Krise, Krieg und faschis­ti­sche Tendenzen

Refe­rat des Vor­sit­zen­den der DKP-köln

Liebe Genos­sin­nen und Genossen,

Die Krise hält an. Die Wirt­schafts­aus­sich­ten trü­ben sich ein, eine Rezes­sion droht. Ende des ver­gan­ge­nen Jah­res wurde das Ford-Werk in Genk und das Opel-Werk in Bochum geschlos­sen. 10 000 Arbeits­plätze in Genk, 3000 in Bochum. Die Beschäf­tig­ten von Ford-Köln waren froh, dass sie nur von Kurz­ar­beit betrof­fen waren. Das Sprin­ter-Werk von Daim­ler in Düs­sel­dorf ent­lässt 650 Mit­ar­bei­ter. Wegen Umsatz­schwun­des bei Spe­zi­al­gum­mis für die Auto­in­dus­trie hat Lan­xess ange­kün­digt, 1000 Mit­ar­bei­ter freizusetzen.

Bei Kar­stadt droht eine Entlassungswelle.

Ver­gan­gene Woche (FAZ vom 6. Januar 2015) äußerte sich Mat­thias Wiss­mann für den Ver­band der Auto­mo­bil­in­dus­trie ent­täuscht über den Man­gel an pri­va­ter Nach­frage nach Autos. Zwar sei im Jahr 2014 bei etwas mehr als 3 Mio ver­kauf­ten Ein­hei­ten ein Plus von 3 Pro­zent bei den Neu­zu­las­sun­gen fest­zu­stel­len. Die­ses Plus sei aber nur auf­grund gewerb­li­cher Zulas­sun­gen zustande gekom­men. Pri­vate Neu­wa­gen­käufe hät­ten ein neues Rekord-Tief erreicht. Von Januar bis Novem­ber ging die Zahl gegen­über dem Vor­jahr um 2 Pro­zent auf 1,02 Mio zurück: Der nied­rigste Wert seit dem Jahr 2000. Fer­di­nand Dudenhöf­fer ergänzt diese Ein­schät­zung: nur 32,7% der Neu­zu­las­sun­gen von PKW im Novem­ber seien sol­che von Pri­vat­per­so­nen (siehe KR 6. Januar 2015). Das sei ein neuer Nega­tiv­re­kord. Peter Fuß von der Unter­neh­mens­be­ra­tung Ernst & Young sagt: »Ange­sichts der aktu­ell eher trü­ben welt­wei­ten Kon­junk­tur­aus­sich­ten erscheint es unwahr­schein­lich, dass sich die gewerb­li­chen Zulas­sun­gen in den kom­men­den Mona­ten wei­ter so posi­tiv ent­wi­ckeln wer­den. Statt­des­sen dürf­ten viele Unter­neh­men wie­der einen Spar­kurs ein­schla­gen und auch bei Dienst­wa­gen den Rot­stift anset­zen.« Damit käme dem deut­schen Auto­markt die wich­tigste Stütze abhanden.

Erin­nert sei daran, dass das Kurz­ar­bei­ter­geld auch für die­ses Jahr von sechs auf zwölf Monate ver­län­gert wor­den ist. Und NRW-Arbeits­mi­nis­ter Gun­tram Schnei­der hatte sogar dafür plä­diert, in Ein­zel­fäl­len bis zu 18 Monate Kurz­ar­bei­ter­geld zu zahlen.

Der Zustand der Über­ak­ku­mu­la­tion dau­ert an. Mas­sen von Geld­ka­pi­tal suchen ver­zwei­felt und ver­geb­lich nach pro­fi­ta­blen Anla­ge­mög­lich­kei­ten. Es fehlt an Mas­sen­kauf­kraft. Kre­dite wer­den faul, faule Kre­dite wer­den ver­staat­licht. Ban­ken wer­den vor dem Bank­rott bewahrt. Der staat­li­che Schul­den­berg wächst. Im Juli 2014 hat­ten die 18 Euro-Län­der Schul­den von knapp über 9 Bil­lio­nen Euro, das sind 93,9% ihres BIP. Drei Monate vor­her waren es noch 92,6%, 150 Mil­li­ar­den Euro weni­ger. Die EZB ver­spricht eine wei­tere Bil­lion Euro. Sie will über­haupt wei­ter­hin unbe­grenzt Gel­der zur Ver­fü­gung stel­len und Staats­an­lei­hen über­schul­de­ter Staa­ten ankau­fen. Mit der Geld­schwemme wer­den die Zin­sen nied­rig gehal­ten. Diese Nied­rig­zins­po­li­tik kann indes nicht von lan­ger Dauer sein. Denn der Preis des Gel­des ist ein wirt­schaft­li­ches Regu­la­tiv. Er sorgt gemein­hin dafür, dass es sich bei den pro­duk­tivs­ten Pro­jek­ten einer Volks­wirt­schaft sam­melt. Die Ver­wer­fun­gen spürt nicht nur die Ver­si­che­rungs­wirt­schaft, die über die Umver­tei­lung mit dem Argu­ment jam­mert, dass den Leu­ten die Erspar­nisse genom­men werden.

Auf der ande­ren Seite sind die Schuld­ner die­ser Welt an hohen Zin­sen nicht inter­es­siert. Das betrifft nicht nur Län­der in Europa wie Spa­nien, Ita­lien, Grie­chen­land und Por­tu­gal. Ebenso würde es die hoch­ver­schul­de­ten Städte und Gemein­den tref­fen. Folg­lich zit­tern die Schuld­ner und mit ihnen die Finanz­welt vor dem Ende der Nied­rig­zins­po­li­tik. Diese Sorge erscheint begrün­det. Am 30. Okto­ber hat die FAZ unter der Über­schrift »Die FED öff­net ein neues geld­po­li­ti­sches Kapi­tel« berich­tet, dass der Offen­markt­aus­schuß der ame­ri­ka­ni­schen Noten­bank Fede­ral Reserve am Tag vor­her beschlos­sen habe, die Käufe von Staats­an­lei­hen und von mit Hypo­the­ken besi­cher­ten Wert­pa­pie­ren ein­zu­stel­len. Mit dem Ende der Anlei­he­käufe rücke die Zins­po­li­tik stär­ker in den Vor­der­grund. Zwar wolle die FED ange­sichts eines zuver­sicht­li­chen Kon­junk­tur­aus­blicks an ihrer Zusage fest­hal­ten, den fak­ti­schen Null­zins für eine beträcht­li­che Zeit bei­zu­be­hal­ten, aber eine Zins­er­hö­hung könne kommen.

In dem Fall dürf­ten wir sicher sein, liebe Genos­sin­nen und Genos­sen, dass auch die EZB sogleich bezüg­lich des Zins­ni­veaus ent­spre­chende Maß­nah­men vor­se­hen würde. Aber noch ist es nicht so weit. Vor­aus­set­zung wäre ein Ansprin­gen der Kon­junk­tur. Das ist nicht in Sicht. Zwar dru­cken die ame­ri­ka­ni­schen und euro­päi­schen Zen­tral­ban­kiers das Geld angeb­lich zu dem Zweck, die Kon­junk­tur wie­der ans Lau­fen zu brin­gen. Aber das Geld wird gar nicht in die Pro­duk­tion inves­tiert, weil sich mit der Her­stel­lung von Waren kaum noch etwas ver­die­nen läßt. Weil nie­mand in reale Pro­duk­tion inves­tie­ren will, ist das Geld so bil­lig. Die unend­li­chen Men­gen, die die Zen­tral­ban­ken davon zur Ver­fü­gung stel­len, schim­meln unge­nutzt vor sich hin. Wert­voll und zins­brin­gend wird das Geld erst, sogar infla­tio­när womög­lich, wenn die Men­schen wie­der kon­su­mie­ren, was pro­du­ziert wird.

Zuvor muss indes die Krise ihren Zweck erfül­len und Kapi­tal entwerten.

Die Nied­rig­zins­po­li­tik der EZB setzt aber spür­bar fal­sche Anreize, defor­miert die Wirt­schaft und läßt die Bla­sen am Finanz­markt anschwel­len. Irgend­wann plat­zen sie.

Ein soge­nann­ter Stress­test im Herbst ver­gan­ge­nen Jah­res sollte uns glau­ben machen, dass die euro­päi­schen Ban­ken kri­sen­fest seien. Tat­säch­lich aber schlum­mern gewal­tige Risi­ken im Test­be­richt. Rai­ner Rupp kam in der jW (1. Novem­ber 2014) auf eine Summe von 879 Mil­li­ar­den unein­bring­li­cher Kre­dite, 9% des BIP der gesam­ten Euro­zone. Ange­sichts der fak­ti­schen Pleite des Ban­ken­sek­tors habe die wei­tere Bil­lion der EZB die Auf­gabe, den Zusam­men­bruch wei­ter hinauszuschieben.

Die Alter­na­tive zu spon­ta­nen wirt­schaft­li­chen Zusam­men­brü­chen sind große Kriege oder orga­ni­sierte Kapi­tal­ver­nich­tung in Gestalt von Schul­den­schnit­ten. Einen Schul­den­schnitt for­dert bei­spiels­weise Syriza und hat gute Chan­cen, nach dem 25. Januar die grie­chi­sche Regie­rung zu stel­len. Am 29. Dezem­ber hatte das Par­la­ment zum drit­ten Mal die Wahl eines Prä­si­den­ten schei­tern las­sen. Ange­sichts die­ser Aus­sich­ten wer­den prompt die ver­ein­bar­ten nächs­ten Kre­dit­tran­chen verweigert.

Ein Schul­den­er­lass ist ange­sichts der impe­ria­lis­ti­schen Kon­kur­renz und den gegen­wär­ti­gen Macht­ver­hält­nis­sen nicht wahr­schein­lich, solange sie nicht von einer Mas­sen­be­we­gung, am bes­ten mit sozia­lis­ti­schen Vor­zei­chen, getra­gen wird. Und es gibt ein wei­te­res Pro­blem. Grie­chen­lands Gesamt­schuld betrug Ende Sep­tem­ber 321,7 Mrd Euro, die Quote liegt damit über 175 % des BIP. Chris­tian Weil, Com­merz­bank-Chef­volks­wirt, sagt: »Mehr als 260 Mrd Euro, rund 60% der Gesamt­schuld, hal­ten aber inzwi­schen öffent­li­che Gläu­bi­ger.« Den Löwen­an­teil hält der Euro­staa­ten-Hilfs­fonds EFSF (141,8 Mrd Euro). 35,4 Mrd Euro sind vom IWF, 52,9 Mrd Euro stam­men von bila­te­ra­len Hilfs­kre­di­ten der EU-Län­der. Die EZB hat aus dem ers­ten Staats­an­lei­he­pro­gramm noch einen Bestand von 35 Mrd Euro. Nur 30 Mrd Euro lie­gen noch bei Pri­va­ten, vor allem grie­chi­sche Ban­ken. Die haben laut FAZ schon beim ers­ten Schul­den­schnitt hohe Ein­bu­ßen erlit­ten, wäh­rend Hedge­fonds auf dem Tief­stand der Kurse güns­tig kau­fen konnten.

Tsi­pras will ein Ende der Spar­po­li­tik und einen Schul­den­schnitt. Aber nota bene: er ver­langt den Schul­den­schnitt von den mitt­ler­weile vor­wie­gend öffent­li­chen Gläu­bi­gern. Die FAZ errech­nete schon vor einer Woche (6. Januar 2015) die Kos­ten. Deutsch­land müsse für den Fall, dass die grie­chi­sche Schul­den­quote auf 120 % sin­ken soll, mit dem Ver­lust von 23 Mrd rech­nen, im Falle von 90% auf 40 Mrd. Bei einem Aus­tritt aus der Euro-Zone, den die KKE ver­langt, mit dem aber auch die Bun­des­re­gie­rung zeit­weise koket­tierte, betrage der Ver­lust 76 Mrd Euro. Deut­sche Ban­ken seien – abge­se­hen von der staat­li­chen KfW – in Grie­chen­land weni­ger mit Kre­di­ten enga­giert. Sie haben rund 4,6 Mrd an Ban­ken und 3,6 Mrd an Unter­neh­men und Pri­vat­per­so­nen verliehen.

Die anhal­tende Krise, die in die­sem Zusam­men­hang vor­ge­nom­mene Umver­tei­lung von unten nach oben, die sozia­len Ängste und die Fehl­deu­tun­gen bezüg­lich der Kri­sen­ur­sa­chen und Kri­sen­fol­gen stel­len den Hin­ter­grund der Rechts­ent­wick­lung dar. Wir haben sie theo­re­tisch nur unvoll­stän­dig erfasst, geschweige denn, dass wir unsere poli­ti­schen Tak­ti­ken schon anzu­pas­sen ver­stan­den hätten.

Auch der Leit­an­trag an den 21. Par­tei­tag ist noch zu wenig geeig­net, die Par­tei auf die ver­än­der­ten Bedin­gun­gen ein­zu­stel­len. Gegen­wär­tig beschleu­ni­gen sich die Rechts­ten­den­zen – den­ken wir an AfD, Hogesa und Pegida, aber auch an die Mon­tags­mahn­wa­chen einer soge­nann­ten neuen Frie­dens­be­we­gung. Die Ter­ror­an­schläge gegen die linke Kari­ka­tu­ren­zeit­schrift Char­lie Hebdo und einen kosche­ren Super­markt in Paris am ver­gan­ge­nen Mitt­woch (7. Januar) sind so ange­legt, dass sie diese Ten­den­zen nach dem Mus­ter von Hun­ting­tons »Kampf der Kul­tu­ren« ver­stär­ken. Es droht eine neue Qua­li­tät. Unsere anti­fa­schis­ti­sche Arbeit steht vor neuen Her­aus­for­de­run­gen bezüg­lich ihrer Ana­lyse, der Mit­tel und poli­ti­schen Breite der fäl­li­gen Gegenwehr.

Der rechte Ter­ror und die anti­is­la­mi­schen Demons­tra­tio­nen haben die Funk­tion, den Abbau von Demo­kra­tie zu recht­fer­ti­gen, die Akzep­tanz von mili­tä­ri­schen Maß­nah­men zu erhö­hen und uns an große Kriege heranzuführen.

Patrik sagte in sei­nem Refe­rat auf der 10. PV-Tagung, als er den Leit­an­trag begrün­dete: »Wir erle­ben wie­der und wie­der den Zusam­men­hang zwi­schen Kapitalismus/Imperialismus, Krise und Krieg. In die­ser Situa­tion ist es not­wen­dig, dass sich anti­mo­no­po­lis­ti­sches Bewusst­sein ver­brei­tet und anti­mi­li­ta­ris­ti­sche und anti­fa­schis­ti­sche Bewe­gun­gen stär­ker wer­den.« Mei­ner Mei­nung nach wird es noch eini­ger geis­ti­ger Anstren­gung bedür­fen, in der gebo­te­nen Kürze den Zusam­men­hang von Kapi­ta­lis­mus, Krieg und faschis­ti­schen Ten­den­zen nachzuweisen.

Als am 23. Sep­tem­ber 2014 der US-ame­ri­ka­ni­sche Öko­nom und Nobel­preis­trä­ger Robert Shil­ler zur Lage der Welt­wirt­schaft befragt wurde, sagte er: »Wir ste­cken fest. Die Frage ist: Wie kom­men wir da raus?« Frage Han­dels­blatt: »Und Ihre Ant­wort?« Ant­wort Shil­ler: »Die berei­tet mir viel­leicht die größ­ten Sor­gen: Ein Krieg.« Die Gegen­seite kennt also den Zusam­men­hang, aber in der öffent­li­chen Debatte zum Thema »100 Jahre Ers­ter Welt­krieg« sollte er ver­ges­sen gemacht wer­den. Chris­to­pher Clark und Her­fried Mün­k­ler haben zur Ver­ne­be­lung der Kriegs­ur­sa­chen ihren Bei­trag geleis­tet. Die KPD der Wei­ma­rer Repu­blik kannte sie aber noch. Ihr erin­nert Euch an sol­che Losun­gen wir »Krieg und Lei­chen – immer noch Hoff­nung der Rei­chen« auf einer Foto­mon­tage von John Heart­field aus der AIZ vom 27. April 1932, eine andere hieß: »Wollt Ihr wie­der fal­len, damit die Aktien stei­gen?« (28. August 1932)

Klaus, 13. Januar 2015