20 000 gegen Hogesa

Demonstranten.

Behörd­lich betreu­tes Hetzen

Köln 25. Okto­ber 2015. Der Schutt, der den pla­nier­ten Boden des Bar­mer Plat­zes bedeckt, hätte es ver­dient, unter Denk­mal­schutz gestellt zu wer­den. Denn er erin­nert an den Abriss des Bar­mer Vier­tels im Som­mer 2006, den der Stadt­rat zuguns­ten des Baus von Büro­hoch­häu­sern, Hotels und einem Kon­gress­zen­trum sechs Jahre zuvor beschlos­sen hatte. Hier zwi­schen Mes­se­ge­lände und Deut­zer Bahn­hof stan­den Häu­ser mit 381 güns­ti­gen Woh­nun­gen. Abriss trotz Pro­test­be­we­gung. Abriss­kos­ten: 3 Mil­lio­nen Euro. Bebaut ist der Platz immer noch nicht.

Ein Bau­zaun sperrt ihn ab – und am Sonn­tag die Nazi­hoo­li­gans ein. 700 kön­nen sich durch­schla­gen. Nach eini­gem juris­ti­schen Hin und Her war ihnen die­ser Platz für eine sta­tio­näre Kund­ge­bung zuge­wie­sen. Die Ver­bots­ver­fü­gung für die geplante Demons­tra­tion hielt der ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Über­prü­fung stand. Anmel­der Domi­nik Roese­ler von Pro NRW hatte groß­spu­rig, aber ver­geb­lich ange­kün­digt: »Der glei­che Ort – die glei­che Demo­route – die glei­che Uhr­zeit – Köln 2.0.«

Köln ist alar­miert. Der faschis­ti­sche Mord­an­schlag gegen Hen­ri­ette Reker ist gerade mal eine Woche her. Ver­schie­dene Bünd­nisse samt Künst­ler­initia­tive »Arsch huh« mit Bir­likte rufen zu Pro­tes­ten gegen Hogesa auf. 20 000 Köl­ne­rin­nen und Köl­ner fol­gen. Die meis­ten kom­men vom Heu­markt über die Deut­zer Brü­cke. Andere, zeit­weise Tau­sende, blo­ckie­ren just da, wo die Staats­macht vor­sorg­lich Was­ser­wer­fer pla­ziert und prompt ein­set­zen wird, um den Nazi­hoo­li­gans den Weg frei zu machen.

Demonstrantinnen unten und oben.

Rei­ner Schmidt, Ver­tre­ter des Bünd­nis­ses »Köln gegen rechts«, weist von der Bir­likte-Bühne auf die ver­zö­gernde Wir­kung der Bahn­blo­cka­den. Aktu­ell (14.30 Uhr) löse die Poli­zei aber gerade eine Blo­ckade in Höhe der Opla­de­ner Straße auf.

»Arsch huh« unter­hält das Publi­kum mit Brings, Kasalla, Cat Ballou, den Höh­nern, Micro­phone Mafia, dem Ensem­ble der Stunk­sit­zung und den Kaba­ret­tis­ten Fatih Cevik­kolu und Wil­fried Schmickler.

Fatih Cevik­kollu fragt: »Wie kann es sein, dass wir Euro­päer Frie­dens­no­bel­preis-Trä­ger gewor­den sind und Deutsch­land als zen­tra­ler euro­päi­scher Staat dritt­größ­ter Waf­fen­ex­por­teur ist?«

Schau­spiel­in­ten­dant Ste­fan Bach­mann sagt für Bir­likte: »Was für eine schöne Auf­gabe ist es, unsere Hei­mat mit denen zu tei­len, die ihre ver­lo­ren haben.«

Wer­ner Spin­ner, Prä­si­dent des 1. FC Köln, ver­spricht, der Ver­ein stehe »für Inte­gra­tion, gegen Hogesa und Ras­sis­mus«. Er sieht ange­sichts gegen­wär­ti­ger gesell­schaft­li­cher Umbrü­che eine grö­ßere Zahl der­ar­ti­ger Demons­tra­tio­nen auf uns zukommen.

Ober­bür­ger­meis­te­rin Hen­ri­ette Reker liegt noch im Kran­ken­haus. Ihr Vor­gän­ger Jür­gen Rot­ers spricht für sie, nennt den Mord­an­schlag feige und ist stolz: »Wir kön­nen stolz auf unsere Stadt sein, die es schafft, so viele Bür­ger zusam­men­zu­brin­gen und zu zei­gen: Wir wol­len in einem fried­li­chen Mit­ein­an­der leben«. So unter­schätzt Rot­ers, ein vor­ma­li­ger, ebenso wie Albers, der gegen­wär­tige Poli­zei­prä­si­dent, behörd­li­che Unfried­lich­keit. Akti­vis­ten des Tri­bu­nals »NSU-Kom­plex auf­lö­sen« erin­nern in einem Flug­blatt daran, dass der Mit­be­grün­der von Hogesa, der kürz­lich ver­stor­bene Roland Sokol, V‑Mann war. Auch der Reker-Atten­tä­ter Frank Stef­fen scheint das Ver­trauen des Ver­fas­sungs­schut­zes zu genie­ßen. Vol­ker Beck von den Grü­nen jeden­falls war vor weni­gen Tagen ver­an­lasst, eine dies­be­züg­li­che Anfrage an die Bun­des­re­gie­rung zu stellen.

Am Ende gibt es noch eine Abschluss­de­mons­tra­tion zum Bahn­hof. Es sind immer­hin noch 3000 Men­schen, die sich auf diese Weise ver­ge­wis­sern, dass die Nazi­hoo­li­gans die Stadt verlassen.

Am fol­gen­den Mon­tag zei­gen sich Poli­zei und Medien ganz erleich­tert, weil Köln rela­tiv glimpf­lich davon gekom­men sei. Alle sind stolz. Die große Zahl der Gegen­de­mons­tran­ten wird der klei­nen Zahl der Nazis gegen­über­ge­stellt. Die Gewalt sei über­wie­gend vom lin­ken Spek­trum aus­ge­gan­gen, behaup­tet ein Poli­zei­spre­cher (KR 26. Okto­ber). Aus­ge­blen­det bleibt die Tat­sa­che, dass Jus­tiz und Behör­den das Nazi­tref­fen gesi­chert und faschis­ti­sche Hetz­re­den von 4000 Poli­zis­ten für­sorg­lich beglei­tet wur­den. Frem­den­hass und Ras­sis­mus, nicht unge­stört, aber vom staat­li­chen Gewalt­mo­no­pol durch­ge­setzt. Behörd­lich betreu­tes Hetzen.

Text und Fotos: Klaus Stein