Köln wehrt sich – aber wie

Köln wehrt sich – aber wie? Die Demo der Nazi­hoo­li­gans und fäl­lige Gegenaktivitäten

Refe­rat für die Kreis­vor­stands­sit­zung der DKP-Köln

Liebe Genos­sin­nen und Genos­sen,
am 26. Okto­ber sind einige Beob­ach­ter von den poli­ti­schen Aus­sa­gen und der Zahl der Teil­neh­mer an der Zusam­men­rot­tung der Nazi­hoo­li­gans etwas weni­ger über­rascht wor­den, als sie vor­ge­ben. Zumal durch Zusa­gen auf der Face­book-Seite von Hogesa annä­hernde Zah­len von Teil­neh­mern ables­bar gewe­sen sind.
Tat­säch­lich zeigte sich am nächs­ten Tag der NRW-Ver­fas­sungs­schutz-Chef Freier nicht über­rascht. Auch die Poli­zei war es nicht, alle­mal ab dem Zeit­punkt, an dem die Orga­ni­sa­to­ren der Gegen­demo sie gewarnt und ein Ver­bot ver­langt hatten.Die Demo aus Sicht der Polizei

Im Gegen­teil, wir soll­ten davon aus­ge­hen, daß von Nazi­seite – womög­lich auch von Sei­ten des Inlands­ge­heim­diens­tes – län­ger­fris­tige Stra­te­gien wirk­sam gewor­den sind. Ich habe auf der Demons­tra­tion am 2. Novem­ber schon aus der FAZ eine bezeich­nende Infor­ma­tion gege­ben. Am Diens­tag, den 28. Okto­ber, hatte die Zei­tung im Sport­teil mit­ge­teilt: „Nicht zuletzt ein her­vor­ra­gend infor­mier­ter Fan­for­scher mit beson­de­rer Kennt­nis der rech­ten Szene, der das Insti­tut für Fan­kul­tur gegrün­det hatte, warnte vor die­ser Ent­wick­lung. Im Som­mer wurde er als lang­jäh­ri­ger Mit­ar­bei­ter des Ver­fas­sungs­schut­zes ent­tarnt und ist seit­dem unter­ge­taucht. Die Sicher­heits­be­hör­den dürf­ten daher kaum über­rascht sein von dem Sze­na­rio in Köln, bei den Hoo­li­gans nun auch mit ande­ren Rechts­extre­men gemein­same Sache mach­ten.“
Die­ses Insti­tut für Fan­kul­tur hat Adres­sen in Würz­burg und Frank­furt, ist indes gegen­wär­tig ver­stummt. Bei dem Mit­ar­bei­ter des Ver­fas­sungs­schut­zes han­delt es sich um Dr. Mar­tin Thein.
Unter­des­sen hat sich NRW-Innen­mi­nis­ter Ralf Jäger vor dem Land­tag auch etwas klein­lau­ter geäu­ßert. Für uns ist es kein Geheim­nis, daß bestimmte Teile der herr­schen­den Klasse, der Jus­tiz und des übri­gen Staats­ap­pa­ra­tes faschis­ti­sche Orga­ni­sa­tio­nen hegen und pfle­gen. Wir müs­sen dabei gar nicht die Schred­der­dienste und andere For­men der Begüns­ti­gung durch die Ver­fas­sungs­schutz­äm­ter in Erin­ne­rung rufen. Der­ar­tige Begüns­ti­gung ist spä­tes­tens seit dem Bericht des Thü­rin­ger Unter­su­chungs­aus­schus­ses amt­lich. Auch ist in den ver­gan­ge­nen Jah­ren nach­drück­lich, wenn auch ver­geb­lich ver­sucht wor­den, Demons­tra­tio­nen, Blo­cka­den, alle For­men des Wider­stands und des Pro­tests gegen Faschis­ten zu kri­mi­na­li­sie­ren und nach Mög­lich­keit poli­tisch zu ver­hin­dern, daß unter­schied­li­che Milieus und poli­ti­sche Rich­tun­gen sich auf der Basis des Anti­fa­schis­mus eini­gen. Gerne wird dabei dem­ago­gisch nach gewalt­be­rei­ten und fried­li­chen Demons­tra­ti­ons­teil­neh­mern unter­schie­den. Erin­nert Euch, daß in Kalk mehr­fach die Haupt­straße und das ganze Vier­tel mit Hun­der­ten von Poli­zis­ten voll­stän­dig abge­sperrt wor­den ist, damit Pro Köln mit eini­gen Han­seln eine Demons­tra­tion unbe­hel­ligt von Gegen­de­mons­tran­ten durch­füh­ren konnte. Dem­ge­gen­über darf die geringe Zahl von Poli­zis­ten bei der Hoo­li­gan-Demo am 26. Okto­ber als Ein­la­dung zur Ran­dale gel­ten.
Der­ar­tige poli­ti­sche Ein­la­dun­gen gibt es auch in Gestalt des staat­li­chen Ras­sis­mus etwa auf dem Gebiet der Flücht­lings­po­li­tik, der recht­li­chen Benach­tei­li­gung von Flücht­lin­gen, Asy­lan­ten und Migran­ten. Oder in sub­ti­ler Form, wenn unter­stellt wird, daß die Sit­ten von Frem­den Ursa­che ihrer Benach­tei­li­gung, von Dis­kri­mi­nie­rung wären, dem Ras­sis­mus gar als Recht­fer­ti­gung die­nen könn­ten und es folg­lich hin­rei­che, mit­tels Auf­klä­rung über diese Sit­ten den Ras­sis­mus zu bekämp­fen. Tat­säch­lich lehrt die Empi­rie, dass just dort, wo Migran­ten gering an Zahl sind, die Aggres­sio­nen häu­fi­ger vor­kom­men als dort, wo Migran­ten nicht zu über­se­hen ist. Als spon­tane Erschei­nung ist der Ras­sis­mus eher sel­ten, weil die Fremd­heit und ihre unmit­tel­bare Abwehr mit der Häu­fig­keit schwin­det, in der der zunächst Fremde anzu­tref­fen ist, weil er Kol­lege ist oder in der Nach­bar­schaft wohnt. Der Fremde bleibt eben nicht fremd. Reak­tio­nen, die als Abwehr bezeich­net wer­den kön­nen, sind folg­lich dort, wo viele Fremde sind, weni­ger häu­fig als in gewis­ser­ma­ßen eth­nisch homo­ge­nen Gegen­den. Also, die Erfah­rung sagt: je weni­ger Fremde, desto mehr Frem­den­feind­lich­keit. Bei der Bekämp­fung von sol­cher­art Vor­ein­ge­nom­men­heit kann es nicht allein darum gehen, frem­des Ver­hal­ten zu erklä­ren und akzep­tie­ren zu ler­nen, son­dern die Orga­ni­sie­rung der Vor­be­halte, ihre Pro­pa­gan­dis­ten zu erken­nen, vor allem ihre Zwe­cke zu kri­ti­sie­ren. Ras­sis­mus ist staat­lich orga­ni­siert, wenn der Auf­ent­halts­sta­tus von Aus­län­dern und Flücht­li­gen den Grad der Benach­tei­li­gung regelt. Wohl­mei­nende mit­tel­stands­ori­en­tierte Will­kom­mens­kul­tur ist schön, hilft aber wenig, wenn faschis­ti­sche Orga­ni­sa­tio­nen die­sen Ras­sis­mus auf­grei­fen und staat­lich legi­ti­miert für ihre poli­ti­sche Dem­ago­gie nut­zen.
Die Poli­tik der Pri­vi­le­gie­rung faschis­ti­scher Aktio­nen ist bis­lang in Köln nicht erfolg­reich. Ich erin­nere an die Ver­hin­de­rung des Anti-Islam-Kon­gres­ses von Pro Köln auf dem Heu­markt im Sep­tem­ber 2008 und an wei­tere ein­schlä­gige demo­kra­ti­sche Akti­vi­tä­ten, etwa anläß­lich der Mahn­wa­chen von Pro Köln gegen die Moschee. Zuletzt wurde, orga­ni­siert vor allem durch das Bünd­nis „Kein Veedel für Ras­sis­mus“, im Kom­mu­nal­wahl­kampf Pro Köln in sei­ner Wir­kung ent­schei­dend beein­träch­tigt, mit der Folge, daß sie nur noch mit zwei statt fünf Sit­zen im Stadt­rat ver­tre­ten sind.
Auch die Gegen­demo am 26. Okto­ber vor dem Bahn­hof war ein Erfolg die­ser Bünd­nis­po­li­tik und der guten Erfah­run­gen, die damit gemacht wer­den. Inner­halb einer sehr kur­zen Frist von etwa 10 Tagen, gelang es, 1000 Demons­tran­ten zu mobi­li­sie­ren. Das ist zwar im Ver­hält­nis zur Zahl der Nazi­hoo­li­gans zu wenig, aber im Ver­gleich zu sons­ti­gen Aktio­nen in Köln durch­aus beacht­lich. Ent­schei­dend dafür war die poli­ti­sche Breite der Mobi­li­sie­rung. Nicht zuletzt hatte auch der DGB auf­ge­ru­fen.
Wahr ist aber auch, daß diese Bünd­nis­ak­ti­vi­tä­ten gegen Nazis von Sei­ten unse­rer Par­tei von nur weni­gen Genos­sIn­nen getra­gen werden. 

Liebe Genos­sin­nen und Genos­sen,
wir hat­ten schon lange nicht mehr eine der­ar­tig große Demons­tra­tion von Faschis­ten, nicht nur in der Stadt Köln, son­dern über­haupt in der Repu­blik. Inter­es­sant ist womög­lich die Ant­wort auf die Frage: warum sind die Hoo­li­gans just in Köln ein­ge­fal­len?
Offen­bar ging es den Faschis­ten darum, in die­ser Stadt, die bis­lang erfolg­reich in ihren anti­fa­schis­ti­schen Akti­vi­tä­ten war, ein Zei­chen zu set­zen.
Inso­fern hat der Auf­ruf der SDAJ für eine Kund­ge­bung am 2. Novem­ber am Erschre­cken, an der Empö­rung und der Bereit­schaft vie­ler Men­schen, dem Aus­druck zu geben, anzu­knüp­fen und die Demons­tra­tion zu einem ein­drucks­vol­len Erfolg zu füh­ren ver­mocht. Dazu kön­nen wir nur gra­tu­lie­ren. Aber die­ser Erfolg sollte uns ermu­ti­gen, nun­mehr die teil­weise geris­se­nen Fäden zu ande­ren demo­kra­ti­schen und anti­fa­schis­ti­schen Kräf­ten wie­der auf­zu­neh­men und dafür zu wir­ken, daß die demo­kra­ti­sche Bewe­gung in Köln in ihrer gan­zen Bunt­heit bei nächs­ter Gele­gen­heit zeigt, daß sie sich von Nazis nicht ein­schüch­tern läßt.
Dabei las­sen wir uns als Par­tei stra­te­gisch und tak­tisch von unse­rem Pro­gramm lei­ten, in dem es unter ande­rem heißt: „Gegen Sozial- und Demo­kra­tie­ab­bau, Mili­ta­ri­sie­rung und Kriegs­po­li­tik, Ras­sis­mus und neo­fa­schis­ti­sche Gefah­ren in unse­rem Land und ande­ren impe­ria­lis­ti­schen Metro­po­len, gegen die Fol­gen der impe­ria­lis­ti­schen Glo­ba­li­sie­rung für die Völ­ker der armen Län­der ent­wi­ckelt sich Wider­stand. Die Mit­glie­der der DKP arbei­ten aktiv in demo­kra­ti­schen Bewe­gun­gen, Bünd­nis­sen und ört­li­chen Bür­ger­initia­ti­ven mit. Die DKP geht davon aus, dass Inhalt und Form des Kamp­fes durch die jewei­li­gen Bewe­gun­gen selbst bestimmt wer­den. Die Mit­glie­der der DKP wir­ken kon­se­quent für die gemein­sam erar­bei­te­ten For­de­run­gen und Ziele und brin­gen in die Debat­ten um Kampf­for­men und gesell­schaft­li­che Alter­na­ti­ven ihre welt­an­schau­li­chen und poli­ti­schen Posi­tio­nen ein.“
Im Vor­feld der Dis­kus­sion um einen Auf­ruf zur Aktion „Köln wehrt sich“ haben wir per Mail einige Dis­kus­sio­nen dazu auch unter den Mit­glie­dern des KV geführt. Ich warnte und warne vor der Nei­gung, sich in die­sen Zusam­men­hän­gen als Avant­garde auf­zu­füh­ren. Mit guten Grün­den steht davon in unse­rer Pro­gram­ma­tik kein Wort, aber mehr­fach die Not­wen­dig­keit von Zusam­men­ar­beit, von Alli­an­zen und Bünd­nis­sen.
Wir berück­sich­ti­gen dabei bit­tere Leh­ren der Ver­gan­gen­heit. Beim Kampf gegen den Faschis­mus geht es um demo­kra­ti­sche Rechte, die es zu erhal­ten gilt, es geht um die Ver­tei­di­gung der Demo­kra­tie, und zwar der bür­ger­li­chen Demo­kra­tie, denn eine andere haben wir nicht. Inso­fern bemü­hen wir uns beim Kampf gegen den Faschis­mus um die Fes­ti­gung der Zusam­men­ar­beit mit ande­ren Lin­ken und sol­chen Ver­ei­ni­gun­gen und Par­teien, in denen sich Arbei­ter orga­ni­sie­ren, aber auch um bür­ger­li­che Kräfte.
Das Bünd­nis „Kein Veedel für Ras­sis­mus“ lädt für mor­gen Abend zu einem Tref­fen ein, das wir wahr­neh­men wer­den.
Im übri­gen möchte ich dar­auf hin­wei­sen, daß die VVN auf ihrem Jah­res­ab­schluss­tref­fen den Film „Zeit für Zeu­gen“ mit Etty und Peter Gin­gold zei­gen wird. Wie über­haupt die Erfah­run­gen von Peter Gin­gold, die er nicht nur in dem Buch „Paris – Bou­le­vard St. Mar­tin No. 11“ nie­der­ge­schrie­ben hat, ange­sichts der Krise, des erstar­ken­den Faschis­mus und wach­sen­der Kriegs­ge­fahr, unver­zicht­bar sind. Wir soll­ten eine Lesung orga­ni­sie­ren. Sinn­voll wäre auch ein Zir­kel zu Faschis­mus und Neofaschismus.

Klaus, 11. Novem­ber 2014