hosse und Leven, ihre Kol­le­gen zu einer eige­nen Demons­tra­tion. Die Stadt­ar­bei­ter zogen zum Rat­haus «unter Vor­tra­gung einer deut­schen Fahne» und beauf­trag­ten die drei Volks­klub­mit­glie­der, «beim Gemein­de­rath die Fort­set­zung der Arbeit zu erwir­ken.» (Zitate aus Poli­zei­ak­ten des Nord­rhein-West­fä­li­schen Hauptstaatsarchivs)

Der Gemein­de­rat tagte aber nicht. Statt­des­sen bestellte ein Bei­geord­ne­ter die Arbei­ter in den Hof­gar­ten. Dort erklärte er «in gro­ßer Offen­heit», dass die Ent­las­sun­gen aus Grün­den der kom­mu­na­len Haus­halts­not erfolgt wären. Der gleich­zei­tig anwe­sende kom­mis­sa­ri­sche Bür­ger­wehr­chef, der Maler Lorenz Cla­sen (His­to­ri­en­ma­ler und Her­aus­ge­ber der Düs­sel­dor­fer Monat­hefte), warnte vor neu­er­li­chen Demons­tra­tio­nen und kün­digte im Falle der Zuwi­der­hand­lung das Ein­grei­fen der Bür­ger­garde an. Diese Dro­hung zeigte aber kei­ner­lei Wir­kung. Viel­mehr zogen die Arbei­ter am Abend mit der For­de­rung nach Wei­ter­be­schäf­ti­gung erneut zum Rat­haus. Hier fühl­ten sich die ver­sam­mel­ten Stadt­ver­ord­ne­ten durch das beharr­li­che und mas­sive Auf­tre­ten der Demons­tran­ten so unter Druck gesetzt, dass sie die Zusi­che­rung gaben, dass am nächs­ten Tag «näher beschlos­sen wer­den würde».

Am dar­auf­fol­gen­den Tag zogen die Arbei­ter «vor das Rat­haus, dran­gen in den Sit­zungs­saal und for­der­ten in unge­stü­mer Weise, beschäf­tigt zu wer­den. Der Gemein­de­rat konnte Ihnen nichts wei­ter sagen, als dass die Mit­tel erschöpft seien.» (Her­chen­bach, S. 103).

Am 10. Okto­ber kamen sie dann doch zu der Ent­schei­dung, für die Voll­endung der Arbei­ten auf der Golz­hei­mer Insel erneute finan­zi­elle Unter­stüt­zung durch den Regie­rungs­prä­si­den­ten zu ersu­chen und, um mög­lichst vie­len der Betrof­fe­nen «einen Ver­dienst» zu geben, «die­sel­ben mit einem Tage­lohn von 10 Sil­ber­gro­schen abwech­selnd nur drei Tage in der Woche zu beschäftigen.»

Die Stadt­ar­bei­ter star­te­ten nun auf Initia­tive von Julius Wolff, dem Vor­sit­zen­den der Volks­klubs, eine eigene Kam­pa­gne unter dem Motto «Bitte um Arbeit». Der Auf­ruf ist eben­falls vom 10. Okto­ber datiert und hat fol­gen­den Wortlaut:

«Bitte um Arbeit.

Es ist jedem Düs­sel­dor­fer schon bekannt gewor­den, daß die frü­her auf der Golz­hei­mer Insel und zuletzt im Hof­gar­ten beschäf­tigt gewe­se­nen Arbei­ter ver­gan­ge­nen Sams­tag plötz­lich ent­las­sen wor­den sind. Unter die­sen Arbei­tern sind viele Fami­li­en­vä­ter, deren hun­gernde Wei­ber und Kin­der um Brod schreien.

Die mensch­li­che Gesell­schaft hat offen­bar die Ver­pflich­tung, Dem, der arbei­ten will, Arbeit zu geben, sowie Dem, der nicht mehr arbei­ten kann, Unter­stüt­zung ange­dei­hen zu las­sen. Die Pflicht, Arbeits­un­fä­hige zu unter­stüt­zen, ist von jeher aner­kannt und aus­ge­übt wor­den. Die Pflicht, Arbeits­fä­hi­gen Arbeit zu geben, ist nicht min­der gebie­tend, ist von der Stadt Düs­sel­dorf bis­her für unab­weis­bar ange­se­hen wor­den. Die Stadt Düs­sel­dorf hat bis­her den Arbeits­lo­sen Arbeit gege­ben. Im Wider­spruch hier­mit hat heute Abend der Gemein­de­rath erklärt, daß keine Mit­tel mehr vor­han­den seien, um noch fer­ner in dem bis­he­ri­gen Maße Arbeit geben zu kön­nen, daß er aber mit Beginn der künf­ti­gen Woche von 5–600 brod­lo­sen Arbei­tern circa 160 auf 3 Tage per Woche beschäf­ti­gen wolle. Es liegt auf der Hand, daß dies schlechte Aus­sich­ten sind, daß meh­rere hun­dert Men­schen einem trost­lo­sen, elen­den Zustande anheim­fal­len, daß meh­re­ren hun­dert Men­schen der Hun­ger­tod droht. Außer­or­dent­li­che Fälle erhei­schen außer­or­dent­li­che Mit­tel. Die ver­zweif­lungs­vol­len Arbei­ter sehen sich deß­halb ver­an­laßt, die Güte ihrer wohl­ha­ben­den Mit­bür­ger in Anspruch zu neh­men. Sie haben eine Depu­ta­tion aus ihrer Mitte gewählt, bestehend aus den Unter­zeich­ne­ten, wel­che sich in die Häu­ser der wohl­ha­ben­den Bür­ger zu bege­ben und die­sel­ben zu bit­ten haben, irgend eine Summe zu zeich­nen und zur Dis­po­si­tion des Gemein­de­raths zu stel­len, wel­cher Letz­tere die so gezeich­ne­ten Sum­men ein­zie­hen und ver­wen­den wird, um den brod­lo­sen Arbei­tern wie­derum Arbeit zu geben. Düs­sel­dorf, den 10. Okto­ber 1848.

Leven. Wey­ers. Hosse.»

Diet­mar Nie­mann schreibt in sei­ner Arbeit («Die Revo­lu­tion von 184849 in Düs­sel­dorf», Düs­sel­dorf 1993, S. 167 ff.), dass bei der Durch­füh­rung die­ses damals ver­mut­lich ein­zig­ar­ti­gen Arbeits­be­schaf­fungs­ver­su­ches sich neben der gewähl­ten Stadt­ar­bei­ter­de­le­ga­tion auch andere, nicht iden­ti­fi­zier­bare Kräfte betei­ligt hät­ten. Infol­ge­des­sen sei die Aktion außer Kon­trolle gera­ten und es sei zu eini­gen Über­grif­fen gekom­men. Ein ande­rer Autor cha­rak­te­ri­siert die Aktion als «Zwangs­an­leihe», die «recht dürf­tig» als freie Spende getarnt gewe­sen sei. Her­chen­bach behaup­tete 1882, dass Arbei­ter­grup­pen gewalt­sam in die Häu­ser ein­ge­drun­gen wären. Man hätte Poli­zei­be­amte «mit Stei­nen bewor­fen», sowie Fens­ter und Türen «demo­lirt». Das ist aber durch keine wei­tere Quelle belegt.

Die Samm­lungs­ak­tion indes­sen nahm der kom­mis­sa­ri­sche Ober­bür­ger­meis­ter Wil­helm Dietze zum Anlass, mit Unter­stüt­zung des pro­vi­so­ri­schen Bür­ger­wehr­chefs Lorenz Cla­sen und des Poli­zei­in­spek­tors Zel­ler, die Frei­hei­ten der Düs­sel­dor­fer Bevöl­ke­rung in der Weise ein­zu­schrän­ken, dass mit Schla­gen des Gene­ral­mar­sches jeder «sofort» die Straße zu ver­las­sen hatte und bei Zuwi­der­hand­lun­gen «vor­läu­fige» Fest­nah­men aus­ge­spro­chen wer­den konnten.

Dage­gen rich­tete sich wie­der die unver­züg­lich ein­be­ru­fene Pro­test­ver­samm­lung des Volks­klubs. Es wurde die Not­wen­dig­keit und die Recht­mä­ßig­keit der Aktion betont und ein­stim­mig die Fort­set­zung der Kam­pa­gne proklamiert.

Im Gegen­zuge sah sich der Regie­rungs­prä­si­dent Frei­herr von Spie­gel ver­an­lasst, eine Son­der­kon­fe­renz ein­zu­be­ru­fen, «um die öffent­li­che Ord­nung und Sicher­heit auf­recht zu erhal­ten». Die sam­meln­den Stadt­ar­bei­ter wur­den «wegen des unbe­fug­ten Coll­ec­tie­rens» ver­warnt, ihre Hand­lun­gen als unge­setz­lich cha­rak­te­ri­siert. Auch die Auf­lö­sung des Volks­klubs wurde erwo­gen. Der Regie­rungs­prä­si­dent wollte wenigs­tens wei­tere Beweise gegen den Volks­klub sam­meln und als Warn­schuss des­sen rote Fahne kon­fis­zie­ren las­sen. Das Tra­gen von roten Fah­nen sei ein Mit­tel zur Aufregung.

Indes­sen wurde auf die­ser Kon­fe­renz deut­lich, dass die Düs­sel­dor­fer Bür­ger­garde in Sinne des Regie­rungs­prä­si­den­ten wohl nicht als zuver­läs­sig gel­ten konnte. Lorenz Cla­sen bei­spiels­weise musste beken­nen, daß wohl nur eine Min­der­heit zum Ein­schrei­ten bereit sei und selbst diese Min­der­heit «ein Ein­schrei­ten gegen poli­ti­sche Demons­tra­tio­nen, gegen Trä­ger der rothen Fahne … und einen Hau­fen Arbei­ter auf Ver­schaf­fung von Arbeit oder Unter­stüt­zung ver­wei­gern würde.» So jeden­falls ver­mel­det es das dies­be­züg­li­che Pro­to­koll und ver­rät damit, daß die Mehr­heit der Bür­ger­wehr­män­ner hin­ter der Volks­klub­ak­tion «Bitte um Arbeit» stand.

Jeden­falls wur­den am 13. Okto­ber 1848 die Erd­ar­bei­ten auf der Golz­hei­mer Insel wie­der aufgenommen.

Das Gemälde zeigt den Rats­saal. Links tra­gen die Arbei­ter ihre For­de­run­gen ste­hend vor, wäh­rend die Rats­her­ren rechts um einen mäch­ti­gen Tisch sit­zen. Die Längs­wand des Rats­saa­les ver­läuft etwas schräg. Der Betrach­ter wird mit per­spek­ti­vi­schen Mit­teln auf die linke Seite an den Platz der Arbei­ter gestellt.

Sie ste­hen im Gegen­licht des Fens­ters, das vor allem den Tisch mit den 22 Rats­her­ren erfasst. Das Fens­ter­licht erfasst noch die Büste des preu­ßi­schen Königs Fried­rich Wil­helm IV. auf der rech­ten Wand sowie ein klei­ne­res gerahm­tes Por­trät des Reichs­ver­we­sers Erz­her­zog Johann. Da sind indes­sen Sprünge im Glas zu erkennen.

Die Mit­tel­senk­rechte bil­det die rechte Lai­bung des geöff­ne­ten Fens­ters, ein uns zuge­wand­ter Rats­herr sowie ein über einen Stuhl gehäng­ter roter Man­tel. Die meis­ten Köpfe befin­den sich auf der Höhe der Mit­tel­waa­ge­rech­ten. Das ist mög­lich, weil er Raum abge­stuft ist und die meist sit­zen­den Rats­her­ren durch die Stufe höher plat­ziert wer­den. Die Arbei­ter hin­ge­gen ste­hen. Die rechte wie die linke Bild­hälfte wer­den jeweils durch eine wei­tere Senk­rechte noch ein­mal geteilt. So betont Hasen­cle­ver einer­seits den Spre­cher der Arbei­ter und auf der Gegen­seite einen ste­hen­den Rats­her­ren sowie einen wei­te­ren beson­ders hell beleuch­te­ten, wohl­be­leib­ten und offen­bar wohl­ha­ben­den Bür­ger, der sich mit schreck­wei­ten Augen den Schweiß von der Stirn wischt.

Hin­ter dem Ver­samm­lungs­lei­ter sieht man in der Ecke des Sit­zungs­saals eine Rit­ter­rüs­tung mit Hel­le­barde, die von den Rats­her­ren als Klei­der­stän­der miss­braucht wurde. Auf dem Helm sitzt schief ein Zylin­der, an lin­ken Arm hängt ein Regenschirm.

Wäh­rend die obere Bild­hälfte Sym­bole unge­bro­che­ner feu­da­ler Tra­di­tio­nen mit bekränz­ten Herr­scher­por­träts und baro­cken Stu­cka­tu­ren zeigt, wird die untere Bild­hälfte von der Dar­stel­lung der Kon­fron­ta­tion der Arbei­ter mit dem bür­ger­li­chen Stadt­rat beherrscht.

Der Spre­cher der Arbei­ter streckt sei­nen lin­ken Arm mit der Peti­tion in den zen­tra­len Bereich des Bil­des. Es ergibt sich nicht nur ein eige­nes Bin­nen­mo­tiv: drei fast par­al­lel ange­ord­nete Rats­her­ren sehen sich unmit­tel­bar mit der vor­ge­tra­ge­nen Bitte kon­fron­tiert. Die Wie­der­ho­lung von kur­zen Dia­go­na­len an die­ser Stelle und an ande­ren am Tisch der Rats­her­ren sug­ge­riert uns die Bewe­gung des Zurück­wei­chens vor den auf der lin­ken Seite ste­hen­den sechs Män­nern. Bis auf den einen dun­kel geklei­de­ten Bür­ger tra­gen sie Klei­dung von Arbei­tern oder ein­fa­chen Hand­wer­kern. An zwei Hüten ist die schwarz-rot-gol­dene Kokarde zu erken­nen. Der bär­tige Bür­ger redet offen­bar auf einen ihm zuge­neig­ten Arbei­ter mit einer roten Joppe ein, der sich die Stadt­ver­ord­ne­ten betrach­tet und dabei amü­siert den Bart zwir­belt. Aus sei­ner Jop­pen­ta­sche lugt eine Schnaps­fla­sche. Sein älte­rer Nach­bar im blauen Kit­tel ist wohl ein Fuhr­mann. Er wen­det sich etwas zurück. Zwi­schen den bei­den und hin­ter ihnen sind Kopf und Arm eines drit­ten zu sehen. Die­ser Mann fun­kelt mit Augen und Zäh­nen und droht dem Stadt­rat mit der Faust. Rechts vom Fuhr­mann wen­det sich der vierte Arbei­ter in hell­brau­ner Jacke und Schaft­stie­feln dem Stadt­rat zu, er hat seine Rechte auf die Brust gelegt und weist mit der Lin­ken ener­gisch nach draußen.

Einen Schritt vor die­ser Gruppe trägt der Spre­cher der Depu­ta­tion ihre For­de­run­gen vor. Auf dem Schrift­stück ist zu lesen: «An den wohl­löb­li­chen Stadt­rat dahier … (unle­ser­li­che Frag­mente) Gesuch um Arbeit.» Der Spre­cher steht schon unmit­tel­bar vor der Stufe, die den Bezirk der Rats­her­ren abgrenzt. Seine Figur wird durch die kan­ne­lierte Wand­vor­lage als linke Begren­zung des Fens­ters in baro­cker Por­trät­tra­di­tion kom­po­si­to­risch her­vor­ge­ho­ben. Links davon fehlt auch nicht das ebenso tra­di­tio­nell gebauschte Tuch in Gestalt des repu­bli­ka­ni­schen schwarz-rot-gol­de­nen Banners.

Der Blick aus dem Fens­ter zeigt den Rat­haus­vor­platz. Das ist nun offen­kun­dig nicht der Düs­sel­dor­fer Markt­platz. Solch hohe gie­bel­stän­dige Stadt­häu­ser stan­den dort nicht.

Es tobt die Menge. Ein Red­ner hat sich mit einem Manu­skript auf den Rand des Stock­brun­nens gestellt. Der Stock­brun­nen wird von einem hei­li­gen Michael oder Georg gekrönt, am Spieß, der sich in den Dra­chen bohrt, weht die Repu­blik-Fahne. Links davon trägt einer der Demons­tran­ten die rote Fahne. Aus einem gewitt­ri­gen Him­mel kommt das grelle Licht, wel­ches auch die Sze­ne­rie im Rats­saal beleuchtet.

In ande­ren Städ­ten hat es ähn­li­che Ereig­nisse gege­ben. Schon am 3. März bei­spiels­weise waren in Köln unter maß­geb­li­cher Betei­li­gung des von Marx beein­fluss­ten Köl­ner Arbei­ter­ver­eins 5000 Demons­tran­ten mit dem Armen­arzt Andreas Gott­schalk an der Spitze ins Rat­haus ein­ge­drun­gen und hat­ten dem Gemein­de­rat eine Adresse mit den oben genann­ten For­de­run­gen überreicht.

Das Bild gibt es in fünf Fassungen.

Karl Marx kannte die große Fas­sung und schrieb dazu im Juni 1853:

«Die­je­ni­gen Ihrer Leser, die meine Arti­kel über die Revo­lu­tion und Kon­ter­re­vo­lu­tion in Deutsch­land gele­sen haben, wel­che ich vor etwa zwei Jah­ren für die ‹Tri­bune› schrieb und die von ihr ein anschau­li­ches Bild gewin­nen möch­ten, wer­den gut daran tun, sich das Gemälde des Herrn Hasen­cle­ver anzu­se­hen, das jetzt im New-Yor­ker Kris­tall­pa­last aus­ge­stellt ist. Es stellt die Über­rei­chung eine Arbei­ter-Peti­tion an den Magis­trat von Düs­sel­dorf im Jahre 1848 dar. Der her­vor­ra­gende Maler hat das in sei­ner gan­zen dra­ma­ti­schen Vita­li­tät wie­der­ge­ge­ben, was der Schrift­stel­ler nur ana­ly­sie­ren konnte.» (Marx/Engels: «Revo­lu­tion und Kon­ter­re­vo­lu­tion in Deutsch­land» in Marx/Engels Werke Band 8, S. 99)

Diese Fas­sung war vor­her von Frei­li­grath nach Lon­don mit­ge­nom­men und 1851 dort aus­ge­stellt wor­den, ein Jahr spä­ter auf Anre­gung von Fried­rich Engels in Manchester.

Bis 1976 galt das Werk als ver­schol­len. Erst dann wurde es gefun­den und vom Düs­sel­dor­fer Kunst­mu­seum erworben.

Quel­len:
Wolf­gang Hütt, Die Düs­sel­dor­fer Maler­schule, Leip­zig 1984
Kurt Soiné, Johann Peter Hasen­cle­ver. Ein Maler im Vor­märz, Neustadt/Aisch 1992
Diet­mar Nie­mann, Die Revo­lu­tion von 184849 in Düs­sel­dorf, Düs­sel­dorf 1993
Kata­log zur Aus­stel­lung «Johann Peter Hasen­cle­ver (1810−1853)», Ber­gi­sches Museum Schloss Burg an der Wup­per, Solin­gen 2003

Klaus Stein, 29. Novem­ber 2015


Köl­scher Spa­zier­gang durch Düsseldorf