Super­grund­recht

Das »Super­grund­recht« auf Sicher­heit und andere Angriffe auf die Demo­kra­tie, an die wir uns nicht gewöh­nen sollten.

Refe­rat im Kreis­vor­stand Köln

Ausschnitt eines Freskos im Rathaus von Siena von Ambrogio Lorenzetti: »Die Wirkungen der guten Regierung«, aus dem Jahre 1332. Erkennbar heißt der Engel SECURITAS. Er trägt einen kleinen neckischen Galgen sowie ein Spruchband. Der Text darauf lautet übersetzt: »Ohne Furcht gehe jeder freie Mensch und bestelle die Saat, während die Gemeinde dieses Gebiet in Herrschaft hat, die jegliche Gewalt fernhält.«

Grund­rechts­ver­let­zun­gen, Arti­kel 2 GG

Der Kfz-Mecha­ni­ker Gustl Mollath aus Nürn­berg wurde 2006 wegen sei­ner Straf­an­zeige gegen seine Frau und andere Mit­ar­bei­ter der Hypo­Ver­eins­bank unter dem Vor­wand, er sei gemein­ge­fähr­lich, in die geschlos­sene Psych­ia­trie ein­ge­wie­sen. Er hatte Schwarz­geld­ver­schie­bun­gen auf­ge­deckt. Es waren einige Fern­seh­sen­dun­gen nötig und demo­kra­ti­sche Auf­wal­lun­gen im Vor­feld der bay­ri­schen Land­tags­wah­len, bis er kürz­lich, am 6. August, frei kam.

Der Fall erin­nert an die hes­si­sche Steu­er­fahn­der-Affäre. Vier Steu­er­fahn­der hat­ten ent­deckt, dass der Bera­ter Wey­rauch 20 Mil­lio­nen DM für die CDU in Liech­ten­stein gebun­kert hatte. Sie waren auch erfolg­reich in ande­ren Fäl­len von Steu­er­hin­ter­zie­hung. Damit war 1999 Schluss. Die vier wur­den nach psych­ia­tri­schen Unter­su­chun­gen in der Regie­rungs­zeit von Roland Koch zwangs­pen­sio­niert. Die Affäre kam 2009 raus und mün­dete in einen Unter­su­chungs­aus­schuss des hes­si­schen Land­tags. Der been­dete im Mai 2012 seine Arbeit indes­sen ohne Ergebnis.

Klaus Förs­ter deckte 1981 den Flick-Par­tei­spen­den­skan­dal auf. Er war Lei­ter der Steu­er­fahn­dung beim Finanz­amt Sankt Augus­tin und ent­deckte die Geld­wasch­an­lage des Mis­si­ons­hau­ses St. Augus­tin. Förs­ter fie­len Unter­la­gen des Flick-Kon­zerns in die Hände. Am Ende kam raus, dass in den 70er Jah­ren alle im Bun­des­tag ver­tre­te­nen Par­teien ille­gal Spen­den von Flick erhal­ten hat­ten. Förs­ters Vor­ge­setzte ver­such­ten ihn von der Auf­de­ckung des Par­tei­spen­den­skan­dals abzu­hal­ten. Schließ­lich wurde er an das Finanz­amt Köln-Ost ver­setzt. Er klagte dage­gen, schied 1983 aus dem Staats­dienst aus, arbei­tete als Steu­er­an­walt in Bonn.

Kon­kur­renz und Gemeinsamkeit

Auf dem Par­tei­tag in Han­no­ver wurde eine bemer­kens­werte Ent­schei­dung im Zusam­men­hang mit dem Leit­an­trag getrof­fen. Statt der For­mu­lie­rung der Antrags­kom­mis­sion zu fol­gen, in der von der Gemein­sam­keit, aber auch von der Kon­kur­renz der impe­ria­lis­ti­schen Staa­ten die Rede ist, beschrän­ken wir uns im Kapi­tel Kampf um Frie­den und Abrüs­tung dar­auf, dem deut­schen Impe­ria­lis­mus zu beschei­ni­gen: Sein über­ge­ord­ne­tes Ziel sei, gegen­über der mili­tä­ri­schen Über­le­gen­heit des US-Impe­ria­lis­mus und ande­rer impe­ria­lis­ti­scher Kon­kur­ren­ten auf­zu­ho­len, um bei den anste­hen­den Ver­tei­lungs­kämp­fen um Roh­stoffe, Absatz­märkte und bil­lige Arbeits­kräfte – bzw. den Zugän­gen zu ihnen – einen mög­lichst gro­ßen Anteil für das deut­sche Mono­pol­ka­pi­tal zu sichern. Vor die­sem Hin­ter­grund for­dern wir: kei­ner­lei Unter­stüt­zung der impe­ria­lis­ti­schen und Welthe­ge­mo­nie bean­spru­chen­den Poli­tik der USA, den Aus­tritt Deutsch­lands aus der NATO und allen EU-Mili­tär­struk­tu­ren, sofor­ti­gen Abzug der US-Atom­waf­fen auf deut­schem Boden und schließ­lich die Auf­lö­sung der NATO.

Ganz offen­bar fol­gen wir der Linie »der Haupt­feind steht im eige­nen Land« und schluss­fol­gern, dass vor allem der deut­sche Impe­ria­lis­mus zu bekämp­fen sei. Im Ver­hält­nis zum US-Impe­ria­lis­mus reicht dann der Ver­zicht auf Unter­stüt­zung. So fein unter­schei­den wir. Im Zukunfts­pa­pier der SDAJ vom ver­gan­ge­nen Jahr war von US-Impe­ria­lis­mus über­haupt nicht mehr die Rede.

Aber die gegen­wär­tige Situa­tion lehrt uns, dass wir die Kräf­te­ver­hält­nisse auf dem Glo­bus genauer ein­schät­zen müs­sen. Dazu soll­ten wir das schon mal wech­selnde, um nicht zu sagen: dia­lek­ti­sche Ver­hält­nis von Gemein­sam­keit und Kon­kur­renz in den Blick nehmen.

Der US-Impe­ria­lis­mus ist immer noch der mäch­tigste, seine Ziele und Metho­den set­zen auch in der Poli­tik der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­lands die Maß­stäbe. Er ist sogar ange­sichts sei­ner gerin­ger wer­den­den Mög­lich­kei­ten so aggres­siv wie nie. Dabei müs­sen wir noch gar nicht von den mili­tä­ri­schen Aktio­nen, von Krie­gen spre­chen, wel­che die USA nicht zuletzt von deut­schem Boden und mit­tels deut­scher Mili­tär­un­ter­stüt­zung führen.

Demo­kra­tie vs. Imperialismus

Liebe Genos­sin­nen und Genos­sen, es geht mir um Fra­gen des Kamp­fes um die Demo­kra­tie. Sie drän­gen sich in den Vor­der­grund und wir haben in den »Ant­wor­ten der DKP auf die Krise« sehr tref­fende und aktu­ell gül­tige For­mu­lie­run­gen gefun­den. Übri­gens über die Strö­mun­gen der Par­tei hin­weg. Es han­delt sich gewis­ser­ma­ßen um eine unstrit­tige gemein­same Erkenntnis.

»Reak­tion auf der gan­zen Linie«,

so kenn­zeich­net Lenin die Poli­tik des Impe­ria­lis­mus (Lenin, Bd. 22, S. 302).

An ande­rer Stelle sagte er:

»Wie der sieg­rei­che Sozia­lis­mus, der nicht die voll­stän­dige Demo­kra­tie ver­wirk­licht, unmög­lich ist, so kann das Pro­le­ta­riat, das den in jeder Hin­sicht kon­se­quen­ten, revo­lu­tio­nä­ren Kampf um die Demo­kra­tie nicht führt, sich nicht zum Siege über die Bour­geoi­sie vorbereiten.« 

(Die sozia­lis­ti­sche Revo­lu­tion und das Selbst­be­stim­mungs­recht der Natio­nen, Lenin, Bd. 22, S. 145)

Im Leit­an­trag unse­res Par­tei­ta­ges »Ant­wor­ten der DKP auf die Krise« heißt es:

»Mit dem Fis­kal­pakt soll nun in EU-Europa die reak­tio­näre Poli­tik der Dere­gu­lie­rung, der Pri­va­ti­sie­rung, des Grund­rech­te­ab­baus beschleu­nigt und end­gül­tig fest­ge­schrie­ben werden.

 

Schon jetzt sind die Par­la­mente weit­ge­hend ent­mach­tet, natio­nale Sou­ve­rä­ni­tät wird ein­ge­schränkt. Wenn Wahl­er­geb­nisse nicht pas­sen, dann wird, wie sei­ner­zeit in Irland, eben so lange abge­stimmt, bis das gewünschte Ergeb­nis erreicht ist. Oder es wer­den an allen demo­kra­ti­schen Insti­tu­tio­nen und den Rech­ten der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger vor­bei, an der über­wie­gen­den Mehr­heit der Bevöl­ke­rung in die­sen Län­dern vor­bei – wie zeit­wei­lig in Grie­chen­land und in Ita­lien – ›Exper­ten­re­gie­run­gen‹ eingesetzt.

 

All dies geschieht bei gleich­zei­ti­gem Aus­bau von Über­wa­chung, von Repres­sion und bei rigo­ro­sem Abbau grund­le­gen­der poli­ti­scher Bür­ger- und Frei­heits­rechte, demo­kra­ti­scher und sozia­ler Arbeiterrechte.«

Die­ser Absatz war in der Par­tei und auf dem Par­tei­tag unstrit­tig, er stammt noch aus der ers­ten Vor­lage des Leit­an­trags und hat sich ganz aktu­ell durch die Erkennt­nisse bestä­tigt, die wir Edward Snow­den ver­dan­ken. Snow­den war bis Mai tech­ni­scher Mit­ar­bei­ter der US-ame­ri­ka­ni­schen Geheim­dienste CIA und NSA. Er über­mit­telte Infor­ma­tio­nen über US-ame­ri­ka­ni­sche Pro­gramme, unter ande­rem Prism, zur Über­wa­chung der welt­wei­ten Inter­net­kom­mu­ni­ka­tion sowie das bri­ti­sche Über­wa­chungs­pro­gramm Tem­pora an Glenn Green­wald, der sie im Guar­dian ver­öf­fent­lichte. PRISM (zu deutsch Prisma) exis­tiert seit 2005 und ist ein gehei­mes Pro­gramm zur Über­wa­chung und Aus­wer­tung von elek­tro­ni­schen Medien und elek­tro­nisch gespei­cher­ten Daten durch die US-ame­ri­ka­ni­sche Natio­nal Secu­rity Agency (NSA). Es betei­li­gen sich an der Über­wa­chung neun der größ­ten Inter­net­kon­zerne der USA: Micro­soft, Google mit You­Tube, Face­book, Yahoo, Apple, AOL und andere. Sie grei­fen auch auf live geführte Kom­mu­ni­ka­tion zu. Fir­men, die sich ver­wei­gern, müs­sen mit Nöti­gung durch das Straf­recht rech­nen. Am 8. August gab die Firma Lav­a­bit auf, sie bot bis zu die­sem Zeit­punkt einen Mail-Ser­vice mit Ver­schlüs­se­lung an.

Am 9. Juni stellte sich Edward Snow­den der Öffent­lich­keit in Hong­kong vor. Der FBI erwirkte dar­auf einen Haft­be­fehl wegen Spio­nage. Seit dem 1. August gewährt ihm Russ­land Asyl.

Mit wel­cher Wut der in die­sem Fall über­ra­schend ein­heit­lich han­delnde Impe­ria­lis­mus den ver­meint­li­chen Ver­rä­ter ver­folgt, wurde am 2. Juli in Wien sicht­bar. Nach­dem ihm die Über­flug­ge­neh­mi­gun­gen für Frank­reich, Spa­nien, Por­tu­gal und Ita­lien ent­zo­gen wor­den waren, wurde der boli­via­ni­sche Prä­si­dent Evo Mora­les unter Miss­ach­tung aller völ­ker­recht­li­cher Rege­lun­gen in Wien zur Lan­dung gezwun­gen und konnte sei­nen Flug erst nach 13 Stun­den fort­set­zen. Man ver­däch­tigte ihn, Edward Snow­den an Bord zu haben.

Tat­säch­lich ist es die US-Regie­rung, die gegen eigene Gesetze und das Völ­ker­recht han­delt. Das flä­chen­de­ckende Sam­meln von US-Tele­fon­da­ten ist gesetz­lich nicht gedeckt. Über das Aus­maß des Sam­melns aus­län­di­scher Daten berich­tete SPIE­GEL-online am 30. Juni.

Die NSA kon­trol­liert und spei­chert sys­te­ma­tisch einen Groß­teil der deut­schen Tele­fon- und Inter­net­ver­bin­dungs­da­ten. Pro Monat sind es eine halbe Mil­li­arde Tele­fo­nate, Mails und SMS. Der NSA gilt die Bun­des­re­pu­blik als Angriffs­ziel. An nor­ma­len Tagen wer­den bis zu 20 Mil­lio­nen Tele­fon­ver­bin­dun­gen auf­ge­zeich­net und um die 10 Mil­lio­nen Inter­net­da­ten­sätze. Die NSA horcht gezielt die EU-Ver­tre­tun­gen in Washing­ton und New York mit Wan­zen ab und hat deren Com­pu­ter­sys­teme infiltriert.

Am 21. Juli ver­öf­fent­lichte die bra­si­lia­ni­sche Zei­tung O Globo eine wei­tere Infor­ma­tion von Edward Snow­den. Sie han­delt von dem Sys­tem XKeyscore, mit dem die NSA noch effek­ti­ver als Prism arbei­tet. Damit wer­den Inhalte digi­ta­ler Kom­mu­ni­ka­tion nach vor­ge­ge­be­nen Kri­te­rien unter­sucht. Es kann die Akti­vi­tät einer Ziel­per­son in Echt­zeit erfas­sen. Auch der BND und der Ver­fas­sungs­schutz set­zen XKeyscore ein.

Ange­sichts der Auf­re­gung um die US-ame­ri­ka­ni­sche Spio­nage gegen die Bun­des­re­pu­blik und die EU flog Innen­mi­nis­ter Fried­rich Mitte Juli in die USA und sprach unter ande­rem mit Vize­prä­si­dent Biden. Ergeb­nis die­ser Gesprä­che: die USA sagen Auf­klä­rung zu. Beide Sei­ten brach­ten ihr Inter­esse an »einer wei­ter­hin guten, ver­trau­ens­vol­len und engen Zusam­men­ar­beit« zum Aus­druck. Die Regie­run­gen hät­ten unter ande­rem ver­ein­bart, ein aus den 1960er Jah­ren stam­men­des Abkom­men über den Ein­satz der US-Geheim­dienste auf deut­schem Boden aus­zu­set­zen. Fried­rich habe die klare Ant­wort bekom­men, dass die USA keine Indus­trie­spio­nage betrei­ben wür­den. Außer­dem gebe es keine Ver­ein­ba­rung des US-Geheim­diens­tes NSA und deut­scher Dienste zur Aus­spä­hung der Bür­ger. Das Prism-Pro­gramm sei zwar ein Pro­gramm zur Über­wa­chung von Kom­mu­ni­ka­ti­ons­in­hal­ten, sagte Fried­rich. »Aller­dings geht es dort sehr strikt gesetz­lich gere­gelt um Ter­ro­ris­mus, um Pro­li­fe­ra­tion – also um Ver­brei­tung von Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen – und um orga­ni­sierte Kri­mi­na­li­tät.« In der Tat, ist man ver­sucht zu sagen, strikt gesetz­lich gere­gelt und staat­lich organisiert!

Indes­sen, so berich­tet die ZEIT am 12. Juli, machte Fried­rich keine kon­kre­ten Anga­ben zu dem Späh-Pro­gramm und wie viele Daten der US-Geheim­dienst NSA auf wel­chem Weg in Deutsch­land abschöpft. Aus sei­nen Äuße­run­gen ging auch nicht her­vor, ob Fried­rich dazu über­haupt Infor­ma­tio­nen erhal­ten hat.

Am 16. Juli gab der Innen­mi­nis­ter im Par­la­men­ta­ri­schen Kon­troll­gre­mium (PKG) einen Bericht. Berüch­tigt ist seine Behaup­tung: »Sicher­heit ist ein Super­grund­recht«. Also ein Grund­recht mit Prio­ri­tät gegen­über ande­ren Grund­rech­ten. Da irrt der für die Ver­fas­sung zustän­dige Minis­ter dop­pelt. Sicher­heit ist kein Grund­recht. Jeden­falls keins, dass im GG fixiert wäre. Viel­leicht meint er das in Arti­kel 2 genannte Recht auf Leben und kör­per­li­che Unver­sehrt­heit. Aber es ist selbst­ver­ständ­lich nicht mög­lich, andere Grund­rechte einem phan­ta­sier­ten Recht auf Sicher­heit unter­zu­ord­nen. Über­haupt wird ver­ges­sen, dass wir es im GG-Kata­log der Grund­rechte mit Bestim­mun­gen zu tun haben, die uns, die Bür­ge­rin­nen und Bür­ger, vor Über­grif­fen des Staa­tes schüt­zen sol­len. Allen­falls hätte ein ande­res Grund­recht Prio­ri­tät, näm­lich der Arti­kel 1:

»Die Würde des Men­schen ist unan­tast­bar. Sie zu ach­ten und zu schüt­zen ist Ver­pflich­tung aller staat­li­chen Gewalt«. 

Arti­kel 10 sagt:

»Das Brief­ge­heim­nis sowie das Post- und Fern­mel­de­ge­heim­nis sind unverletzlich.« 

Arti­kel 13 sagt:

»Die Woh­nung ist unverletzlich.« 

In Arti­kel 5 heißt es:

»Jeder hat das Recht, seine Mei­nung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu ver­brei­ten und sich aus all­ge­mein zugäng­li­chen Quel­len unge­hin­dert zu unterrichten.«

Im übri­gen ist die Frage, wel­che und wes­sen Sicher­heit gemeint ist. Die Geheim­dienste, für die Innen­mi­nis­ter Fried­rich ver­ant­wort­lich ist, machen da bekannt­lich erheb­li­che Unter­schiede. Wir erin­nern uns, dass der Betei­li­gung an NSU-Mor­den ver­däch­tige V‑Leute keine Aus­sa­ge­ge­neh­mi­gung bekom­men und geschützt werden.

Mir erscheint der Beschluss, der auf der 3. PV-Tagung am 29. und 30. Juni gegen acht Stim­men gefasst wurde, der Grö­ßen­ord­nung des welt­wei­ten Angriffs auf demo­kra­ti­sche Rechte nicht ange­mes­sen und unzu­läng­lich. Er lau­tet: Der PV kon­zi­piert eine Akti­ons­idee »Asyl für Edward Snowden«.

Wir soll­ten uns min­des­tens an den Demons­tra­tio­nen gegen die Über­wa­chung betei­li­gen. Am 7. Sep­tem­ber wird es unter dem Motto »Frei­heit statt Angst« eine in Ber­lin geben. Am 27. Juli hatte es bun­des­weit unter dem Motto »Stop wat­ching us« in 30 Städ­ten der­ar­tige Demons­tra­tio­nen gege­ben. Die KR berich­tet von 2000 Teil­neh­mern allein in Ham­burg, die Ver­an­stal­ter zähl­ten 3000. Ber­lin ebenso. Mün­chen 1000. 600 waren es wohl in Köln. Chris­tine hat sich beteiligt.

EU-Rui­nen und EU-Reformen

Liebe Genos­sin­nen und Genos­sen, am 25. Mai 2014 wird das Europa-Par­la­ment gewählt. Auch die Frage unse­res Ver­hält­nis­ses zur EU und deren Poli­tik wird von Fra­gen der Demo­kra­tie beherrscht. Unser Genosse Hans Peter Bren­ner hat auf dem Tref­fen der vier Par­teien im Remich/Luxemburg am 13. und 14. April den Genos­sen Alves von der PCP mit einer Äuße­rung vom Novem­ber 2012 zustim­mend zitiert: »Die EU kann nicht refor­miert werden.«

Und wei­ter: »Das andere Europa, das aus dem Kampf ent­sprin­gen wird, wird erbaut wer­den, wie die Wirk­lich­keit bereits zeigt – auf den Rui­nen der EU.« Nun weiß ich nicht, was die bei­den mit »den Rui­nen der EU« mei­nen, ich ver­mute, es han­delt sich um eine poli­ti­sche Metapher.

Dem möchte ich einige Erfah­run­gen gegenüberstellen.

Ihr wer­det Euch erin­nern, dass einer der Anträge, die wir auf der BDK am 8. Dezem­ber 2012 gefaßt hat­ten, den Euro­päi­schen Bür­ger­ent­scheid »Was­ser ist Men­schen­recht« betraf. Initia­tor des Bür­ger­ent­scheids war der Euro­päi­sche Gewerk­schafts­ver­band für den Öffent­li­chen Dienst (EGÖD), Ver.di ist die ihm ange­schlos­sene Gewerk­schaft. Viele von uns hat­ten sich schon vor­her daran betei­ligt und Unter­schrif­ten gesam­melt. Auf der BDK gab es eine kon­tro­verse Dis­kus­sion dar­über, weil ins­be­son­dere die Kre­fel­der Genos­sIn­nen glaub­ten, dass der Kampf gegen die Pri­va­ti­sie­rung des Was­sers doch bes­ser auf ört­li­cher Ebene zu füh­ren sei. Sie stimm­ten gegen die­sen Beschluss. Aber die große Mehr­heit der BDK folgte nicht den Kre­fel­dern, son­dern dem Antrag der Köl­ner. Es ging um die Ver­hin­de­rung einer euro­päi­schen Richt­li­nie, wel­che die Pri­va­ti­sie­rung der kom­mu­na­len Was­ser­ver­sor­ger mit­tels EU-Recht erzwin­gen will. Tat­säch­lich wurde wenige Monate spä­ter nicht nur die not­wen­dige Zahl der Unter­schrif­ten erreicht, son­dern im Juni der Aus­schluss des Was­ser­sek­tors von der EU-Kon­zes­si­ons­richt­li­nie zugesichert.

Die Köl­ni­sche Rund­schau zitiert am 10. Juli den Lügen­bold und zustän­di­gen Kom­mis­sar Michel Bar­nier: »Ich habe vol­les Ver­ständ­nis dafür, wenn Bür­ge­rin­nen und Bür­ger auf­ge­bracht und besorgt sind, weil ihnen erzählt wird, dass ihre Was­ser­ver­sor­gung gegen ihren Wil­len pri­va­ti­siert wer­den könnte. Ich selbst würde in einem sol­chen Fall genauso reagieren.«

Selbst­ver­ständ­lich war die Ursa­che für die­sen mög­li­cher­weise nur zeit­wei­li­gen Rück­zug der EU der europa‑, gar welt­weite Kampf gegen die Was­ser­pri­va­ti­sie­rung, der sich in viel­fäl­ti­gen Aktio­nen anrei­cherte, nicht nur mit die­ser Unter­schrif­ten­samm­lung. Die KR kom­men­tierte: »Euro­pas Wut­bür­ger mucken auf. Ob Glüh­birne, Ölkänn­chen oder Dusch­köpfe – die EU-Gesetz­ge­bung wird nicht län­ger als unan­tast­bar hin­ge­nom­men.« Sie spricht dann noch von der »Schlacht um die Neu­re­ge­lung des Saatgutes«.

Einige von Euch wer­den sich an den Ver­such der EU erin­nern, die Richt­li­nie Port Package II zum Zweck der Libe­ra­li­sie­rung der Hafen­dienste durch­zu­set­zen. Sie ist im Januar 2006 am Wider­stand der Hafen­ar­bei­ter­ge­werk­schaf­ten geschei­tert. Selbst­ver­ständ­lich hin­dert das die EU nicht, immer wie­der neue Ver­su­che anzusetzen.

Eine andere wirt­schaft­li­che Ent­schei­dung war die über Fis­kal­pakt und ESM. Hier gab es trotz viel­fäl­ti­ger Aktio­nen allen­falls eine Ver­zö­ge­rung durch das BVerfG. Gegen­wär­tig wer­den auch unter dem Schutz der Geheim­hal­tungs­be­stim­mun­gen von ESM die ent­spre­chen­den Maß­nah­men durch­ge­führt. Diese Geheim­hal­tung aber lässt erah­nen, wie die EU-Kom­mis­sion den Volks­zorn fürch­ten muß. Der Volks­zorn rich­tet sich aber bis­lang noch nicht gegen die EU als Gan­zes, son­dern gegen ein­zelne Maß­nah­men, mit dem Ziel, sie abwen­den zu können.

Was lehrt uns das? Es lohnt sich, gegen die EU in Gestalt ihrer Wir­kun­gen zu kämp­fen. In die­sen Kämp­fen kön­nen Erfolge errun­gen wer­den. Sie tra­gen dazu bei, die EU und ihre Poli­tik zuguns­ten der Mono­pole ins Blick­feld der euro­päi­schen Arbei­ter­klasse zu rücken. Allen­falls auf die­sem Weg hätte die meta­pho­ri­sche Ziel­stel­lung »Rui­nen der EU« eine Chance.

Zuge­ge­ben, die­ser Kampf ist wenig ent­wi­ckelt, aber die Bei­spiele zei­gen, dass Refor­men erkämpft wer­den und dazu bei­tra­gen kön­nen, die Klasse auf revo­lu­tio­näre Ver­än­de­run­gen zu ori­en­tie­ren. Ich hoffe, dass unsere Betei­li­gung an den EU-Wah­len, die der PV beschlos­sen hat, diese Effekte ver­stärkt. Die 3. PV-Tagung gibt dazu die Ori­en­tie­rung auf Abwehr­kämpfe, also auf den »Kampf gegen die for­cierte Aus­beu­tung der arbei­ten­den Bevöl­ke­rung im Rah­men der EU. Die DKP stellt hier­bei den Klas­sen­cha­rak­ter der EU her­aus und weist auf die Not­wen­dig­keit hin, den Abwehr­kampf hier­zu­lande gegen die nächs­ten sozia­len Angriffe des deut­schen Mono­pol­ka­pi­tals auf­zu­neh­men.« Ich gehe davon aus, dass wir noch etwas weni­ger all­ge­meine For­de­run­gen fin­den werden.

Wei­tere Wahlen

Es ste­hen zwei wei­tere Wah­len im Kalen­der. Am 22. Sep­tem­ber wird ein neuer Bun­des­tag gewählt. Mitt­ler­weile ist das der gro­ßen Zahl von Pla­ka­ten abzu­le­sen, die uns den Hori­zont ver­stel­len. Als Par­tei kan­di­die­ren wir in Ber­lin und Bran­den­burg in ver­ein­zel­ten Wahl­krei­sen. Aller­dings auf kei­ner Liste. Der PV ruft dazu auf, mit der Zweit­stimme PDL zu wäh­len mit einem Vor­be­halt – nur, solange gesi­chert ist, dass sie kon­se­quent gegen Sozi­al­ab­bau, Kriegs­po­li­tik, jeg­li­che Pri­va­ti­sie­rung und für den Erhalt der demo­kra­ti­schen Rechte eintritt.

Inter­es­san­ter wird die Kom­mu­nal­wahl am 25. Mai. Dazu hat Vol­ker schon mal die gesetz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen erfragt. Wir wer­den uns in einer wei­te­ren KV-Sit­zung damit genauer beschäf­ti­gen. Wir sind nach der bezirk­li­chen Kom­mu­nal­be­ra­tung vom 15. Juni in der Lage, halt­bare pro­gram­ma­ti­sche Aus­sa­gen zu for­mu­lie­ren. Inter­es­sant erschei­nen uns Kan­di­da­tu­ren zu Bezirks­ver­tre­tun­gen in Köln. Vor­dring­lich kämp­fen wir dabei, wie auf der 3. PV-Tagung mit­ge­teilt, gegen den durch die Schul­den­brem­sen ver­ord­ne­ten Kür­zungs­zwang in Bund, Län­dern und vor allem Kom­mu­nen, gegen Pri­va­ti­sie­rung der Öffent­li­chen Daseins­vor­sorge, gegen Kriegs­po­li­tik, Sozi­al­ab­bau und Neo­fa­schis­mus, gegen die ver­schärfte Aus­beu­tung der arbei­ten­den Bevöl­ke­rung im Rah­men der EU der Ban­ken und Kon­zerne sowie für inter­na­tio­nale Solidarität.

Klaus, 13. August 2013