Frei­han­del, Armut, Krieg und Ver­trei­bung Flucht­ur­sa­chen und Fluchtwege

Wal­ter Steh­ling, DKP Köln-Innen­stadt
Refe­rat
Frei­han­del, Armut, Krieg und Ver­trei­bung
Flucht­ur­sa­chen und Flucht­wege
Anfang Sep­tem­ber 2015 erregte eine Kin­der­lei­che welt­weite Betrof­fen­heit. Der Drei­jäh­rige Aylan liegt tot am tür­ki­schen Gestade, wie Bru­der und Mut­ter, ertrun­ken. Dem IS-Ter­ror im Nor­den Syri­ens glück­lich ent­kom­men, gestor­ben im Mit­tel­meer. So wie 2.600 Ver­trie­bene allein in die­sem Jahr vor ihm. Geschätzt.
Bus­se­weise ver­las­sen die Men­schen Syrien, es herrscht Krieg. Eine Aus­reise nach Europa kön­nen sich indes­sen nur recht wenige leis­ten. Mil­lio­nen Arme irren im Land umher. Es ist der Mit­tel­stand, der in der Lage ist, rund 10.000 Euro auf­zu­brin­gen. Und selbst dann ist die Reise ein gefähr­li­ches Aben­teuer und endet oft am Ende eines ver­stopf­ten Flucht­we­ges
in einem Lager oder im Tod.

Ungarn im Sep­tem­ber. Ungarn baut, 26 Jahre nach dem medi­en­wirk­sa­men Abbau des «eiser­nen Vor­hangs» wie­der einen neuen Zaun. Zur Abwehr der «neuen Völ­ker­wan­de­rung».
Gleich­zei­tig wird die Wei­ter­fahrt nach Nor­den abge­schnit­ten: Tau­sende for­dern am
Ost­bahn­hof von Buda­pest ihre Wei­ter­reise. Man steckt sie in Lager.  Ange­sichts der öffent­li­chen Auf­merk­sam­keit ent­schließt sich die Bun­des­re­gie­rung, die Ein­reise nach Deutsch­land zu gewäh­ren. «Ein groß­ar­ti­ger Akt der Huma­ni­tät» jubelt Pro­Asyl.
Aber sind die rund 12.000 Ver­trie­be­nen vor­wie­gend aus Syrien, Irak und Afgha­ni­stan will­kom­men? Die «Wut­bür­ger» zün­deln schon. Mit Angst und Hass im Bauch.
Vakuum im Kopf. «Empha­tie­lo­ses Gesocks» (Till Schwei­ger).
Nach Anga­ben des in Genf ansäs­si­gen, 1951 gegrün­de­ten UNHCR (United Nati­ons High
Com­mis­sio­ner  for  Refu­gees) liegt die Zahl der welt­weit for­ci­bly dis­pla­ced peo­ple für 2014 bei
59, 5 Mil­lio­nen. Gäbe es einen Ver­trie­be­nen­staat, wäre die­ser der 24. größte der Welt.
2013 waren es  51,2 Mil­lio­nen. 86% aller Flücht­linge leben in den Ent­wick­lungs­län­dern und kom­men kaum wei­ter als bis ins nächste Nach­bar­land. Geschätzte 38,2 Mil­lio­nen zie­hen so als Bin­nen­flücht­linge inner­halb eines Lan­des umher. Nur 19,5 Mil­lio­nen haben Aus­sicht auf Asyl,
18 Mil­lio­nen war­ten in Lagern auf ihre Wei­ter­reise oder Auf­nahme. Das ist ganz NRW.
Die Zah­len des UNHCR von 2014, wo vor­han­den, auf 2015 aktua­li­siert:
Die der­zeit größ­ten Her­kunfts­län­der:
Syrien: 3,88 Mio.
Afgha­ni­stan: 2,59 Mio.
Soma­lia: 1,11 Mio.
Sudan: 648.000
Ukraine: 600.000
Eri­trea: 500.000- 600.000
Kongo: 516.000
Myan­mar: 479.000
Die größ­ten Auf­nah­me­län­der:
Tür­kei: 1,59 Mio.
Paki­stan: 1,51 Mio.
Liba­non: 1,5 Mio.
Iran: 1,0 Mio.
Russ­land: 900.000 (größ­ten­teils aus Ukraine)
Jor­da­nien: 750.000
Äthio­pien: 650.000−700.000 (größ­ten­teils aus Eri­trea)
Die Län­der mit den meis­ten Bin­nen­ver­trie­be­nen:
Syrien: 7,6 Mio.
Kolum­bien: 6 Mio.
Irak: 3,6 Mio.
Kongo: 2,8 Mio.
Sudan: 2,1 Mio.
Ukraine: 1,26 Mio.
Soma­lia: 1,1 Mio.
Auf­grund des Bür­ger­kriegs, des wirt­schaft­li­chen Nie­der­gangs, faschis­ti­schem Ter­rors und einem Asso­zi­ie­rungs­ab­kom­men mit der EU wird die Ukraine zu einem der gro­ßen Flücht­lings­län­der der nahen Zukunft. Bis 2016 wer­den geschätzt:
1,5 Mio. Bin­nen­flücht­linge
1 Mio.  Flücht­linge nach Russ­land
500.000 nach Weiß­russ­land, Mol­da­wien und EU, vor allem Polen.
2,6 Mil­lio­nen Ukrai­ner leben bereits in Russ­land. Russ­land nimmt der­zeit auch welt­weit die meis­ten Asyl­an­träge an: 2015 aktu­ell alleine 225.000 aus der Ukraine.
Weiß­russ­land: 50.000.
In den 27 EU-Staa­ten wur­den 2014  530.000 Asyl­su­chende gezählt, 0,11% der Bevöl­ke­rung. In Deutsch­land bis­lang in 2015 218.221. Bei rund 82 Mio. EW sind das 0,27%.
Die Erst­asyl­an­träge in der EU plus Schweiz 2014: (Flücht­lings­be­richt 2014 der EU)
BRD: 172.345
Schwe­den: 74.980
Ita­lien: 63.000
Frank­reich: 57.000
Grie­chen­land: 48.000
Ungarn: 41.215
Groß­bri­tan­nien: 31.070

Spa­nien: 5.460
In Rela­tion zur Bevöl­ke­rung (gut 1%) nahm Schwe­den 2014 die meis­ten Asyl­an­träge an, gefolgt von Ungarn, Malta, der Schweiz, Däne­mark, Grie­chen­land, Nor­we­gen. Erst danach folgte Deutsch­land.
Wäh­rend also zum Bei­spiel der Liba­non mit knapp 4,5 Mil­lio­nen Ein­woh­nern und einem BIP von 6.569 Dol­lar pro Kopf gut 1,5 Mio. Ver­trie­bene auf­nahm, ein Drit­tel, sind es in der gan­zen EU mit knapp 500 Mio. Ein­woh­nern und einem BIP von 36.788 Dol­lar aktu­ell eine halbe Mil­lion. Die Zahl soll auf 800.000 stei­gen, aber auch im Liba­non wer­den es nicht weni­ger wer­den.
Am Ende des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges betrug der Anteil von Migran­ten und Flücht­lin­gen in Köln runde 65%.

Was ist ein Janus­kopf? Das ist einer, der vorne lächelt und hin­ten droht.
Die Poli­ti­ker der EU sind medial betrof­fen, öff­nen auch mal spon­tan Flucht­wege und Gren­zen und las­sen sich dafür abfei­ern- bera­ten aber intern der­weil über fol­gende «Lösun­gen»:
-Mili­tär­ein­sätze zur Bekämp­fung der «Schlep­per­ban­den»,
-eine wei­tere rigo­rose Ver­stop­fung der Flucht­wege,
-Bau von «Auf­nah­me­zen­tren», sprich Lagern und eine schnel­lere Rück­ab­schie­bung,
-Fest­hal­ten am soge­nann­ten Dub­lin-Sys­tem, wel­ches Rück­füh­run­gen in Erst­auf­nah­me­län­der vor­sieht, zum Nach­teil von z.b. Ita­lien, Malta und Grie­chen­land.
Ulla Jelpke kom­men­tierte das in der jun­gen Welt vom 3.9.2015 so:
«Nicht mal im Rah­men der Dis­kus­sion um Not­maß­nah­men zur Flücht­lings­ret­tung kön­nen sich die Mit­glieds­staa­ten von ihren natio­na­len Inter­es­sen lösen und sich wie eine soli­da­ri­sche Staa­ten­ge­mein­schaft ver­hal­ten. Gel­der flie­ßen wei­ter­hin nur in Maß­nah­men zur Abschre­ckung  von Flücht­lin­gen sowie zur Abschot­tung der EU, nicht aber in den Auf­bau einer zivi­len See­not­ret­tung oder in die Schaf­fung der Vor­aus­set­zun­gen für eine men­schen­wür­dige Auf­nahme von Schutz­su­chen­den.»
Innen­mi­nis­ter Tho­mas die Misere (de Mai­zière) for­dert zudem, vor allem den Asyl­su­chen­den aus dem ehe­ma­li­gen Jugo­sla­wien und Alba­nien kein Geld mehr zu geben. Sie wür­den mehr bekom­men als ein Hartz-4ler: 1000 Euro! Dabei sind es nach Anga­ben sozia­ler Trä­ger maxi­mal 439 Euro für eine ganze, fünf­köp­fige Fami­lie. Die Misere meint auch: Wir müs­sen die Leis­tun­gen ver­rin­gern, denn es wol­len noch viel, viel mehr Flücht­linge zu uns. Oh wei, da bekommt er noch mehr Angst, der «Wut­bür­ger», eine irr­ra­tio­nale Angst, die in eng­li­schen Gazet­ten als «Ger­man Angst» ver­spot­tet  wird.
Die Flucht­wege nach Europa:
Von West­afrika auf die Kana­ren oder via Marokko nach Spa­nien. Ver­stopft durch Grenz­an­la­gen und rigo­rose Rück­füh­run­gen, Stau in Auf­fang­la­gern.
Von Libyen oder Tune­sien nach Ita­lien und Malta, über den Land­weg via Tür­kei nach Grie­chen­land. Wer nicht im Mit­tel­meer ertrinkt lan­det meist in über­füll­ten Lagern auf Lam­pe­dusa, den grie­chi­schen Inseln, oder bleibt im Liba­non hän­gen.
Eine wei­tere große Route ver­läuft von Afgha­ni­stan und Paki­stan Rich­tung Iran und Tür­kei.
Die Wei­ter­reise nach West- und Mit­tel­eu­ropa ist kaum mög­lich, die Wege durch Gren­zen, Zäune und Gesetze ver­stopft. Wer da, mit Glück und Geld, durch­kommt, schafft es auch noch nach Ungarn oder Ser­bien.
Am 1. Sep­tem­ber ver­ur­teilte der Euro­päi­sche Gerichts­hof für Men­schen­rechte Ita­lien wegen des Umgangs mit Flücht­lin­gen auf der Insel Lam­pe­dusa.
Ebenso wurde die schnelle Abschie­be­pra­xis in den meis­ten EU-Län­dern, oft ohne Prü­fung des Asyl­grun­des, gerügt.
Der ita­lie­ni­sche, in Eri­trea gebür­tige Pries­ter und Grün­der der Ent­wick­lungs­hil­fe­agen­tur Habes­hia Don Zeral hält die Flücht­lings­po­li­tik der EU für verbrecherisch:“Europa könnte die Ursa­chen leicht bekämp­fen und kurz­fris­tig Flücht­linge ret­ten. Tut aber das Gegen­teil».
Wo legale Wege rar wer­den, blüht das Schlep­per­ge­werbe erst auf.
Glei­chen Schritt mit der Stei­ge­rung bei den Flücht­lings­zah­len hält die Stei­ge­rung der Waf­fen­ex­porte. Im ers­ten Halb­jahr 2015 hat­ten die Aus­fuh­ren an Rüs­tungs­gü­tern aus der BRD einen Wert von 6,35 Mrd Euro. 2014 waren es im gesam­ten Jahr 6,5 Mrd.
Die Haupt­emp­fän­ger sind Saudi Ara­bien, die Emi­rate und die Tür­kei. Von dort gelangt ein gros­ser Teil der Waf­fen direkt in die Kriegs­ge­biete im nahen Osten und befeu­ert u.a den Syri­en­krieg. Ins­ge­samt wur­den so bis­lang 4 Mil­lio­nen Syrer ver­trie­ben, fast eben­so­viele Ira­ker.
In gut 40% aller Län­der die­ser Erde herr­schen Krieg und Kriegs­ähn­li­che Zustände.
Klaus Stein von der DKP kom­men­tiert das so:
«Wer Waf­fen aus­führt, braucht sich nicht zu wun­dern, wenn er Flücht­linge ein­führt.«
Die letzte Mel­dung in die­sem Zusam­men­hang ist alar­mie­rend:
Der ukrai­ni­sche Prä­si­dent Porot­schenko erlaubt die Sta­tio­nie­rung frem­der Atom­waf­fen und ande­rer Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen auf dem Gebiet der Ukraine!
Der Kampf gegen Krieg ist auch ein Kampf gegen Ver­trei­bung und Flucht.
Auf dem G20 Gip­fel in Ankara herrschte, ange­sichts der Aus­sich­ten auf eine welt­weite Ver­schär­fung der Krise, Rat­lo­sig­keit. Schäuble nennt den Schul­di­gen: China.
Und er nennt die Rezepte: Pri­va­ti­sie­rung, Haus­halts­kon­so­li­die­rung, Struk­tur­an­pas­sungs­pro­gramme, Sta­bi­li­täts­pakte et cetera pp.  
Noch grö­ßere Rat­lo­sig­keit, denn die Rea­li­tät sieht anders aus. Schäuble allein zuhaus?
Michel Chos­su­dovsky schrieb in sei­nem Buch über Welt­han­del, Krieg und Armut,
«Glo­bal Bru­tal» bereits 1997:
«Seit den frü­hen 80er Jah­ren zwin­gen IWF und Welt­bank den Ent­wick­lungs­län­dern als Bedin­gung für Umschul­dungs­ver­hand­lun­gen und neue Kre­dite Pro­gramme zur «makro­öko­no­mi­schen Sta­bi­li­sie­rung» und «Struk­tur­an­pas­sung» auf. Diese Pro­gramme haben zur Ver­ar­mung Hun­der­ter Mil­lio­nen von Men­schen geführt.«
Pri­va­ti­sie­run­gen und Frei­han­dels­ab­kom­men jeder Cou­leur haben in den betref­fen­den Län­dern die Wäh­run­gen desta­bi­li­siert, die Bin­nen­kauf­kraft ver­nich­tet, Bil­dungs-und Gesund­heits­we­sen zer­stört, die Ver­sor­gung mit Strom und Was­ser ver­teu­ert und damit eine enorme Mas­sen­ar­mut geschaf­fen. Chos­su­dovsky zählt eine Unmenge Bei­spiele aus Süd­ame­rika, Asien und Afrika auf, wo Frei­han­del tötete. Kame­run, wo durch sol­che EU-Ver­träge der gesamte Hähn­chen­markt zusam­men brach, 80.000 Betriebe durch bil­lige, hoch­sub­ven­tio­nierte Import­ware rui­niert und über 2 Mil­lio­nen Men­schen arbeits­los ins Elend gesto­ßen wur­den. Sene­gal, wo die EU zum eige­nen Segen Erd­nuss­plan­ta­gen mit Kre­di­ten för­derte, ein Land­raub ein­setzte und als der Markt ein­brach, hockte der Sene­gal auf Mil­lio­nen Ton­nen von Nüs­sen, die Land­wirt­schaft lag am Boden. Die Men­schen flo­hen.
Im Kongo wird seit Jahr­zehn­ten ein blu­ti­ger Bür­ger­krieg am Leben gehal­ten, damit west­li­che Mono­pol­kon­zerne mit Kin­der­skla­ven die wert­vol­len Res­sour­cen des rie­si­gen Lan­des aus­plün­dern kön­nen. Um damit immer mehr Elek­tro­schrott her­zu­stel­len.
Es gibt der Bei­spiele viele und letzt­end­lich wird ja auch Europa mit die­sem Wirt­schafts­ter­ror über­zo­gen, den Heil­mit­teln neo­li­be­ra­ler Raff­sä­cke. Und ihr Instru­ment ist das Drei­ge­stirn aus Welt­bank, Welt­wäh­rungs­fond (IWF) und Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­tion (WTO). Chos­su­dovsky nennt sie das Drei­eck der Macht, der ehe­ma­lige UN- Kom­mis­sar für Ernäh­rung, der Schwei­zer Jean Zieg­ler nennt sie «Die drei apo­ka­lyp­ti­schen Rei­ter».
Einer der Haupt­gründe für Flucht ist neben dem Krieg der Hun­ger. Welt­weit gel­ten der­zeit rund 1 Mil­li­arde Men­schen als dau­er­haft unter­ernährt, dazu kom­men noch Hun­derte Mil­lio­nen man­gel­er­nähr­ter Men­schen. Über 80 % davon leben in Asien und Schwarz­afrika, rund 2% in den ent­wi­ckel­ten Län­dern. Auch Jean Zieg­ler schil­dert uns in sei­nem 2011 erschie­ne­nem Buch «Wir las­sen sie ver­hun­gern- Die Mas­sen­ver­nich­tung in der Drit­ten Welt» wie der Frei­han­del tötet:
Auf der 2005 in Hong­kong wie­der­be­leb­ten, 2001 in Doha begon­ne­nen Doha-Ent­wick­lungs­runde, wandte sich die WTO ent­schie­den gegen die unent­gelt­li­che Lebens­mit­tel­hilfe. Es ver­stoße gegen alle hei­li­gen Regeln des Mark­tes, wenn das WFP, das ist das Welt­ernäh­rungs­pro­gamm der UNO, aus Agrar­über­schüs­sen der Geber­län­der, Reis, Mehl­paste, Fla­den­brote und Milch umsonst in Flücht­lings­la­gern, Dör­fern und Kran­ken­häu­sern ver­teilt. Das per­ver­tiert den Markt, jede Ware muss ihren Wert haben!
Das WFP wehrte sich gegen die­ses Ansin­nen und kon­terte:
«Die Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­tion lehrt uns, dass auf unse­rer Erde Unter­ernäh­rung und Hun­ger die größ­ten Gesund­heits­ri­si­ken dar­stel­len. Jedes Jahr ster­ben mehr Men­schen an Hun­ger, als an Aids, Tuber­ku­lose, Mala­ria und all den ande­ren Epi­de­mien zusam­men… Die WTO ist ein Club für Rei­che… Die Debatte, die sie führt, ist keine Debatte über den Hun­ger, son­dern eine Debatte über Han­dels­vor­teile… Ist es hin­nehm­bar, dass die Lebens­mit­tel­hil­fen für die hun­gern­den Müt­ter und Kin­der, die auf dem Welt­markt keine Rolle spie­len, im Namen des Wirt­schafts­li­be­ra­lis­mus gekürzt wer­den?«
In Hong­kong lehn­ten sich vor allem die süd­li­chen Län­der gegen die Mächte des Frei­han­dels auf. Der Antrag auf Besteue­rung der Nah­rungs­mit­tel­hilfe wurde mit gro­ßer Mehr­heit abge­lehnt.
Auch Indien mit sei­nen 1,2 Mil­li­ar­den Men­schen beschied die Doh­a­runde mit der For­de­rung nach Abschaf­fung sei­nes  Pro­gramms «public dis­tri­bu­tion sys­tem» PDS. Nach­dem 1943 in Ben­ga­len mehr als 3 Mil­lio­nen Men­schen ver­hun­gert waren und die eng­li­schen Besat­zer sogar die Korn­spei­cher geleert hat­ten, machte Gan­dhi den Kampf gegen den Hun­ger zum wich­tigs­ten Aspekt indi­scher Poli­tik. Seit Nehru, dem ers­ten Pre­mier­mi­nis­ter des sou­ve­rä­nen Indien, schützt die­ses staat­li­che und aus ganz ver­schie­de­nen Quel­len gespeiste Nah­rungs­ver­tei­lungs­pro­gramm Aber­mil­lio­nen von Indern vor dem Ver­hun­gern. Zudem gibt es 900.000 Zen­tren zur Kin­der­er­näh­rung. Die kon­ser­va­tive Modi Regie­rung konnte nicht anders, sie musste den Angriff von WTO, IWF und Welt­bank abweh­ren.
Für die Län­der Afri­kas, wo dies nicht gelang und der Frei­han­del, nebst Land­g­rab­bing, Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­tion unge­hin­dert Ein­zug hielt, nennt Jean Zieg­ler zwei Bei­spiele:
Sam­bia, an den Ufern des Sam­besi, durch­aus nicht unfrucht­bar. Grund­nah­rungs­mit­tel ist der Mais. In den 80er Jah­ren wurde der Mais­ver­brauch zu 70% vom Staat sub­ven­tio­niert, ebenso die Land­wirt­schaft. Diese Sub­ven­tio­nen mach­ten unge­fähr 20% des Haus­hal­tes aus und die Ernäh­rung aller wurde gesi­chert durch eine Behörde, das Mar­ke­ting Board.
Der IWF ver­ord­nete über die Kre­dit­ver­gabe zunächst die Ver­rin­ge­rung, dann die völ­lige Abschaf­fung die­ser Sub­ven­tio­nen. Er ver­bot auch die staat­li­chen Zuschüsse für den Kauf von Dün­ger, Saat­gut und Pes­ti­zi­den. Ebenso wur­den die Schu­len und Kran­ken­häu­ser kos­ten­pflich­tig. Im Ergeb­nis stieg der Zahl der Kran­ken und Man­gel­er­nähr­ten rapide an, viele Bau­ern muss­ten ihr Land ver­las­sen, der Mais­ver­brauch sank um 25 %, die Kin­der­sterb­lich­keit explo­dierte.
2010 leb­ten 86% der sam­bi­schen Bevöl­ke­rung unter der natio­na­len Armuts­schwelle, 72,6% muss­ten sich mit weni­ger als einem Dol­lar am Tag begnü­gen, 45% gel­ten als schwer und per­ma­nent man­gel­er­nährt.
Ghana hat bereits 1957 seine Unab­hän­gig­keit erstrit­ten. Der erste Prä­si­dent, Kwame Nkru­mah grün­dete 1960 in Addis Abeba zusam­men mit Gamal Abdel Nas­ser und ande­ren die Orga­ni­sa­tion der Afri­ka­ni­schen Ein­heit, OAE, Vor­läu­fer der Afri­ka­ni­schen Union.
Haupt­nah­rungs­mit­tel der Gha­ne­sen ist der Reis. 1970 wurde von rund 800.000 ein­hei­mi­schen Bau­ern die gesamte Menge des Reis­be­darfs pro­du­ziert.
1980 schlug der IWF zu: Der Schutz­zoll für Reis musste um 20% her­ab­ge­setzt und sollte wei­ter redu­ziert wer­den. Ebenso fie­len, wie in Sam­bia, alle Sub­ven­tio­nen für die Bau­ern dem Markt zum Opfer.
Heute impor­tiert Ghana 70% des benö­tig­ten Rei­ses. Die staat­li­che Behörde zum Ver­trieb von Nah­rungs­mit­teln wurde abge­schafft. Um die Exporte (Kakao und Kaf­fee) küm­mern sich aus­län­di­sche Kon­zerne. 2010 zahlte Ghana über 400 Mio Dol­lar für Nah­rungs­mit­tel­ein­fuh­ren.
WTO, IWF und Welt­bank haben zu allem Über­fluss noch einen vier­ten Rei­ter der Apo­ka­lypse in petto: die Nato.  Wider­bors­tige «Hit­lers», wie Milo­se­witsch, Ghad­dafi oder Assad wer­den mit dem Schwert der Men­schen­rechte, sprich, dem Recht sich zu berei­chern, geschla­gen, ihre Län­der von Nat­obom­ben ver­wüs­tet. In Afgha­ni­stan, in Libyen, im Irak, im Sudan, in Syrien sind die Men­schen durch­weg durch diese Sipp­schaft in Not und Ver­zweif­lung gestürzt wor­den. Die Fol­gen von wirt­schaft­li­cher und mili­tä­ri­scher Ein­mi­schung, die Erpres­sung durch Kre­dite, Embar­gos, das Zer­schla­gen sozia­ler Staat­lich­keit, die totale Abhän­gig­ma­chung vom west­li­chen Markt sind zu offen­sicht­lich, als das man unse­ren Herr­schen­den ihren Kat­zen­jam­mer und ihre ein­fa­chen Schuld­zu­wei­sun­gen noch abkau­fen kann. Ihre Poli­tik exe­ku­tiert die Vor­ga­ben der apo­ka­lyp­ti­schen Rei­ter und ihrer Hin­ter­män­ner. Und diese Poli­tik ist auch in Europa ange­kom­men. Grie­chen­land, Kosovo, Ser­bien, Bul­ga­rien usw… und wei­ter gedacht: Ruhr­ge­biet und Ost­deutsch­land.
Fas­sen wir kurz zusam­men und las­sen wir die sich welt­weit ver­schär­fende Krise des Kapi­ta­lis­mus, die Umwelt­zer­stö­rung und den Kli­ma­wan­del  ein­mal als zusätz­li­che Ursa­chen außen vor, dann ergibt sich fol­gende Sys­te­ma­tik der Flucht­gründe:
-Schaf­fung abhän­gi­ger Märkte in Län­dern der Peri­phe­rie, Kon­trolle durch Kre­dite
-Über­schul­dung der betref­fen­den Län­der, Struk­tur­an­pas­sungs­pro­gramme durch den IWF
-Frei­han­dels und Schutz­zoll­ab­bau­ab­kom­men mit den betref­fen­den Län­dern
-Pri­va­ti­sie­rungs­welle, wei­tere Über­schul­dung der Staats­haus­halte, aus­ufernde Armut.
- Macht­über­tra­gung an trans­at­lan­ti­sche Mono­pol­kon­zerne, Land­raub, Aus­ver­kauf von Bil­dung und Gesund­heit sowie der Res­sour­cen, Erhö­hung der Waren­im­porte in die betrof­fe­nen Länder,Hunger.
-Offen oder ver­deckt geführte Kriege der Nato, offen oder ver­deckte Kolonial‑, Stell­ver­tre­ter- und Bür­ger- oder Ban­den­kriege. Län­der­über­grei­fen­der Zer­fall staat­li­cher Struk­tu­ren, Flucht und Ver­trei­bung.
Vor gut 25 Jah­ren erklärte mir ein aus dem «Erd­nuss­pa­ra­dies» Sene­gal stam­men­der Künst­ler­kol­lege, auf die Frage, was er aus­ge­rech­net im kal­ten Deutsch­land will,  er sei ein­fach dahin gegan­gen, wo auch die Früchte sei­nes Lan­des und ihr Geld hin­ge­gan­gen seien, ein­fach der Nase lang- und schwupp war er in… Frank­furt. Gefiel ihm nicht. Jetzt ist er nicht­re­gis­trier­ter Bin­nen­flücht­ling in frem­den Lan­den.
Gemäß des Leit­ar­ti­kels der UZ vom 4.9.2015 bleibt zu for­dern:
Men­schen schüt­zen, nicht das Geld!
Soli­da­ri­tät mit allen Ver­trie­be­nen welt­weit!
Flucht­gründe und Flucht­ur­sa­chen besei­ti­gen!
Merci de votre attention!