Men­schen­recht Wasser

Der Kampf gegen die Pri­va­ti­sie­rung des Wassers

Logo mit EU-Fahne: »Wasser ist Menschenrecht! Europäisches Bürgerbegehren«.

Die Bezirks­dele­gier­ten­kon­fe­renz des Bezirks Rhein­­land-Wes­t­­fa­len hat am 8. De­zem­ber 2012 auf Antrag der Köl­ner Innen­stadt­gruppe beschlos­sen – und hier war es Chris­tine, die uns den Vor­schlag gemacht hat, – dass wir uns an der Initia­tive von Verdi gegen die Wasser­priva­ti­sie­rung betei­ligen. Diese Initia­tive bezieht sich auf die UNO-Reso­lu­­tion vom 28. Juli 2010, mit der die General­ver­samm­lung den Zu­gang zu saube­rem Was­ser und zu Sani­tär­ver­sor­gung als ein Men­schen­recht aner­kannt hat. Die Reso­lution hatte Boli­vien mit der Unter­stüt­zung 33 weite­rer Staa­ten vorge­legt. Sie wurde ohne Gegen­stim­men mit einer gro­ßen Mehr­heit von 122 Stim­men ange­nom­men. Es gab Enthal­tungen, unter ande­rem der USA.

Wört­lich haben wir auf der BDK beschlossen:

»Die DKP betei­ligt sich aktiv an der Unter­schrif­ten­samm­lung zum Euro­päi­schen Bürger­ent­scheid‚ Was­ser ist Menschenrecht.

Der Text die­ser Unter­schrif­ten­samm­lung lautet:

Was­ser und Sani­täre Grund­ver­sor­gung sind ein Menschenrecht

Was­ser ist ein Öffent­liches Gut, keine Handels­ware – Wir for­dern die Europä­ische Kom­mis­sion zur Vor­lage eines Geset­zes­vor­schlags auf, der das Men­schen­recht auf Was­ser und sani­täre Grund­versor­gung entspre­chend der Reso­lution der Verein­ten Natio­nen durch­setzt und eine funk­tio­nie­rende Was­­ser- und Abwas­ser­wirt­schaft als exis­tenz­si­chern­de öffent­liche Dienst­leis­tung für alle Men­schen för­dert. Diese EU-Rechts­­vor­­­schrif­­ten soll­ten die Regie­run­gen dazu verpflich­ten, für alle Bür­ger und Bürge­rin­nen eine aus­rei­chen­de Versor­gung mit saube­rem Trink­wasser sowie eine sani­täre Grund­versor­gung sicher­zu­stellen. Wir stel­len nach­drück­lich folgen­de Forderungen:

  1. Die EU-Insti­tu­tio­nen und die Mit­glied­staa­ten haben die Auf­gabe, dafür zu sor­gen, dass alle Bür­ger und Bür­ge­rin­nen das Recht auf Was­ser und sani­täre Grund­versor­gung haben.
  2. Die Ver­sor­gung mit Trink­was­ser und die Bewirt­schaftung der Wasser­res­sour­cen darf nicht den Binnen­markt­regeln unter­worfen wer­den. Die Wasser­wirtschaft ist von der Libera­li­sie­rungs­agenda auszuschließen.
  3. Die EU ver­stärkt ihre Initia­ti­ven, einen univer­sellen Zugang zu Was­ser und sani­tärer Grund­versor­gung zu erreichen.«

Unter­schriften sammeln

Die­ses durch den Euro­päi­schen Gewerk­schafts­ver­band für den Öffent­lichen Dienst (EGÖD) initi­ierte Bürger­begehren, das am 1. April 2012 einge­reicht wurde, ist von der EU-Kom­­mis­­sion am 10. Mai 2012 regis­triert wor­den. Es blei­ben 18 Monate Zeit, dafür Unter­schriften zu sam­meln. Eine Mil­lion müs­sen erreicht wer­den. Mittler­weile haben aber schon über 1,3 Mil­lionen Men­schen gegen die Brüs­se­ler Pläne der Wasser­pri­va­ti­sie­rung protes­tiert, es ist das erste große europa­weite Volksbegehren.

GATS und GATT

Es fügt sich ein in eine welt­weite Bewe­gung gegen die Wasser­priva­tisie­rung. Die Privati­sie­rung des Was­sers ist eine der verhee­renden Fol­gen von GATS. Das »Allge­meine Abkom­men über den Han­del mit Dienst­leis­tungen« (eng­lisch Gene­ral Agree­ment on Trade in Ser­vices; GATS) ist ein interna­tio­nales Vertrags­werk der Welt­handels­organi­sation (WTO), das den grenz­überschrei­tenden Han­del mit Dienst­leistun­gen regelt und des­sen fort­schrei­tende Libera­lisierung, also die Erschlie­ßung neuer Märkte und Investitions­felder für das große Kapi­tal zum Ziel hat.

Das All­ge­meine Zoll- und Handels­abkom­men (Gene­ral Agree­ment on Tariffs and Trade – GATT), das im Zuge der Verhand­lungen von Bret­ton Woods gegen Ende des zwei­ten Welt­krieges verein­bart wor­den war, begnügte sich noch mit dem Abbau von Zoll- und Handels­beschrän­kun­gen für Waren. Letzt­lich wur­den dadurch Staa­ten, deren land­wirt­schaft­liche und indus­trielle Produk­tion auf den Schutz durch Zölle ange­wiesen waren, veran­lasst, ihre Pro­dukte einem vernich­ten­den Wett­be­werb aus­zu­set­zen. Die heimi­schen Expor­teure wer­den ihre Pro­dukte nicht mehr los, auch die Binnen­märkte sind der Konkur­renz der imperia­lis­ti­schen Impor­teure nicht mehr gewach­sen. Die Men­schen, die gegen­wärtig das Mittel­meer in unge­eigne­ten Boo­ten zu durch­queren hof­fen, aber von Fron­tex abge­wehrt wer­den, gehö­ren zu den sicht­barsten Opfern die­ser Politik.

Der letz­ten GATT-Ver­hand­lungs­runde, der sogenann­ten Uru­guay-Runde, ging es um die Libera­lisie­rung des Han­dels mit Dienst­leistun­gen. Sie schloss am 15. April 1994. Die Ergeb­nis­se wur­den in Marra­kesch von 111 Län­dern unter­zeich­net. Das GATS trat am 1. Januar 1995 in Kraft. Das GATT wurde in die WTO, die Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­tion, über­führt und seine Tätig­keit verstetigt.

Auf der Grund­lage von GATS will die EU-Kom­­mis­­sion, dass Kom­mu­nen in Zukunft im Regel­fall den Betrieb der Wasser­ver­sor­gung als Dienst­leistung aus­schrei­ben. Die Wasser­ver­sor­gung als öffent­liche Auf­gabe soll an Dritte über­tragen wer­den. Die EU-Kom­­mis­­sion hat dazu einen Richt­linien­ent­wurf vorge­legt. Ziel ist es, stär­ker als bis­her Public-Pri­vate-Part­ner­­ship-Modelle (PPP) zu etab­lieren und somit den Markt für pri­vate Unter­neh­men in Berei­chen der Daseins­vor­sorge zu öff­nen. Der euro­päische Bürger­ent­scheid rich­tet sich gegen diese Dienst­leis­tungs­konzes­sions­richt­linie. Zu den Geg­nern der Richt­linie zäh­len mittler­weile der Deut­sche Städte- und Gemeinde­bund (DStGB), der Ver­band kom­muna­ler Unter­nehmen (VKU) und sogar der BDI.

Die Kre­fel­der Genos­sen hat­ten auf der BDK unsere Beteili­gung am Bürger­entscheid abge­lehnt, weil der Kampf gegen die Priva­tisie­rung des Was­sers doch bes­ser auf ört­licher Ebene zu füh­ren sei. Da lie­gen sie falsch. Denn es geht um die Verhin­derung einer euro­päi­schen Richt­linie, die die Priva­tisie­rung der kom­muna­len Wasser­ver­sorger mit­tels EU-Recht erzwin­gen will.

Pri­va­ti­sie­rung

Pri­va­ti­sie­rung ist nicht etwa die ver­bohrte Ant­wort des Imperia­lis­mus auf unsere Forde­rung nach Vergesell­schaf­tung von Produk­tions­mitteln, son­dern eine Stra­te­gie der Mono­pole, der gesetz­mäßi­gen Ten­denz fallen­der Profit­raten zu entkom­men. Das große Kapi­tal ist auf der verzweifel­ten Suche nach neuen Verwer­tungs­mög­lich­keiten. Auf der Flucht vor drohen­der Entwer­tung oder gar Vernich­tung erschließt es sich neue Geschäfts­felder unter den bis­her gesell­schaft­lich verwal­teten Gütern der Daseins­vor­sorge wie Gesund­heit, Bil­dung und Wasser.

Blick durch Maschendrahtzaun auf Wasserbecken: »Privatbesitz. Reservoir. Zutritt verboten!«.

Welt­weit agie­ren nur wenige Kon­zerne auf dem Gebiet der Was­ser­wirt­schaft. Etwa 20 Was­ser­ver­sor­gungs­un­ter­neh­men tei­len sich den Welt­markt auf. Unter den zehn größ­ten Was­ser­kon­zer­nen sind acht aus Europa – dar­un­ter auch RWE und E.ON. Die Fir­men Veo­lia (ehem. Vivendi) und Suez sind mit einem Welt­markt­an­teil von 13 % und 8 % die größ­ten. Mit 3 % folgt Tha­mes Water, das noch bis 2007 zu RWE gehörte. Suez ist in etwa 130 Län­dern mit 115 Mil­lio­nen Ver­brau­chern, Veo­lia in 100 Län­dern mit 110 Mil­lio­nen Kun­den tätig. RWE kam noch vor weni­gen Jah­ren auf 64 Mil­lio­nen Verbraucher.

Was­ser­ver­sor­ger

Bis 1990 waren deut­sche Was­ser­ver­sor­ger in kommu­na­ler Hand. Dann begann die Priva­tisie­rung. Insbe­son­dere die Energie­kon­zer­ne RWE, Vatten­fall, Ener­gie Baden-Wür­t­­te­m­­berg (EnBW, zwischen­zeitlich in der Hand von EdF – Ener­gie de France), E.on und Veo­lia haben in fast allen Groß- und Mittel­städten Anteile an den Stadt- und Wasser­werken gekauft. Die Anteile rei­chen von 20 Pro­zent RWE an der Köl­ner Rhein­ener­gie (80 % lie­gen bei der städti­schen GEW AG) über die Standard­beteili­gung von 49,9 Pro­zent (zusam­men mit Veo­lia an den Ber­li­ner Wasser­betrieben) bis zu 80 Pro­zent (RWE an der Mül­heimer Rhei­­nisch-Wes­t­­fä­li­­schen Wasser­werks­gesell­schaft RWW).

RWE kaufte 2000/2001 Tha­mes Water, den größ­ten eng­li­schen und dritt­größten Ver­sor­ger mit 12 Mil­lio­nen Kun­den in Eng­land für 10 Mil­liar­den Euro. Das schien sich zu loh­nen, nach­dem Frau That­cher 1989 begon­nen hatte, das Was­ser zu priva­tisie­ren. Bald dar­auf war Ame­ri­can Water Works dran. Wenig spä­ter China Water (Hong­kong). Indes blieb das Wasser­geschäft für RWE ein vorüber­gehen­des Aben­teuer. Denn Tha­mes Waters Geschäfts­geba­ren mit ständi­gen Preis­erhö­hun­gen bei durch­gehen­der Vernach­lässi­gung des Leitungs­sys­tems stieß auf anhal­tende Pro­teste. Das veran­lasste Tony Blair, eine Regu­lie­rungs­behörde einzu­richten, das Office of water ser­vices. Die Behörde ver­langte von RWE 714 Mil­lio­nen Euro an Inves­titio­nen in die Trink­wasser­leitun­gen und 470 Mil­lio­nen Euro an Inves­titio­nen in das Abwas­ser­system im Zeit­raum von 2005 bis 2010. Diese Kos­ten soll­ten nicht mehr auf die Wasser­preise umge­legt wer­den kön­nen. Und RWE hätte sich mit einer Jahres­rendite von 6 Pro­zent zufrie­den geben müs­sen. Das war zu wenig. RWE ver­kaufte Tha­mes Water 2006 und steigt über­haupt allmäh­lich aus dem Wasser­geschäft aus. Der Börsen­gang von Ame­ri­can Water erfolgte im April 2008. Vor kur­zem hat RWE auch seine Anteile an den Ber­li­ner Wasser­betrie­ben abgestoßen.

Eigen­tums­verhält­nisse

Viel­leicht sind für uns Geschichte wie Eigen­tums­verhält­nisse von RWE von Belang: Die Rhei­nisch-Wes­t­­fä­li­­schen Elek­tri­zi­täts­wer­ke AG sind 1898 gegrün­det wor­den. Vier Jahre spä­ter erwar­ben August Thys­sen und Hugo Stin­nes mit­tels eines von ihnen geführ­ten Konsor­tiums unter Betei­ligung der Deut­schen Bank, der Dresd­ner Bank und der Dis­conto-Gesel­l­­schaft die Mehr­heit an RWE. Zur Finan­zierung des Wachs­tums sowie zur Erlan­gung von Konzes­sionen und Genehmi­gungen organi­sierte Stin­nes RWE als gemischt­wirt­schaft­liches Unter­nehmen mit pri­va­ten und kom­muna­len Anteils­eignern. Das hatte zur Folge, dass 1920 im Zuge der Erhö­hung des Aktien­kapitals auf 108 Mil­lio­nen Mark die Kom­mu­nen erst­mals die Kapital­mehr­heit beim RWE erhiel­ten. Nach­dem aber immer wie­der von pri­va­ten Anle­gern die Abschaf­fung des kommu­nalen Mehr­heits­stimm­rechts gefor­dert wor­den war, wur­den am 25. Juni 1998 die Vor­zugs- in Stamm­aktien umgewandelt.

Seit­dem ver­fü­gen die kommu­nalen Körper­schaften über 31 Pro­zent der Antei­le an RWE und just die­sem Verhält­nis entspre­chen­de Stimm­rechte. Aber immer noch gibt es eine Nähe zu Kom­mu­nal­poli­ti­kern, die sich in Aufsichts­räten und Bei­rä­ten von RWE gegen hohe Hono­rare tummeln.

Im Sep­tem­ber 2001 kaufte die EnBW 29,9 Pro­zent der Aktien der Stadt­werke Düssel­dorf und im Dezem­ber 2005 wei­tere 25,05 Pro­zent für 361 Mil­lio­nen Euro. EnBW hat seit­dem mit 54,95 Pro­zent das Sagen.

Mitt­ler­weile weist die Mehr­heit der etwa 900 Stadt­werke in Deutsch­land pri­vate Beteili­gun­gen auf. Nur die Stadt­werke, die kom­plett in öffent­licher Hand sind, wären, wenn es nach der EU geht, vom Zwang zu Aus­schrei­bungen ausge­nommen. Allen ande­ren droht die volle Privatisie­rung, weil nach dem Aus­laufen der bisheri­gen Konzes­sionen keine auto­mati­sche Verlän­gerung mehr eintre­ten würde. Die ört­li­che Wasser­versor­gung müsste EU-weit in Gänze aus­ge­schrie­ben werden.

Protest­bewe­gung

Protestaktion: Aneinander gekoppelte Boote mit Transparent: »Wasser ist Menschenrecht«.

Der Bin­nen­markt­kom­mis­sar Michel Bar­nier hat unter­dessen unter dem Ein­druck der Protest­bewe­gung ein ers­tes Zuge­ständ­nis gemacht. In einer Sit­zung des zustän­digen Aus­schus­ses wurde der Aus­schrei­bungs­zwang für kom­mu­nale Was­ser- und Abwas­ser­be­triebe einge­grenzt. Nun soll die Wasser­sparte von Stadt­werken von der Aus­schrei­bungs­verpflich­tung bedingt frei­gestellt wer­den. Voraus­setzung ist, dass die Buch­haltung der Wasser­sparte völ­lig von der Buch­haltung der Energie­sparte getrennt wird. Aus der Wasser­sparte dür­fen keine Quersub­ven­tionen in die Energie­sparte flie­ßen. Diese Tren­nung signa­lisiere ein Entgegen­kom­men, meint Bar­nier. Denn eine Frei­stel­lung der Trink­was­ser­ver­sor­gung vom Aus­schrei­bungs­zwang hätte ihre völ­lige Heraus­trennung aus dem Stadt­werke­verbund erfor­dert. Das ist mit Blick auf eine wei­tere Bedin­gung der Aus­schrei­bungs­freiheit von Belang. Die Stadt­werke sol­len nicht mehr als 20 Pro­zent ihres Um­sat­zes außer­halb der Stadt­grenzen erwirt­schaften. Im Ener­gie­ge­schäft sind aber mittler­weile fast alle Stadt­werke außer­halb ihrer Heimat­kom­mune tätig. Ohne die buch­halte­rische Tren­nung wären nicht nur Konzes­sionen für die Energie­sparte, son­dern mit einem Schlag auch für die Wasser­ver­sor­gung aus­schrei­bungs­pflich­tig geworden.

Nie­mand hat die Absicht …

Das 20-Pro­­zent-Kri­­te­rium gilt aber selbst­verständ­lich auch für eine buch­hal­terisch abge­trennte Wasser­sparte. Wasser­ver­sorger, die mehr als 20 Pro­zent ihres Umsat­zes außer­halb ihres ange­stamm­ten Konzes­sions­gebie­tes erwirt­schaften, unter­liegen dem Aus­schrei­bungs­zwang. Bar­nier heu­chelt, die Frei­heit der loka­len Behör­den werde hinsicht­lich der Art und Weise, wie sie die Auf­ga­ben von allge­mei­nem Interes­se durch­führen, nicht beein­träch­tigt. Er prokla­miert aber nach wie vor ein erheb­liches Rechts­schutz­bedürf­nis, dem seine Richt­linie Rech­nung zu tra­gen habe. Damit sind wohl Libera­li­sie­rungs­ansprü­che in der Folge von GATS gemeint. Aber Bar­nier lügt ohne­hin. Gegen­über der öster­rei­chi­schen Tages­zeitung STAN­DARD erklärte er am 22. Februar 2013:

»Ich sage ganz klar, diese Richt­li­nie zur Ver­gabe von Konzes­sio­nen hat nicht das Ziel oder die Konse­quenz, die Versor­gung mit Was­ser zu privati­sieren. Das ist nicht die Absicht der Kom­mis­sion. Und wer das behaup­tet, der kennt auch mich sehr schlecht. Ich hatte persön­lich nie diese Absicht.«

Der Kampf gegen die Privatisierung

Der Kampf gegen die Pri­va­ti­sie­rung des Was­sers tobt glo­bal und er währt schon einige Jahre. Es gibt Erfolge.

In Bue­nos Aires erhöh­ten sich die Wasser­preise nach der Priva­ti­sie­rung Mitte der 1990er Jahre um fast 90 Pro­zent. Nach 10 Jah­ren kün­digte die Stadt die Verträge.

Berühmt ist der Was­ser­krieg von Cochabamba.

1999 wurde auf Druck der Welt­bank das kom­mu­nale Wasser­unter­neh­men der Stadt Coch­abamba, SEMAPA, priva­tisiert. Die Stadt ist mit 600 000 Ein­woh­nern die zweit­größte Boli­vi­ens. Ihr Wasser­lei­tungs­netz war lücken­haft und unzu­reichend. Den­noch wei­gerte sich der Bürger­meister noch 1996, die Wasser­versor­gung dem Markt zu über­ge­ben. Erst ein Staats­schulden­erlass über 600 Mil­lio­nen Dol­lar machte den dama­ligen Staats­präsi­denten gefü­gig. Käu­fer war der US-ame­ri­­ka­ni­­sche Kon­zern Bech­tel. Des­sen Unter­nehmen Aguas del Tunari wurde im Privati­sierungs­vertrag eine 15 prozen­tige Ren­dite garan­tiert. Der Ver­trag beruhte auf einem Ent­wurf der deut­schen Gesell­schaft für Tech­nische Zusam­men­arbeit (GTZ).

In der Folge explo­dier­ten die Was­ser­preise. Die Bevölke­rung reagierte mit dem guerra del agua, dem Wasser­krieg. Geführt wurde der Kampf von einer »Coor­di­na­dora de Defensa del Agua y de la Vida« mit 40 Organisa­tionen von Bau­ern, loka­len Wasser­gemein­schaften, Leute mit eige­nen Brun­nen, Umwelt­schützer, Gewerk­schaften, Jugend­organi­sationen. Im Januar, Februar und April 2000 kam es zu rie­si­gen Demons­tratio­nen mit 60 bis 70 000 Men­schen. Über­all wur­den Barri­kaden errich­tet. Man berei­tete sich auf die Ankunft von Sol­da­ten vor. Bemalte Gesich­ter. Hände wur­den mit Leder­hand­schuhen geschützt, um Gas­granaten zurück­schleu­dern zu kön­nen, aber auch um Stachel­draht von Pfos­ten zu Pfos­ten quer über die Straße zu legen. Glas­flaschen wur­den zer­bro­chen und auf die Straße gelegt. Kin­der und Jugend­liche mitten­mang. Das Versamm­lungs­verbot und der Belage­rungs­zustand wur­den miss­achtet. Viele Mit­glie­der der Coor­di­na­dora wur­den ver­haf­tet und in ein weit abgele­genes Militär­lager im Tief­land geflo­gen. Die Poli­zei schoss zunächst mit Tränen­gas, dann mit schar­fer Muni­tion. Der 17-jäh­rige Hugo Danza starb, von einer Kugel ins Gesicht getrof­fen. Sie­ben Tote ins­ge­samt. Bald erfass­ten mili­täri­sche Opera­tionen das Land, fünf von neun Provin­zen waren im Ausnahme­zustand. Die Regie­rung wollte das Pro­blem mili­tä­risch lösen. Aber Mili­tär konnte das Volk nicht aufhalten.

Die Flucht der Bechtel-Manager

Den Aus­schlag gab die Flucht der Bech­tel-Mana­ger. Als sie ihre Büros räum­ten und die Com­pu­ter mit­nahmen, war die Wasser­versor­gung nicht mehr sicher­gestellt. Das bot der Regie­rung die Möglich­keit, den Ver­trag am 10. April 2000 aufzu­heben. Es wurde ein Abkom­men mit der Coor­di­na­dora geschlos­sen. Es sah die Kündi­gung des Ver­trags mit Aguas de Tunari vor, die Rück­führung der Depor­tierten, eine Entschä­digung der Fami­lien der Toten, Über­nahme der Kos­ten für die gesund­heitliche Versor­gung der Ver­letz­ten – und selbst­ver­ständ­lich die Redu­zierung der Wasser­tarife auf das Niveau vom Okto­ber 1999. Die SEMAPA über­nahm wie­der die Wasser­versorgung. In ihren Vor­stand kamen zwei Ver­tre­ter der Coor­di­na­dora, zwei von der Gemeinde und ein Gewerkschaftsvertreter.

Bech­tel ver­klagte Boli­vi­ens Regie­rung. Die Firma wollte 25 Mil­lio­nen Dol­lar Ent­schä­di­gung. Der Pro­zess dau­erte bis zum Herbst 2006. Dann gab Bech­tel auf, vor allem, weil der Kon­zern in San Fran­cisco, dem Sitz von Bech­tel, unter star­ken öffent­lichen Druck gera­ten war. Als am 18. De­zem­ber 2005 Evo Mora­les mit 54 % der Stim­men zum Präsi­den­ten gewählt wurde, war das eine Folge des Kamp­fes um das Was­ser, aber auch um das boli­via­ni­sche Erd­gas und Öl, das sich imperia­listi­sche Kon­zerne unter den Nagel hat­ten rei­ßen wol­len. Bei­des wurde in der Folge verstaatlicht.

Bürger­ent­scheid in Leipzig

In Leip­zig konnte 2008 eine Bürger­initia­tive durch Bürger­ent­scheid den Ver­kauf der Stadt­werke verhin­dern. 2010 hat der Stadt­rat von Stutt­gart auf Vor­schlag des dor­ti­gen Wasser­forums beschlos­sen, die Wasser­werke von EnBW zurück­zukaufen. Ende Februar 2013 hat der Solin­ger Stadt­rat ent­schie­den, die Stadt­werke wie­der in die eigene Hand zu neh­men. Bis dahin gehör­ten der (Mann­heimer Ver­sor­­gungs- und Verkehrs­gesell­schaft) MVV 49 % der Solin­ger Stadtwerke.

Die MVV Ener­gie ist ein beacht­li­cher Kon­zern. 50,1 % der Anteile sind im Besitz der Stadt Mann­heim, aber die restli­chen Anteile kom­men auf die Rhein­ener­gie (16,3 %), die EnBW (15,1 %), GDF Suez (6,3 %). Die MVV Ener­gie wie­derum hält Beteili­gun­gen an den Stadt­werken Kiel (51,0 %), der Ener­gie­ver­sor­gung Offen­bach (48,5 %), den Stadt­werken Ingol­stadt (48,4 %), Buchen (25,1 %), der Köthen Ener­gie (100 %) sowie den Stadt­werken Sins­heim (30,0 %), Wall­dorf (25,1 %) und Schwet­zingen (10,0 %) sowie an sieb­zehn Fern­wärme­ge­sell­schaften in Tschechien.

In Gie­ßen und Wetz­lar ist die Was­ser­ver­sor­gung wie­der in kommu­naler Hand. Über zwei Dut­zend erfolg­reiche Bürger­begeh­ren gegen die Wasser­priva­tisie­rung hat es mittler­weile in der Repu­blik gegeben.

Vorrats­beschluss in Berlin …

Eine Kor­rek­tur des Län­der­fi­nanz­aus­gleichs 1994 bescherte der Stadt jähr­li­che Minder­ein­nahmen von 4 Mil­liar­den Euro. Diese Lücke sollte durch Ver­käufe von Ver­mö­gen geschlos­sen wer­den. Die Teil­priva­tisierung der Ber­li­ner Wasser­betriebe (BWB) erbrachte 1,58 Mil­liar­den Euro. Am 7. Juli 1998 beschloss der Senat, »eine Hol­ding AG zu grün­den, die am Kapi­tal der Ber­li­ner Wasser­betriebe AöR (Anstalt öffent­lichen Rechts) betei­ligt ist. Anteile der Hol­ding AG sol­len an Pri­vate ver­äu­ßert wer­den, dabei ist sicher­zustel­len, dass das Land Ber­lin mit 50,1 % an der AG betei­ligt ist.« Für die Bera­tung bei der Umset­zung wurde das Unter­neh­men Mer­rill Lynch gewählt. Die 1. Le­sung des Geset­zes zur Teil­priva­tisie­rung fand am 14. Januar 1999 statt. Vor der 2. Le­sung im Abge­ord­neten­haus am 29. April 1999 stimm­ten unter dem Ein­druck der öffent­lichen Kri­tik an die­sem Deal CDU und SPD für einen »Vorrats­beschluss«, der unter ande­rem forderte

  • wirk­same Maß­nah­men zur Konstant­haltung der Wasserpreise
  • und, soweit unter­neh­me­risch dar­stell­bar, eine Sen­kung der Wasserpreise
  • die Sicher­stel­lung des Erhalts der Geschäfts­fel­der inner­halb der BWB AöR
  • die Fort­set­zung der hohen Inves­ti­ti­ons­tä­tig­keit und die Wei­ter­ent­wick­lung der BWB zu einem natio­nal und inter­na­tio­nal agie­ren­den wett­be­werbs­fä­hi­gen Unternehmen
  • die Stär­kung des Wirt­schafts­stand­orts und die Schaf­fung neuer Arbeits­plätze im Land Berlin
  • die För­de­rung der öko­lo­gisch ori­en­tier­ten Was­ser- und Abwasser­politik des Lan­des Ber­lin im Inter­esse einer intak­ten Umwelt.

Diese For­de­run­gen waren schön, aber unver­bind­lich. Bin­dend indes wur­den die Ver­träge. In der Plenar­debatte zu die­sem Thema am 29. Okto­ber 1999 konnte die Finanz­sena­torin Annette Fug­mann-Heesing erklä­ren, dass am 1. Juli die Teil­priva­tisie­rung durch die Ver­träge beschlos­sen wor­den seien und dass nun­mehr ihr Voll­zug zu erfol­gen habe.

Immer­hin waren die Preise bis zum 31. Dezem­ber 2003 festge­schrie­ben wor­den. Unbe­kannt waren bis dahin die Geheim­klauseln des Ver­trags, mit denen dem pri­va­ten Teil­ha­ber RWE/Veolia Berlin­wasser Betei­ligungs AG eine Ren­dite 28 Jahre lang garan­tiert wurde. Das führte dann prompt zu Preis­erhö­hun­gen ab 2004. Die Ber­li­ner zahl­ten im inter­nationa­len Städte­vergleich die höchs­ten Wasser­preise. Per­so­nal wurde abge­baut und Investi­tionen abge­senkt. Die Wasser­preise dage­gen stie­gen ste­tig und enorm – ins­ge­samt um 37 %! Die Ren­dite aus Trink- und Abwasser­verbrauch war allein in den Jah­ren 2005 bis 2010 um 365 Mil­lio­nen höher als 1999 vom Ber­li­ner Verfas­sungs­gericht zuge­lassen. Die unzu­lässige Zusatz­rendite würde sich bis zum Jahr 2028, dem frühest­mög­lichen Kündi­gungs­termin, auf 6,3 Mil­liar­den Euro belau­fen. Ohne jedes unter­nehme­rische Risiko lag der tatsäch­liche Pro­fit bei garan­tierten 11 %. Das ermit­telte der Ber­li­ner Wasser­tisch, ein brei­tes Bünd­nis, das sich am 23. Mai 2006 auf Anre­gung von Attac gegrün­det hatte. Die DKP ist dabei.

… und Volksbegehren

Der Was­ser­tisch initi­ierte ein Volks­be­geh­ren »Schluss mit Geheim­verträgen – Wir Ber­li­ner wol­len unser Was­ser zurück« und sam­melte bis zum 31. Ja­nu­ar 2008 40 000 Unter­schrif­ten. Die Zulas­sung die­ses Volksbegeh­rens wurde im März 2008 vom rot-roten Ber­li­ner Senat verwei­gert. Die Klage beim Verwal­tungs­gerichts­hof aber war am 6. Okto­ber 2009 erfolg­reich, so dass der nächste Schritt am Sonn­tag, den 13. Februar 2011, erfolgte. An die­sem Tag fand der Volks­entscheid über die Offen­legung der Teil­priva­tisie­rungs­verträge bei den Ber­li­ner Wasser­betrie­ben statt. Entschie­den wer­den sollte mit Ja oder Nein zu fol­gen­dem Gesetzentwurf:

»Alle bestehen­den und künf­ti­gen Ver­träge, Beschlüsse und Neben­abre­den im Zusam­men­hang mit der Teil­priva­tisie­rung der Ber­li­ner Wasser­betriebe sind mit Aus­nahme personen­spezi­fischer Daten vorbe­haltlos offen zu legen. Sie bedür­fen einer einge­henden öffent­lichen Prü­fung und Aus­sprache unter Hinzu­ziehung von unabhän­gigen Sach­verstän­digen und der Zustim­mung des Abgeord­neten­hauses von Ber­lin. Sie sind unwirk­sam, wenn sie nicht im Sinne die­ses Geset­zes abgeschlos­sen und offen gelegt werden.«

Häu­fig wurde im Zusam­men­hang mit dem Volksent­scheid die Frage gestellt: »Warum habt Ihr nicht gleich ein Volks­begehren zur Rekom­mu­na­li­sie­rung gemacht?«

Ant­wort: »Dann würde genau das gesche­hen, was in Pots­dam pas­siert ist. Dort wurde teuer rekom­mu­na­lisiert. Über die Ver­träge mit dem Kon­zern Suez wurde genauso Still­schweigen ver­ein­bart wie über die Höhe der Rück­kauf­summe. Doch wie wir aus einge­weihten Krei­sen wis­sen, wur­den die garan­tierten Gewinne in die Rück­kaufsum­me einkal­kuliert – mit der Folge, dass die Wasser­preise in Pots­dam noch höher sind als in Ber­lin. Wir wol­len die kosten­günstige Rekom­mu­nali­sierung. Darum ist die Offen­legung als ers­ter Schritt so wichtig.«

Tatsäch­lich stimm­ten 666 000 Ber­li­ner für die Offen­legung. Das »Gesetz für die voll­stän­dige Offen­legung von Geheim­verträgen zur Teil­privati­sierung der Ber­li­ner Wasser­betriebe« trat in Kraft. Aber der Kampf um die Rekom­muna­lisie­rung geht wei­ter. SPD und CDU hinter­treiben das Offenlegungsgesetz.

Immer­hin ver­fügte das Bun­des­kar­tell­amt am 5. Juni 2012 eine Sen­kung der Trink­was­ser­preise um 18 %. Womög­lich ver­an­lasste diese Maß­nahme RWE zum Ver­kauf. 24,95 % der Anteile Berlin­wasser Beteili­gungs AG gin­gen rück­wirkend zum 1. Januar 2012 an die Stadt Berlin.

Der Ber­li­ner Senat aber und die pri­va­ten Anteils­eigner kla­gen gemein­sam gegen die Ver­fü­gung des Bundes­kartell­amts: auch eine Form von Public-Private-Partnership.

Der Ber­li­ner Was­ser­tisch muss weiterkämpfen.

Unter ande­rem betei­ligt er sich am euro­päi­schen Bürger­entscheid. Er mel­det sich auf die jüngs­ten Ausfüh­rungen des zustän­digen EU-Kom­­mis­­sars Bar­nier zu die­sem Thema und bekräf­tigt die Ableh­nung der Konzes­sions­richt­linie: »Wenn Kom­mis­sar Bar­nier bezüg­lich der Auswir­kun­gen des Richt­linien­vorschlags sich nun im Falle der rein kom­muna­len Stadt­werke zu einer Nach­besse­rung der EU-Kon­­­zes­­si­ons­­rich­t­­li­nie gezwun­gen sieht, so ist das auf den Wider­stand zurück­zuführen, der sich in der lau­fen­den Europäi­schen Was­ser-Bür­ger­initia­­tive unerwar­tet mas­siv artiku­liert. Entwar­nung ist den­noch nicht ange­sagt, denn auch die nach­gebes­serte Konzes­sions­richt­linie greift erheb­lich in die kommu­nalen Struk­turen der Wasser­wirtschaft in Deutsch­land ein. Kom­munal­poli­tische Gestal­tungs­freiheit wird durch europa­weit verbind­liche Richt­linien aus Brüs­sel ersetzt. Das Vor­ha­ben muss kom­plett abge­sagt werden.«

Überblendung: Wassermangel und Weltkugel. »Weltweit haben über 800 Millionen Menschen kein sauberes Trinkwasser.«.

Häu­fig wird über­se­hen, dass im Zusam­men­hang mit der Wasser­priva­tisie­rung über­haupt die Zukunft kom­muna­ler Stadt­werke auf dem Spiele steht. Dem Bundes­rat immer­hin ist das aufge­fallen, er for­derte nicht nur die Heraus­nahme der Wasser­versor­gung aus der Dienst­leistungs­kon­zes­sions­richt­linie, son­dern auch die Heraus­nahme der Strom- und Gasnetze.

Klaus Stein, 7. April 2013
Kreis­vor­stand der DKP Köln
Gra­fik: ver.di